N ervös.
142 Die Wasserpest.
verschiedenen Pflanzen bringen, um sie bei der Vorlesung über
Botanik zu benutzen und der Gärtner hatte sie in seiner Ab-
wesenheit aus seinen Schreibtisch gelegt; mittlerweile kömmt seine
Frau in's Zimmer, in der Hand die neuesten lyrischen Gedichte
unseres von den Damen vergötterten Sängers, Zuckernutz,
um sich eine besonders schöne Stelle anzumerken — irre ich
nicht, war es die Strophe:
„Aus meinem Herzen sproßt ein Stengel,
Wie von der Lilie fromm und rein —
Setz' dich darauf, du holder Engel,
Ich singe dich in Schlummer ein."
nimmt sie eine» Zweig aus dem Strauße, legt ihn in's Buch,
geht damit in ihr Zimmer zurück und läßt den Band auf ihrem
Arbeitstischchen liegen, worauf sie das Haus verläßt, um
einen Besuch zu machen. Wer aber beschreibt ihr Erstaunen,
wie sie, zurückkommend, das Zimmer betritt und den ganzen
Fußboden bis zu ihrem Tische hin mit einer hellgrünen
Pflanze bedeckt findet, die, sich am Tische hinaufrankend, offen-
bar ihren Ursprung in dem Buche hat und sichtlich aus ihm
hcrvorivachsend fort und fort mehr Raum einnimmt, so daß
sie binnen weniger Stunden das ganze Zimmer erfüllen muß.
Rathlos steht das arme Frauchen dein Wunder gegenüber
und seufzt nach ihrem Manne, wie es eben jede Gattin thnt,
sobald ihr etivas Unbegreifliches vorkonunt, wenn sie sich auch
sonst blutwenig um ihn bekümmert ; und er kommt nach Hause
und wird alsogleich herbeigerufen. — „Was Teufel," sagt
der ganz erstaunt, nachdem er einen Zweig der Pflanze
untersucht — „das ist ja: Anacharis alsinastnim, auf deutsch:
Tropperaria pestifera — nein zum Kukuk — die Wasserpest, die
den Hamburgern so viele Roth bereitet — alle andern Pflanzen
im Wasser umbringt und sogar dort, wo sie sich eingenistet,
die Schifffahrt unmöglich macht — aber wie kommt denn die
daher?" — Die Frau sagte ihm, was sie gethan, er macht
sich darauf bis zum Buche Bahn und nimmt es auf — wie
er es aufschlagt, da sind alle Blätter leer — blos weißes
Papier und keine Spur von Druck. — „Aha" — sagt er —
„die hat alles Wasser herausgezogen, jetzt hat's keine Gefahr
mehr — sie ivird nicht mehr weiter wachsen." C*"in(Tus.
Nervös.
(In oberbaycrischer Mundart.)
Es wird jetzt grad sechs Jahr her sein,
Da war mci Weib so krank,
Da Hab i denn zum Docta geschickt,
Tö Ham für All's an Trank.
Da Docta kimmt und fragt mi da,
Was ihr denn is — was s' hat —
Und ob nöd fehlt der Appetit,
Wia früher no so grad.
Na — sag i — ess'n mag f grad schon,
Da fehlets nöd so weit,
Do is s' so zorni alleweil
Und hat an nix a Freud.
A Wörtl wenn i oft nur sag,
So wird s' springgifti glei,
Und mager wird f vor laula Zorn —
Recht hart is 's mit dem Weil
Aha! hat drauf da Docta g'sagt —
Aha! — Jetzt Ham ma's schon —
Dei Weib — dös is nervös — vastehst —
Mirk auf und hör mi on.
Wenn Sani an der Krankheit leid't,
Der muaßt All's thoan — was f will;
Nur rcchtgeb'n muaßt — nöd widerred'n —
A Wörtl is schon z'viel!
Und wenn Du's so a Zeitlang treibst —
Schmeckt sreili gar nöd guat —
So wirst Du's seh'n, wia's ihr bald
Dö Nerv'» stärk'» thuat.
Und dick und fett wird f wieder wer»,
Grad so als wia von eh';
Do muaßt ihr nach'» Will'» All's thoan,
Und thuat's dir a oft weh! —
Na — i hab's than — hab's nuntag'schluckt —
Was i oft g'sagt hätt gern;
Und Hab ma denkt — i bring's scho ein —
Wenn s' wieder g'snnd thuat wer»!
Und — g'sund is f worn — und dick und fett -
Do Oans is nöd vertrieb'» —
I muaß »o allweil thoan was s' will —
Dö Krankheit is ihr blieb'n!
ä. S.
