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Brief aus Schleswig-Holstein.
wir über Nacht und ich kam zu einen Schneider in Kwartür.
Das war ein gans hibscher Mann und der hatte einmal die
Welt gesehn und konnte erzehlen! Er hat auch in München
gearbeit beim Schneidermeister Weidel und in Nürnberg beim
Meister Müller weshalb mir viel mit einanders geblautert
haben und er läßt euch bitten Weideln oder Müllern zu grißen
wenn Ihr Sie sehn sollt, er hieße Stichel ließ er Euch sagen.
Aber das Bier hier das ist merkwirtiges Zeig. Stichel
ftagte mich ob ich eine Blonde haben wollte. Ich dachte er
meinte vielleicht ein Mädel und sagte ihn eine Schwarze were
mir lieber. Da lachte aber Stichel und sagte das were Bier
was mir aber doch gar nicht wahr schien. Da brachte Stichel
ein Glas fast eine Elle hoch und worin gelbes tribes Bier war
was ungefehr so aussah wie ein Paar ungewaschene Kasämen-
hosen. Ich wollte lange nicht davon koßten denn ich dachte
am Ende stnd blonde Haare darin aber es war nur so ein
Name und es schmöckte auch nicht gut. Da lobe ich mir unser
Helles und Braunes hingegen hat der Korberal gesagt, das es
in diesen Lendern wo wir setz hinkömen mit den Bier nichts
mehr sei.
Stichel aber ist ein gans hibscher Mann und als wir am
Morgen aufbrechen mußten da steckte mir die Frau Stichel noch
eine gereicherte Magenwurst in die Kabottasche warum ich ihr
I
auch dankte. Uebrigens habe ich von Berlin nicht viel gesehn
weil wir Abends spet ankamen und früh fort mußten. Noch
eins hette ich aber balde vergessen das find die Gasladernen
das ist nemlich fichse Lust die in einen Rohre ist und ohne
Docht und Oehl brennt wenn man mit dm Vidipus drankommt
und auch sehr stinkt wenn Sie nicht brennt. Aber übrigens
find die Berliner gans gute Leite das kennt ihr dem Pater sagen.
Auch hier ging es gleich wider auf den Bahnhof wo wir
nach Hammburg wriruhren. Diesmal kam ich auf einen Wagm
der nicht so bekwöm war wie der vorigte aber doch besser als
der Ochsenwagen zuerst. Er war so zwischen den letzten und
den Ochsen mitten drinne. Von der Gegmd konnte ich dieses-
mal gar nichts sehn weshalb ich auch nichts schreiben kann dmn
ich sas mit den Rüken am Fenster und vor mir sasen die
Kameraten so dicke das ich nicht dazwischm durchsehn konnte
aber mich auch nicht umdröhn warum mir sehr warm wurde.
So kämm wir in Hammburg an was auch sehr schön ist weil
es einmal gans abgebrand ist. Ich war aber so mide das ich
mich in meinen Kwartüre gleich niderlegte und die Stadt gar
nicht ansah.
Am andem Tage ging es nun sehr zeidig Wider fort und
noch einmal auf die Eisenbahn. Jetz fuhrm wir nun grade
nach Hollstein hinein was man aber gar nicht märkt und nur
aus der Landkarte dmn die Felder sehen grade so grin aus wie
bei uns was mir sehr merkwirtig vorkommt. Aber jetz hatte
ich das Eisenbahngefare balde satt denn mir wakelten alle Knochen
in Leibe aber es ging noch eine gute Sttecke so fort bis wir
an eine Festung kamen und der Korberal sagte: Hier steicht
aus nun mißt ihr zu Fuße gehn das ist Rentsberg wo die
Eisenbahn alle ist. Wir zöchen daher mit flatemde Spiele und
klingentm Fahnen wie man gewehnlich sagt in die Festung ein
wo man uns sehr steindlich emfing und immer Vifat anschrie
das es mir ortentlich angst wurde, aber mllich hörte da- schreim
auf und wir hatten Ruhe. Da es hieß es sollte von nun an
zu Fuße fortgehn so legte ich mich recht zeitlich hin um auszu-
schlafen was auch gans recht war. Aber die Leite habm die
ganse Nacht hindurch einm greulichen Schbekdakel verfihrt.
Besonders sangen Sie das Lied Schlöswich-Hollstein meerum-
schlungen aber gans anders als unser Schulmeister zu Hause
denn der sang uns immer das Lied auf der Fioline vor nach
der Mehlodie: Guter Mond Du gehst so stille was mir aber
noch besser gefallen hat weil es so recht sanfte klingt.
Wir blieben doch an den andem Tag in Rentsberg wo ich
mich nun etwas umsehn konnte was ich aber nicht that weil
es regnete. Mein Korberal sagte mir das wir in dm vier
Tagen auf die Eisenbahn so weit gesahrm waren wie die beste
Bodenfrau und der flodeste Gerichtsdiner in vier Wochm nicht
laufen kennten. Nun denkt einmal an man sollte so was gar
nicht glauben aber wahr ist es.
Dann ging es weiter aber zu Fuße was mich in Anfang
sehr inkomotirte weshalb ich sehr müde wurde. Abends spete
kamen wir nach einer großen Stadt die Schlöswich hies und
an einen großen Wasser liegt was man meemmschlungm nennt
wie der Korberal sagte. Ich dachte nun das were das Meer
13 *
Brief aus Schleswig-Holstein.
wir über Nacht und ich kam zu einen Schneider in Kwartür.
