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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 5.1894

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Seemann, Artur: Natur und Kunst
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3804#0156

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KLEINE MITTEILUNGEN.

133

Pflanze nach dem Charakter ihrer Formengebung
und ihres Wachstums mit anderen, natürlichen oder
willkürlichen Dekorationsobjekten einzugehen ver-
mag, wird der kunstgewerbliche Zeichner sich fern
halten von nüchterner Kopie, und zu weit freierer
Herrschaft über die dekorativen Mittel gelangen,
als derjenige, dem die Rücksicht auf die Vorbilder-
welt ausgelebter Stile die Unbefangenheit des Blickes
für den dekorativen Reichtum der natürlichen Pflan-
zenform getrübt hat."

Das praktische Beispiel für die theoretischen
Bemerkungen zu Anfang dieser Zeilen bildet die
Thätigkeit eines Mannes, der schon seit bald zwanzig
Jahren seinen eigenen Weg verfolgt und durch
Lehre in Wort und Vorbild manchem Kunstgewerbe-
beflissenen die Wege gewiesen hat. Es ist Jean
Stauffacher, Lehrer an der Zeichenschule für Industrie
und Gewerbe in St. Gallen, der sich durch meister-
hafte „Studien und Kompositionen" in dem gleich-
namigen Tafelwerke weithin bekannt gemacht hat
und heuer ein neues Werk, betitelt: „Pflanzenzeich-
nungen" darbietet.1) Die Studien dieses neuen Wer-
kes sind wie die des älteren Früchte einer emsigen
jahrelangen Arbeit, einer Unsumme sorgfältigster
Beobachtung der charakteristischen Formen und einer
immer wiederholten Wiedergabe der Kinder Floras
in den verschiedensten Gruppirungen. Und wie ein

1) Pflanzenzeichnungen von J. Stauffacher. I. Teil. 40
Tafeln in Lichtdruck. Breslau, C. T. Wiskott. 30 Mark.

Geiger viele Saiten zerreißt, ehe er Meister wird,
so muss auch der Dessinateur Berge von Studien
aufhäufen, ehe seine Leistungen die vollendete An-
mut der natürlichen Formen annehmen. Der Zeich-
ner muss die Formen einzeln beherrschen, wie der
Sprachkenner die Vokabeln; ohne unablässiges Aus-
wendiglernen geht es dabei gar nicht ab. In dem
Vorwort zu den Pflanzenzeichnungen weist Stauf-
facher auf die treffenden Bemerkungen hin, die M.
Quost 1891 in der „Gaz. des B.-Arts" über die Blu-
menmalerei äußerte. Sie ist — sagt der genannte
Autor — durchaus nicht ein Zeitvertreib für Mäd-
chen und Frauen . . ., sondern das Werk rüstiger
und ausdauernder Arbeiter. Quost meint, das Koin-
poniren von Gemälden, Mustern und Dekorationen
sei eigentlich nur ein fröhlich fließendes, graziöses
Erzählen dessen, was wir in mühevollen Jahren
durch gewissenhaftes Beobachten und unermüdliches
Nachzeichnen unserem Gedächtnisse an Formen, Pro-
portionen, Farben und Stimmungen eingeprägt haben.
Das Gerlach'sche Werk sowohl wie die aus
einer bunt wechselnden Fülle prächtiger Naturstudien
und eigenartiger Stilisirungen bestehende Stauffacher-
sche Mappe sind sehr empfehlenswert: aber nicht
der bloße Ankauf ist es, den wir empfehlen wollen.
Wer nicht mit dem Stift oder dem Pinsel in der
Hand darüber Herr zu werden sucht, für den wür-
den in den meisten Fällen diese wie andere gute
Werke ein totes Kapital, ein brachliegender Boden
sein. ARTUR SEEMANN.

KLEINE MITTEILUNGEN.

AUSSTELLUNGEN.

Brüssel. Historisehe Spitzenausstcllung. Die Ausstel-
lung war von der societe' d'archeologie in den Monaten
Januar und Februar veranstaltet worden. Die äußerst ge-
schmackvolle Vorführung einer großen Zahl hervorragender
Stücke machte das alte Hotel Ravestein zum Sammelpunkte
aller Bevölkerungsschichten des Landes. Da die Spitzen-
manufaktur seit Jahrhunderten die wichtigste Industrie des
Landes ist, so dürfte sich nirgends so viel Verständnis und
Teilnahme hierfür finden, als gerade in Belgien. Eine eini-
germaßen umfassende Orientirung, beziehentlich die Lösung
vieler die Geschichte und Provenienz der Spitzen betreffenden
Fragen konnte die Ausstellung jedoch nicht geben. Das Mate-
rial an Spitzen war unvollständig, die Organisation der Aus-
stellung, welche neben den Spitzen selbst die für eine histo-
rische Ausstellung dieser Art unentbehrlichen Hilfsmittel an

Spitzenbüchern, an Bildnissen und Litteratur geben muss,
nicht ausreichend. Da im wesentlichen nur Brüsseler Spitzen
aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts ausgestellt waren,
so war nicht einmal ein Bild über die Entwickelung der
belgischen Spitze zu gewinnen. Die Erzeugnisse von ca. 1750
sind zudem zwar in technischer Hinsicht hervorragend, nicht
aber in künstlerischer vorbildlich. Da sich die alten Fami-
lien des Landes, sowie die reichen Kirchen und Klöster bei
der Ausstellung nur ganz vereinzelt beteiligt hatten, so ist
kein Zweifel, dass Brüssel eine weit umfassendere Ausstel-
lung hätte machen können. Eine technisch und historisch
geschulte Kraft scheint bei der Zusammenbringung und Or-
ganisation der Ausstellung gefehlt zu haben. Die Veran-
staltung im Hotel Bavestein machte den Eindruck einer von
kaufmännischer Hand sehr geschickt hergerichteten Schau-
stellung. Eine historische Spitzenausstellung bleibt uns das
Spitzenland par excellence also noch schuldig. U.
 
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