142 Die Wasserpest.
verschiedenen Pflanzen bringen, um sie bei der Vorlesung über
Botanik zu benutzen und der Gärtner hatte sie in seiner Ab-
wesenheit aus seinen Schreibtisch gelegt; mittlerweile kömmt seine
Frau in's Zimmer, in der Hand die neuesten lyrischen Gedichte
unseres von den Damen vergötterten Sängers, Zuckernutz,
um sich eine besonders schöne Stelle anzumerken — irre ich
nicht, war es die Strophe:
„Aus meinem Herzen sproßt ein Stengel,
Wie von der Lilie fromm und rein —
Setz' dich darauf, du holder Engel,
Ich singe dich in Schlummer ein."
nimmt sie eine» Zweig aus dem Strauße, legt ihn in's Buch,
geht damit in ihr Zimmer zurück und läßt den Band auf ihrem
Arbeitstischchen liegen, worauf sie das Haus verläßt, um
einen Besuch zu machen. Wer aber beschreibt ihr Erstaunen,
wie sie, zurückkommend, das Zimmer betritt und den ganzen
Fußboden bis zu ihrem Tische hin mit einer hellgrünen
Pflanze bedeckt findet, die, sich am Tische hinaufrankend, offen-
bar ihren Ursprung in dem Buche hat und sichtlich aus ihm
hcrvorivachsend fort und fort mehr Raum einnimmt, so daß
sie binnen weniger Stunden das ganze Zimmer erfüllen muß.
Rathlos steht das arme Frauchen dein Wunder gegenüber
und seufzt nach ihrem Manne, wie es eben jede Gattin thnt,
sobald ihr etivas Unbegreifliches vorkonunt, wenn sie sich auch
sonst blutwenig um ihn bekümmert ; und er kommt nach Hause
und wird alsogleich herbeigerufen. — „Was Teufel," sagt
der ganz erstaunt, nachdem er einen Zweig der Pflanze
untersucht — „das ist ja: Anacharis alsinastnim, auf deutsch:
Tropperaria pestifera — nein zum Kukuk — die Wasserpest, die
den Hamburgern so viele Roth bereitet — alle andern Pflanzen
im Wasser umbringt und sogar dort, wo sie sich eingenistet,
die Schifffahrt unmöglich macht — aber wie kommt denn die
daher?" — Die Frau sagte ihm, was sie gethan, er macht
sich darauf bis zum Buche Bahn und nimmt es auf — wie
er es aufschlagt, da sind alle Blätter leer — blos weißes
Papier und keine Spur von Druck. — „Aha" — sagt er —
„die hat alles Wasser herausgezogen, jetzt hat's keine Gefahr
mehr — sie ivird nicht mehr weiter wachsen." C*"in(Tus.
Nervös.
(In oberbaycrischer Mundart.)
Es wird jetzt grad sechs Jahr her sein,
Da war mci Weib so krank,
Da Hab i denn zum Docta geschickt,
Tö Ham für All's an Trank.
Da Docta kimmt und fragt mi da,
Was ihr denn is — was s' hat —
Und ob nöd fehlt der Appetit,
Wia früher no so grad.
Na — sag i — ess'n mag f grad schon,
Da fehlets nöd so weit,
Do is s' so zorni alleweil
Und hat an nix a Freud.
A Wörtl wenn i oft nur sag,
So wird s' springgifti glei,
Und mager wird f vor laula Zorn —
Recht hart is 's mit dem Weil
Aha! hat drauf da Docta g'sagt —
Aha! — Jetzt Ham ma's schon —
Dei Weib — dös is nervös — vastehst —
Mirk auf und hör mi on.
Wenn Sani an der Krankheit leid't,
Der muaßt All's thoan — was f will;
Nur rcchtgeb'n muaßt — nöd widerred'n —
A Wörtl is schon z'viel!
Und wenn Du's so a Zeitlang treibst —
Schmeckt sreili gar nöd guat —
So wirst Du's seh'n, wia's ihr bald
Dö Nerv'» stärk'» thuat.
Und dick und fett wird f wieder wer»,
Grad so als wia von eh';
Do muaßt ihr nach'» Will'» All's thoan,
Und thuat's dir a oft weh! —
Na — i hab's than — hab's nuntag'schluckt —
Was i oft g'sagt hätt gern;
Und Hab ma denkt — i bring's scho ein —
Wenn s' wieder g'snnd thuat wer»!
Und — g'sund is f worn — und dick und fett -
Do Oans is nöd vertrieb'» —
I muaß »o allweil thoan was s' will —
Dö Krankheit is ihr blieb'n!
ä. S.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Nervös"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1294, S. 142
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg