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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 5.1894

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Seliger, Max: Amerikanische Reklamepapiere
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https://doi.org/10.11588/diglit.3804#0182

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Amerikanische Plakatschrift.

AMERIKANISCHE REKLAMEPAPIERE.

Ar

ifigjl IE amerikanischen Reklame-
papiere haben eine außer-
ordentlicheEntwickelung er-
fahren entsprechend dem
Charakter unserer Zeit des
Verkehrs, der Schnelligkeit,
der Allgegenwärtigkeit. Der
abgelegenste' Produzent will
auch im Vordergrunde an der Heerstraße sich zeigen
und seine flüchtigen Zeitgenossen an seine Leistung
erinnern. Er erreicht dies am besten durch die
Reklamemittel, unter denen die Reklamepapiere mit
ihren Schriften und Bildern wohl die ausgebildetsten
und mächtigsten sind.

Es versteht sich von selbst, dass die für diesen
Zweck gearbeiteten Druckschriften und Bilder so be-
schaffen sein müssen, dass sie eine möglichst unver-
gessliche Wirkung in der kürzesten Zeit, nur für
einen flüchtigen Blick, auf die Vorübereilenden üben
können.

Mit diesem Verständnis haben die Amerikaner
ihre Bildmotive und Schriften in der denkbarsten
Einfachheit und Klarheit gebildet. Ihre Reklame-
schriften sind von der Art der lateinischen Lettern,
wenige sind deutsche Muster. Allen eigen ist die
freie, schönbewegte Konturlinie, die flüssige glatte
Pinselkurve, die durch Zeichnen mit dem ganzen
vollen Arm sich gestaltet. Fern also hegt diesen
Schriften der Charakter der Konstruktion, der geo-
metrischen Einteilung mit Zirkel und Lineal und
Centimetermaß. Darum haben diese mit der freien
Hand geschaffenen Werke ein angenehmes, künst-
lerisches, freies Aussehen und sind ihre Darsteller
eine sehr geschickte Künstlerzunft, die auch andere
Dinge in ihrem Repertoire behandelt, die ohne Vor-
Kunstgewerbeblatt N. F. V. H. 9.

bilder ausübt, permanent neue Muster erfindet, welche
die vorhandenen an Schönheit und Klarheit über-
treffen. Leider giebt es eben noch nicht eine Zu-
sammenstellung dieser freien Pinselschriften. Es
wäre verdienstvoll, solche Muster zu sammeln, um
sie zu uns zu importiren. Dort bedarf man ihrer
nicht, weil die Muster überall im Großen existiren.

Der Amerikaner ist im Maßstab sehr verwegen.
Der Kaufmann, welcher eine Seitenwand eines hohen
Gebäudes für seine Reklame gemietet hat, befiehlt
dem Schriftmaler, jene mit zwei Reihen Schrift zu
bemalen, seinem Namen und seinem Artikel. So
muss der Maler von seinem Hängegerüst Riesen-
kurven schwingen, wozu ihm weder Zirkel noch
Lineal nützt.

Klug ist die Beschränkung in der Fülle des
Textes. Nur das Nötigste, um den Zweck auszu-
drücken, wird genommen. Die wenigen Worte ge-
statten natürlich eine sehr viel größere und wirkungs-
vollere Darstellung, welche auf ungeheuere Entfernung
schon lesbar ist.

In diesem Punkte wird bei uns viel gesündigt.
Es wird zu viel Text gegeben und derselbe daher
auch nicht gelesen, weil keiner Zeit dazu hat. Bei
bildlichen Darstellungen soll alles Mögliche darauf
sein und angebracht werden, was nachher wie ein
reiches kleines Staffelbild, aber auch wie ein fleckiger
Teppich natürlich unentwirrbar und unverständlich
für einen schnellen, kurzen Blick wirkt.

Eigentümlich ist, dass die amerikanischen Schrift-
maler meist negativ arbeiten, d. h. auf einem lich-
ten Grunde aufzeichnen, dann mit der definitiven
Hintergrundfarbe konturiren, die Buchstaben aus-
sparen und den Grund znstreichen.

Man wählt kräftige, reine Urfarben, vielfach

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