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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Kračik, Hugo: Adressmappen
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Klopfer, Paul: Über Geschmacksbildung und Freihandzeichnen an Baugewerkschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0079

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Es ist ein Stück neuzeitlicher, heraldischer Zierkunst, das
von dem Stil des 20. Jahrhunderts Zeugnis ablegen dürfte.
— Aber auch die technische Ausführung ist wohl kaum
zu übertreffen. Goldig braunes, genarbtes Rindleder,
Krone und Schild relief, alles übrige Linien — geschnitten
und mit echtem Blattgold ausgelegt. Mit einer neuen,
unbegrenzt haltbaren Beiztechnik wurde eine reiche und
vornehme Wirkung erzielt. An den Kanten bringt Pfann-
stiel bei den meisten seiner Arbeiten eine saubere Riemen-
flechtung an, welche teils als Schutz — teils aber auch als
vornehm diskreter Schmuck wirkt. □
□ Die zweite Abbildung stellt ein Photographiealbum in
hellem Schweinsleder für ein Regiment dar. Der Lorbeer
ist modelliert. □
□ Das ist eine kleine Auslese. Noch sah ich andere
Arbeiten von Pfannstiel, z. B. eine Bildermappe mit dem
großen Wappen des Sachsen-Weimarschen Staates, das
»Goldene Buch der Stadt Weimar«, eine Ehrenbürgerbrief-
mappe für die Stadt Jena, eine stilistisch sehr feine für den
Gewerbeverein Weimar, Studentenverbindungsmappen usw.
— Eine andere Spezialität Pfannstiels sind seine Mappen
für Weinkarten für Restaurants. So sah ich folche, in
schwerem Rindleder modelliert z. B. für den Bremer Rats-
keller. Oder eine andere mit einem fein stilisierten, roten
Fuchskopf für ein Restaurant Malepartus. Das künstlerisch
Originellste war aber eine Weinkarte für ein Restaurant
»Malkasten«. Auf dunkelmarmoriertem Leder sitzt oben
ein prachtvoll modellierter Affe und drückt farbige Wein-
trauben aus, der Saft fließt unten in einen diskret bunten,
geöffneten Malkasten. Dazwischen eine rote, schräge
Phantasieschrift — das Ganze eine Glanzleistung moderner
deutscher Kunstbuchbinderei. — Sonst wird in den Pfann-
stielschen Werkstätten noch alles Mögliche fabriziert.

Angefangen vom schweren, ledernen Stuhl mit reicher
Ornamentierung, Ofenschirm usw. bis zur Zigarrentasche,
Damentasche oder Portemonnaie, aber alles geschmackvolle
Qualitätsarbeit. Vor allen Dingen geht auch von diesem
Geschäfte eine wohltuende Reform der sogenannten »Reise-
andenken« aus. Jeder wird wissen, welch jämmerlicher
Schund dem wehrlosen Reisenden oder dem später Be-
schenkten in dieser Beziehung aufgehalst wird. Pfannstiel
fabriziert hierfür reizende Geldtäschchen, Notizblocks usw.
mit farbigen Städtewappen — nicht zu teuer — aber ge-
schmackvolle Qualitätsarbeit. Auf der »Internationalen
Ausstellung für Reise- und Fremdenverkehr« in Berlin in
diesem Jahre hatte er mit diesen Sachen guten Erfolg. □
□ Heinrich Pfannstiel erlernte in den Jahren 1883—1886
in Eisenach das Buchbinderhandwerk. Nachdem er in
verschiedenen Städten gearbeitet hatte, machte er sich 1896
in Weimar selbständig. In der ersten Zeit allein arbeitend,
erzog er sich bald tüchtige Mitarbeiter. Er hat keine
Kunstgewerbeschule oder Akademie besucht, seine künst-
lerische Ausbildung beruht auf eigenem Studium innerhalb
der Praxis und dem ernsten Bestreben, die Erfordernisse
und den Pulsschlag unserer Zeit in Beziehung zum Kunst-
gewerbe zu verstehen. Alles dies hat natürlich Energie,
Mühe und Arbeit gekostet. Pfannstiel ist heute Mitglied
des »Deutschen Werkbundes« und Großherzoglicher Hof-
lieferant. Trotz fünfzehnjährigen emsigen Arbeitens und
Vorwärtsstrebens ist innerhalb dieses Geschäftes noch nicht
der Umsatz erreicht, der nötig ist, um die Unkosten eines
so komplizierten Betriebes zu decken. Der Drang nach
Qualitätsware und künstlerischer Arbeit ist eben immer
noch nicht so arg groß bei uns. Wir wünschen diesem
Kunstgewerbler auf Grund seiner Arbeiten für die Zukunft
weitere gute Erfolge. □

