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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Bosselt, Rudolf: Der Jahrhunderttaler und die Münzkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0037

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DER JAHRHUNDERTTALER UND DIE MÜNZKUNST0
VON PROFESSOR RUDOLF BOSSELT
Direktor der Kunstgewerbeschule Magdeburg

ALS »künstlerische Münze« ist er von allen Urteils-
fähigen sofort nach der Ausgabe abgelehnt
worden. Viele haben ihn ohne Befremden auf-
genommen — mein Gott, Briefmarken, Papiergeld
und Münzen, was soll man da erwarten! Ein Achsel-
zucken — offizielle Kunst —- und man spricht von
etwas anderem. □
o Ich will nicht untersuchen, warum alles Offizielle,
fast gesetzmäßig, scheint es, zu einem künstlerischen
Mißerfolg führen muß. □
□ Eingeweihtere mögen es darlegen. Ich will ver-
suchen, zu sagen, warum dieser Gedenktaler, der doch
ein besonderes in der Auflage auf eine Million Exem-
plare beschränktes Stück ist, künstlerischen Ansprüchen
nicht genügt. Den Gefühlswert als Erinnerungsstück
an eine große Zeit und den Kuriositätswert lasse ich
beiseite — das hat mit Kunst nichts zu tun. Auf

Beschränkung in der Höhe des Reliefs zweifellos
verringert. n
□ Aber uns bleibt ein Drittes, das den griechischen
Münzen ihre Schönheit verleihen hilft und worauf
wir freiwillig verzichtet haben, ohne von den unab-
weisbaren Forderungen des Geldverkehrs oder der
modernen Prägeart dazu gezwungen worden zu sein.
Das ist die Technik, durch die das Reliefbild auf der
Münze gewonnen wird. Dies geschah von Anbeginn
bis weit in die moderne Zeit hinein dadurch, daß
das darzustellende Bild vertieft in Stahl geschnitten
wurde, ähnlich wie die Wappen in die Steine der
Siegelringe geschnitten werden. Die Ausprägung
ergab dann die erhabene Darstellung. o
□ Als die vorgeschrittene Maschinentechnik die Kraft
aufbringen konnte, einen gehärteten Stahlblock in
einen weichen so einzupressen, daß der eine das


diese aber käme es in erster Linie an, denn nichts
verleiht den Dingen höheren und dauernderen Wert
als ihr künstlerisches Gepräge, und ein Kulturvolk hat
das Recht, von seinen Münzen zu verlangen, daß sie,
unbeschadet ihrer Funktion als kursierendes Geld,
auch künstlerische Wertstücke seien. □
□ Den Maßstab zur Beurteilung des künstlerischen
Wertes der Münzen geben uns die schönsten, die die
Welt besitzt, die griechischen des 5. und 4. Jahr-
hunderts v. Chr. Zweierlei fällt uns an diesen Stücken
auf, was für Münzen, die dem modernen Geldverkehr
dienen, nicht übernommen werden kann. Das ist
zunächst der mehr oder minder ovale, unegale, ge-
sprungene Rand. Die Prägetechnik, die wir, um den
heutigen Bedarf zu decken, anwenden müssen, schließt
die Unregelmäßigkeit der Begrenzung der Münze,
die wir bei der griechischen sehr reizvoll finden, aus.
Dann das hohe Relief. Unser Geld muß in Rollen
verpackt werden können, und das verlangt an der
Peripherie eine erhöhte Einfassung, die das Relief in
der Mitte um ein Weniges überragt. Das macht ein
hohes Relief unmöglich, denn die Einfassung wird
je höher, je unschöner. Die Mittel, die künstlerischer
Gestaltung zur Verfügung stehen, werden durch die

Aus der Magdeburgischen Zeitung vom 1. April 1913.

getreue, nur umgekehrte Abbild des anderen ergab,
gingen die Münzstempelschneider dazu über, das
Reliefbild nicht mehr vertieft zu schneiden, durch
Herausnehmen aus der Fläche, sondern erhaben, durch
Wegnehmen des Umstehenden, ähnlich dem Vor-
gang beim Herausmeißeln eines Reliefs aus dem
Stein. Und noch einen Schritt weiter gingen sie:
Konnte man das Bild erhaben schneiden und dann
in den andern Stahlblock, den eigentlichen Präge-
stempel, einpressen, so brauchte man um das er-
habene Bild herum auch keine Fläche mehr, man
konnte es für sich allein schneiden. Ähnlich den
Stempeln: Sternchen, Blumen usw., mit denen ein Buch-
binder seine Verzierungen punzt, machte man Por-
träts und Figuren. Für die Schrift machte man
wieder Punzen zu den einzelnen Buchstaben, so daß
das vertiefte Prägebild aus einzelnen, besonders ein-
gepreßten Detailstücken zusammengesetzt wurde.
Dieser Prozeß war schon in der vornapoleonischen
Zeit üblich, und sein Einfluß auf das Aussehen der
Münzen und Medaillen ist nicht zu verkennen.
Figürliche Darstellung wie Schrift sehen immer wie
ausgeschnitten und aufgelegt aus. Da man nun ein-
mal auf diesem Wege war, erscheint es natürlich,
daß man dazu überging, hauptsächlich bei Medaillen,
die Fläche, die die Darstellung trägt, zu polieren,

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