Das war ein gans hibscher Mann und der hatte einmal die
Welt gesehn und konnte erzehlen! Er hat auch in München
gearbeit beim Schneidermeister Weidel und in Nürnberg beim
Meister Müller weshalb mir viel mit einanders geblautert
haben und er läßt euch bitten Weideln oder Müllern zu grißen
wenn Ihr Sie sehn sollt, er hieße Stichel ließ er Euch sagen.
Aber das Bier hier das ist merkwirtiges Zeig. Stichel
ftagte mich ob ich eine Blonde haben wollte. Ich dachte er
meinte vielleicht ein Mädel und sagte ihn eine Schwarze were
mir lieber. Da lachte aber Stichel und sagte das were Bier
was mir aber doch gar nicht wahr schien. Da brachte Stichel
ein Glas fast eine Elle hoch und worin gelbes tribes Bier war
was ungefehr so aussah wie ein Paar ungewaschene Kasämen-
hosen. Ich wollte lange nicht davon koßten denn ich dachte
am Ende stnd blonde Haare darin aber es war nur so ein
Name und es schmöckte auch nicht gut. Da lobe ich mir unser
Helles und Braunes hingegen hat der Korberal gesagt, das es
in diesen Lendern wo wir setz hinkömen mit den Bier nichts
mehr sei.
Stichel aber ist ein gans hibscher Mann und als wir am
Morgen aufbrechen mußten da steckte mir die Frau Stichel noch
eine gereicherte Magenwurst in die Kabottasche warum ich ihr
I
auch dankte. Uebrigens habe ich von Berlin nicht viel gesehn
weil wir Abends spet ankamen und früh fort mußten. Noch
eins hette ich aber balde vergessen das find die Gasladernen
das ist nemlich fichse Lust die in einen Rohre ist und ohne
Docht und Oehl brennt wenn man mit dm Vidipus drankommt
und auch sehr stinkt wenn Sie nicht brennt. Aber übrigens
find die Berliner gans gute Leite das kennt ihr dem Pater sagen.
Auch hier ging es gleich wider auf den Bahnhof wo wir
nach Hammburg wriruhren. Diesmal kam ich auf einen Wagm
der nicht so bekwöm war wie der vorigte aber doch besser als
der Ochsenwagen zuerst. Er war so zwischen den letzten und
den Ochsen mitten drinne. Von der Gegmd konnte ich dieses-
mal gar nichts sehn weshalb ich auch nichts schreiben kann dmn
ich sas mit den Rüken am Fenster und vor mir sasen die
Kameraten so dicke das ich nicht dazwischm durchsehn konnte
aber mich auch nicht umdröhn warum mir sehr warm wurde.
So kämm wir in Hammburg an was auch sehr schön ist weil
es einmal gans abgebrand ist. Ich war aber so mide das ich
mich in meinen Kwartüre gleich niderlegte und die Stadt gar
nicht ansah.
Am andem Tage ging es nun sehr zeidig Wider fort und
noch einmal auf die Eisenbahn. Jetz fuhrm wir nun grade
nach Hollstein hinein was man aber gar nicht märkt und nur
aus der Landkarte dmn die Felder sehen grade so grin aus wie
bei uns was mir sehr merkwirtig vorkommt. Aber jetz hatte
ich das Eisenbahngefare balde satt denn mir wakelten alle Knochen
in Leibe aber es ging noch eine gute Sttecke so fort bis wir
an eine Festung kamen und der Korberal sagte: Hier steicht
aus nun mißt ihr zu Fuße gehn das ist Rentsberg wo die
Eisenbahn alle ist. Wir zöchen daher mit flatemde Spiele und
klingentm Fahnen wie man gewehnlich sagt in die Festung ein
wo man uns sehr steindlich emfing und immer Vifat anschrie
das es mir ortentlich angst wurde, aber mllich hörte da- schreim
auf und wir hatten Ruhe. Da es hieß es sollte von nun an
zu Fuße fortgehn so legte ich mich recht zeitlich hin um auszu-
schlafen was auch gans recht war. Aber die Leite habm die
ganse Nacht hindurch einm greulichen Schbekdakel verfihrt.
Besonders sangen Sie das Lied Schlöswich-Hollstein meerum-
schlungen aber gans anders als unser Schulmeister zu Hause
denn der sang uns immer das Lied auf der Fioline vor nach
der Mehlodie: Guter Mond Du gehst so stille was mir aber
noch besser gefallen hat weil es so recht sanfte klingt.
Wir blieben doch an den andem Tag in Rentsberg wo ich
mich nun etwas umsehn konnte was ich aber nicht that weil
es regnete. Mein Korberal sagte mir das wir in dm vier
Tagen auf die Eisenbahn so weit gesahrm waren wie die beste
Bodenfrau und der flodeste Gerichtsdiner in vier Wochm nicht
laufen kennten. Nun denkt einmal an man sollte so was gar
nicht glauben aber wahr ist es.
Dann ging es weiter aber zu Fuße was mich in Anfang
sehr inkomotirte weshalb ich sehr müde wurde. Abends spete
kamen wir nach einer großen Stadt die Schlöswich hies und
an einen großen Wasser liegt was man meemmschlungm nennt
wie der Korberal sagte. Ich dachte nun das were das Meer
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Brief aus Schleswig-Holstein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 9.1848, Nr. 205, S. 99
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg