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Agnes, zur weißen Rose.

was sie wollten, und ein solcher Bürger tauschte sicher nicht
mit manchem kleinen Reichsstand. Und das mit Ursache. —

Braunschweig lebte ja in seinem goldnen Zeitalter! Als
Verbündete der nord- und süddeutschen Städte, hatte es ge-
j schickt den ganzen reichen Handel der Hansastädte, dessen Herz-
I ader Braunschweig war, mit Süddeutschland durch sein Gebiet
geleitet; seine Söldner begleiteten fort und fort die zahllosen
Transporte der Kaufmannsgüter, welche von Nord nach Süd
i und von den reichen Schwesterstädten Nürnberg und Augsburg
wieder nach Bremen und Hamburg gingen. Siebenzig Tausend
betriebsame Einwohner zählte die Stadt, und seltenen Wohl-
standes und großer Ueppigkeit genossen diese. Nach allen
Seiten hin vertheidigte die reichsfreien Rechte ein wohlgeübtes
! Heer von etwa 10,000 Streitern, fast fortwährend im Kampfe
j gegen gewaffnete Uebergrisfe habgieriger Nachbarn. Reiche Bau-
ten entstanden, ein ehrendes Denkmal kommender Jahrhunderte.
Ueberall blühete Reichthum und Glück. In 14 Bezirke war
die Stadt getheilt, deren jeder seinen eigenen Bürgermeister
hatte, und bei feierlichen Gelegenheiten, als der Wahl neuer
Rathshäupter u. s. w. standen die zahlreichen Vasallen der
Stadt, und unter diesen allein 270 adelige Lehnleute, ent-
blößten Hauptes ihren Lehenseid zu leisten!

In den frühen Morgenstunden der heiteren Sommcrtage
' war Agnes gewöhnlich im Garten thätig, sie hantirte emsig
in den üppigen Gemüsebeeten, und fand großes Vergnügen
darin, täglich ihre Laube von Jelängerjelieber, deren Blätter
zu kühlem Schirm sich vereinigt hatten, zu besuchen, vor wel-
cher ein Beet mit Pfingstrosen, Jungfrau im Grün, und bren-
nender Liebe, die bunten Blüthen im Sonnenschein wiegten.
Der Garten, hinterm Hause liegend, war nur durch einen
kleinen Wassergraben von andern Erbstücken getrennt, deren
eines der alten Familie Mumme gehörte.

Christian Mumme, ein geschickter Brauer und einziger Erbe
seiner reichen Eltern, cultivirte schönen Hopfen in besagtem
Grundstück, und gewöhnlich fand er sich Morgens dort ein, weil
er wußte, daß Agnes jenseits der Hagedornhecke emsig schaffte.
Die früheren Jugendgespielen trennte jetzt der dichtgezogene Zaun,
durch welchen sic so oft gekrochen waren, um miteinander zu
plaudern. Unbemerkt hatte sich Beider eine gegenseitige Liebe
bemächtigt und gar manche stille Nachtstunden hindurch war
die klare Mondscheibe ein stummer Zeuge ihrer jugendlichen
Neigung.

Agnes hielt heute öfters ihr weiches Händchen als Schirm
über die Augen und schauete durch'S dichte Hopfengestänge
hinüber; aber das kleine Gartenhäuschen blieb verschlossen,
Christian war noch nicht gekommen. Ihre Gedanken mochten
, wohl nach einer Ursache suchen, die sein Ausbleiben recht-
fertige, — denn sie hörte nicht, wie ihr Vater, hinter sie ge-
treten, laut wurde. —

„Ja, schau nur hinüber! Christian soll wohl nicht kommen,
ich habe eben ein ernstlich Wort mit ihm geredet, daß er
Dir so den Kopf drehig macht, und Deinen Eigensinn gegen
! meinen Willen verstärkt! —"

Agnes nahm erschrocken ihren kleinen Spaten und ging

in die Erbsenbeete, — ihr Vater hinterdrein, fortwährend
proppelnd.

„Ich habe nichts gegen den Jungen, aber er sollte mehr
Verstand haben und nicht so gegen Will' und Dank mit Dir
schwänzbärbeln, — ja, flenne nur, widerberstig Kind, das
nicht einschen will, wie gut ich's meine! Ein vor Alles, der
Stadtfähndrich hat mein Wort, und zum heiligen Christfest
soll die weiße Rose Deinen Ehrentag feiern sehen," sagte Wcnnert.

.Lieber sterb' ich!" schluchzte Agnes.

„Kindisches Geplapper! 's stirbt sich was! Ich erlebe,
daß Du mich nach der Hochzeit noch umhalsest und ex
officio abschmaheft! Sapperlott, wenn ich die kleinen Rangen !
so zwei, drei, vier wie die Orgelpfeifen aufwachsen sehe!?
Na! — und wenn Du gar noch, wer weiß wie lang's dauert,
Stadthauptmannsfrau wirst! Die erste Frau im großen, reichen
Braunschweig! — Na, Mädchen! siehste, Du mußt selbst
lachen, — das soll mich laben wie Zimmetwein im Winterfrost!"

Agnes mußte diese Spiegelbilder und Phantasieen an-
hören, ihr Vater träumte und sann täglich nichts Anderes.

Tiefe Nacht war's, als die Gartenthnr knarrte, und
Agnes mit ihren Händchen den Kopf des großen Hofhundes
tätschelte, der brummend vor seiner Hütte lag. Der Kies
knirschte nicht vom leisen Tritt des schönen Kindes, das seines
Weges sicher war. Christian stand längst im Schalten eines !
Apfelbaumes und wartete. Sie reichten sich die Hand über
die Hecke und ihr Gespräch war nicht verständlicher für einen
Dritten, als das Säuseln des Nachtwindes im Laube. Sie
vertraueten auf die Base Elsbeth, und etwas weiterhin wollte
der ehrliche Brauer seinen Pathen, de» Oberbürgermeister
Flemming, gewinnen, für ihn den Brautwerber zu machen.
An Reichthum konnte sich Christian vollkommen mit dem
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Agnes, zur weißen Rose"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Diez, Wilhelm von
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Liebeskummer <Motiv>
Schimpfen
Weinen <Motiv>
Gießkanne
Zwangsheirat
Karikatur
Tracht <Motiv>
Garten <Motiv>
Vater <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1287, S. 82

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