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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Steinlein, Stephan: Schreibgerät und Schriftcharakter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0235

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598. Kopfleiste; von <£. Kob. ? iehl, München.

Achröikgerai und Schristr
charakier.

(Von Ktephan Sternkein, München.

e lebhaften Antipathien der schaf-
fenden Künstler gegen alles streng
historische Betrachten und alle
Schlußfolgerungen positiv ästhe-
tischer Natur für künstlerische Pro-
duktion sind bekannt genug. Es
ist nahezu instinktives Verhalten des, wenn auch nur
int mittleren Wertgrade selbstschöpferischen Künstlers,
das ihn den sichtenden, ordnenden Bestrebungen des
Historikers teilnahmslos kühl, ja abwehrend gegen-
überstehen läßt. Auch rein praktisch kunstästhetische
Bestrebungen begegnen, wenn auch geringerem Wider-
streben als streng historische Untersuchungen, selten
inehr als oberflächlichem Interesse bei Künstlern und
mehr noch bei Kunsthandwerkern. Nicht immer und
allein ist es nur die Fremdheit des Jargons, die
Unbekanntheit mit gelehrten Fachausdrücken, es
liegt oft die mehr oder minder klare Anschauung zu
gründe, daß sich ästhetische Theorien und Doktrinen
klar und folgerichtig erst aus Abgeschlossenen:, Ge-
wordenen: abstrahieren lassen, weit aussichtsloser und
schwieriger iudes sich aus keimenden Strömungen
sichere Anhaltspunkte der Auffassung und Schluß-
fornrulierung ergeben.

Der Schaffende aber steht in: Leben, wirkt in
der Stunde, überall umgibt ihn neues Streben, Keimen,
Wollen und Werden, er selbst lebt hingegeben im
großen Ganzen augenblicklicher Strömungen wie Be-
strebungen, formt, wenn auch mit schwachen Händen,
an ihrem Ausdruck und Inhalt, ihren geschriebenen
und inehr noch wandelbaren Formen der Entwickelung.
Oft erlebt er es in kurzen Zeiträumen unmittelbar,
wie die besten Absichten, Spekulationen und orphischen
Prophetien der neben und mit ihn: känipfenden
Ästhetiker durch das fortzeugende Leben nicht bestätigt,
ja oft geradezu negiert werden. Näher schon liegt
den Interessen des künstlerisch und kunstgewerblich
Tätigen aber das vielfach Mannigfaltige aller rein
technischen Vorgänge, Einflüsse und Prozeduren auf
handwerklichem Boden, hier findet er, seinen heim-
lichen Wünschen oft konform, positive Werte. Er
begreift sofort, erkennt das Färdersamc solcher Be-
trachtungsweise und vermag, ohne daß sein formales
Gestaltenwollen dirigiert wird, unmittelbaren Gewinn
zu ziehen. Uns haben seinerzeit an Schulen übliche
Betrachtungsweisen der künstlerischen Werte und
Unterscheidungsmerkmale der Schriften verschiedener
Jahrhunderte nicht weiter gefördert als eben für
einen jeweiligen Fall sich nicht allzu gröblich in:
Formcharakter des Stils zu vergreifen. Für Werden
und Wachsen, Wie und Warum der fraglichen
Formenwelt wurde durch rein historische Belehrung
keine lebenzeugende Wirkung erschlossen. Sammel-
mappen von Initialen und Typen aller Jahrhunderte

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Kunft und Handwerk. 6J. Iahrg. Heft 7.

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