Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 5.1894

DOI Artikel:
Quaglio, Eugen: Aus der Werkstatt des Theatermalers
DOI Artikel:
Seemann, Artur: Natur und Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3804#0151

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
128

NATUR UND KUNST.

durch ihr Gewicht die Leinwand stramm nach
unten.

Bei Bögen und Decken werden die sich durch
die Zeichnung nach unten und innen ergebenden
Ausladungen ausgeschnitten, was besonders bei Wald-
decken und Bögen eine sehr mühsame Arbeit ist.
Diese ausgeschnittenen Leinwandteile würden sich
aber im Hängen nicht so, wie sie am Boden gemalt
sind, ausgespannt frei tragen. Sie müssen dadurch
unterstützt werden, dass von der oberen festen Lein-
wand aus schräg nach unten sog. Laub- oder Netz-
gaze gespannt wird, auf welcher man die Ausladun-
gen ausbreitet und festnäht. Die Netzgaze ist aus
feinem Leinengarn in etwa 3 cm weiten Maschen
nach Art der Fischernetze geknüpft und dunkelblau
gefärbt, um möglichst unsichtbar zu bleiben.

Die Versetzstücke wandern nach Fertigstellung
der Malerei in die Tischlerwerkstätte, wo die Rah-
men angefertigt werden, auf welche man die Lein-
wand spannt. Mäßig vorspringende Ausladungen
werden auf dünne Pappelbretter aufgezogen und mit

der Schweifsäge ausgeschnitten. Bei stark durch-
brochenen Gebüschen und Bäumen werden konipli-
zirte feine Ausladungen, denen mit Holz nicht bei-
zukommen ist, mit Eisenblech ausgesteift, während
durchbrochene Stellen im Inneren der Versetzstücke
durch ein Netz aus feinem Eisendraht unterstützt
und von rückwärts mit Mehlkleister angeklebt werden.

Besondere Aufgaben erwachsen dem Theater-
maler in den Transparenten, welche zu den belieb-
ten Beleuchtungseffekten dienen und trotz ihrer sehr
einfachen Herstellungsweise dem Publikum meist
mehr Eindruck machen, als die bestgemalten De-
korationen.

Die beigefügten Illustrationen und Grundrisse
sollen auch im Bilde einen Einblick in die Arbeits-
stätte des Theatermalers gewähren und den Unter-
schied zwischen der früheren und der jetzigen Zeit
darthun. Es wäre erwünscht, wenn die vorstehen-
den Ausführungen dazu beitragen würden, den Sinn
für die echte Kunst der Theatermalerei zu heben.

NATUR UND KUNST.

ten betrachtet.

I^ATURAM expellas fnrca,
tarnen usque recurret, d. h.
die Natur kommt immer
wieder zum Durchbruch, so
sehr man sie auch zu ver-
treiben sucht, diesen alten
Spruch darf man füglich
citiren, wenn man das heu-
tige Kunsttreiben mit sei-
nen vielfachen Experimen-
Welch eine unendliche Fülle von
aufgesammeltem Material früherer Jahrhunderte haben
bienenfleißige Gelehrte und Buchhändler seit der
Erfindung der Photographie und der von ihr ab-
hängigen Techniken der Nachbildung über unser
kunstgewerbliches und kunstindustrielles Zeitalter
ausgegossen und alle Lücken des Wissens in dieser
Beziehung zugeschüttet, ja «um Überflüsse auf-
gehäuft! Und doch will der so lang ersehnte neue
Stil des wandlungsreichen Jahrhunderts nicht er-
scheinen. Der Boden ist doch nun reichlich gedüngt,
aber die erwartete Saat zeigt noch immer nicht die
hundertfältige Frucht, es wächst allerhand Unvor-

hergesehenes, Unliebsames, ein krauses Durcheinan-
der von Gut, Mittelmäßig und Schlecht, viel Unkraut,
wenig Weizen. So verschieden wie die Produkte
sind auch die Strömungen unserer Zeit: die lauda-
tores temporis acti, die Lobredner der guten alten
Zeit, weisen noch immer darauf hin, wie herrlich
weit es die Alten mit einer kärglichen Zahl von
Vorlagen brachten; die Freunde der kunstgewerb-
lichen Zukunftsmusik dagegen verwerfen alles Alte
an dem der Staub der Jahrhunderte haftet, schelten
es die „Kinderklapper, mit der man uns nicht mehr
behelligen sollte", und was dergleichen mehr ist.
Der eine sieht darin, dass die Alten immer be-
stimmte Formen jahrelang variirten, die Ursache,
dass jeder auf kleinem Gebiete sehr handfertig und
schließlich zum Meister wurde; der andere weist
uns nicht mit Unrecht darauf hin, dass auch in
alten Zeiten viel Schlechtes produzirt wurde, das
aber längst verschwunden, und dass nur noch das
Treffliche übriggeblieben sei.

Auch in unserer Zeit wird viel Gutes, ja Vor-
zügliches geschaffen. Auch das Altertum hatte nur
einen Homer, die Renaissance nur einen Michel-
 
Annotationen