ÜBER GESCHMACKSBILDUNG UND FREIHANDZEICHNEN
AN BAUGEWERKSCHULEN
VON PROFESSOR DR. ING. PAUL KLOPFER-WEIMAR*)

DIE innere und äußere Neugestaltung des Lehr-
gebäudes an unseren deutschen Baugewerkschulen
war herausgeboren worden aus der Erkenntnis,
daß mit dem akademischen Apparat der neunziger Jahre,
der aus der technischen Mittelschule nur eine verkleinerte
technische Hochschule zu machen gewußt hatte, nichts
anzufangen war. Diese Erkenntnis hat nun auch begonnen,
einen Unterschied zu machen zwischen den Zielen der
beiden Schulkategorien, die bis nahe an das vergangene
Jahrhundertende sich wie die Schulen selbst ineinander
und durcheinander schoben. Die moderne Bauschule ist
frei geworden von dem Verdachte, eine Art von schlechter
Konkurrenz mit der Hochschule zu sein, und mit diesem
Freiwerden Hand in Hand geht auch das Bewußtsein der
der Schule Entwachsenen, die ihre Aufgabe darin erkennen:
ästhetischen Gesichtspunkten heraus den Geschmack im

*) Dr. Klopfer, der Direktor der Großherzoglichen Bau-
gewerkschule in Weimar und ehemalige Herausgeber der
»Modernen Bauformen« in Stuttgart, ist unsern Lesern
kein Unbekannter. Wir veröffentlichten im Juni 1912 einen
vielbeachteten Aufsatz »Baugewerkschule und Heimatschutz
aus seiner Feder. Red.

in kleineren Stadt- und Landgemeinden auf dem Gebiete
des Bürger- und Bauernhauses in heimatlich festgelegter
Weise zu bauen, oder aber in großen Städten den führenden
Architekten mit technisch geschultem Wissen als Gehilfen
zur Hand zu gehen. □
□ Es ist neuerdings — und merkwürdigerweise aus den
Kreisen ehemaliger Bauschüler — die Behauptung auf-
gestellt worden, der Bauschüler bedürfe gar nicht ge-
schmacklicher Schulung; genug, wenn er statische Berech-
nungen machen, wenn er veranschlagen und vor allem
konstruktiv zeichnen könne. In welchem Widerspruch
stehen solche Behauptungen mit der andererseits allgemein
erkannten Notwendigkeit, unser Land und unsere kleineren
Städte im Heimatbilde zu erhalten und nicht nach der
Bauschablone zu verschandeln! □
□ Gerade in der Zeit der Heimatschutzfragen, der Boden-
reform und der Denkmalpflege gehört es sich, daß die
technische Mittelschule in ihren Lehrplan die geschmack-
liche Durchbildung des Hauses — und vor allem des länd-
lichen und städtischen Bürgerhauses — aufnimmt! □
□ Nun hat die moderne Bauschule — und hierin besteht
wohl ihr größter innerer Gegensatz zur Hochschule — ihre
Aufgabe darin zu suchen, nicht allgemein — aus höheren

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