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ALLGEMEINE
XVI. Bd. Nr, 4,
KUNST-CHRONIK
Jllustrirte Zeitschrift für Kunst, Kunstgewerhe, Musik, Theater und Literatur,
Herausgeber
Dr. Wilhelm Lauser.
WIEN.
1892.
S— Erstes Februare
Farbige
n dem Prachtwerke P. Lacroix'
(bibliophile Jacob): „XVIIIe
Siecle", das 1878 erschien, lesen
wir über die „Künstler der un-
sittlichen Schule", einen Le-
prince, Lawreince und De-
bucourt, sie hätten mit ihren farbigen Stichen „ein
ganzes wolfeiles Museum wenig anständiger Bilder
geschaffen, welche die Zeichen- und Radirkunst ent-^
ehrten". Nun, was die Wolfeilheit betrifft, so hatte es,
wie wir wissen, damit bis noch vor sehr kurzer Zeit
seine Richtigkeit. Man konnte solche farbige Stiche
um ein paar Gulden beim Trödler kaufen. Aber wie
rasch und gründlich hat sich dies geändert! Debucourt's
„Öffentlicher Spaziergang" wird jetzt mit beiläufig
6000 Francs gezahlt, und Janinet's Bildnis Marie
Antoinettes aus der Dresdener Sammlung, zu welchem
übrigens Herr Franz Ritter kürzlich in unserer Hof-
bibliothek ein Gegenstück entdeckte, wird gar auf
50.000 Francs geschätzt! Was aber die ernsthafte
Würdigung dieses ganzen Kunstzweiges betrifft, so
ist dieselbe gründlich durch den bei uns wieder er-
wachten Farbensinn beeinflusst worden. Vielfarbiger
Schmuck, ist den Nachfahren van der Nüll's und
Makart's unentbehrlich geworden. Die gefärbten
Photogravuren des Pariser Hauses Goupil weckten
das natürliche Verlangen, sich wieder mit den ver-
wandten Originalarbeiten des vorigen Jahrhunderts
zu beschäftigen. Und hiezu trat nun noch die erhöhte
allgemeine Aufmerksamkeit für die Trachten, Gestalten
und Sitten einer vergangenen Zeit. In sittlicher Be-
ziehung aber möchten wir die leichtfertige Anmuth
der Franzosen des vorigen Jahrhunderts immerhin der
sinnlichen Roheit der heutigen tonangebenden Schrift-
steller und Künstler in Frankreich vorziehen.
Unter allen Umständen ist die jetzt im Öster-
Stiche.
reichischen Museum veranstaltete Ausstellung von
farbigen Kupferstichen, der zum großen Theil von
Herrn Franz Ritter verfasste, von Hofrath J. v. Falke
mit einer den Gegenstand erschöpfenden und sehr
anziehenden Einleitung versehene Katalog derselben
eine kunst- und kulturgeschichtliche Thatsache, deren
Bedeutung dadurch nicht verringert wird, dass es un-
möglich erscheint, einen Kunstzweig, der seine Zeit
gehabt hat, neu zu beleben. Wenn von jeher Kupfer-
stich und Holzschnitt mit der Malerei liebäugelten,
so verlangte besonders der Geschmack der Gesellschaft
im vorigen Jahrhundert Farbe, Wahrheit, „wenigstens
die geschminkte Wahrheit". So verfiel man denn
zunächst darauf, jeden einzelnen Abdruck mit der
Hand zu färben. Dann erfand der Frankfurter Le Blon
die Verwendung mehrerer Platten, deren jede nur für
eine Farbe bereitet war, der Hesse Ludwig v. Siegen
die „Schwarzkunst" oder Schabkunst, die eine rauhe
Kupferplatte, wo Licht hergestellt werden soll, mit
dem Schabeisen glättet; durch Aufeinanderdrucken
zweier oder dreier Farben konnte man dann eine
Menge verschiedener Tinten erhalten. Hiezu kamen
nun noch im Laufe des XVIII. Jahrhunderts die ver-
schiedenen Techniken der Pastell-, Kreide-, Gouache-
und der sogenannten englischen Manier, des punktirten
Kupferstiches.
Diese verhältnismäßig rasch verlaufene Kunst-
entwicklung nun ist jetzt durch die Ausstellung im
Österreichischen Museum vor uns aufgerollt. Wir
sehen hier Abdrücke von einzelnen mit Farben be-
malten Platten, besonders in einigen niederländischen
Exemplaren Grabstichelarbeiten, Radirungen, Blätter
der Schabkunst, der englischen Punktirmanier, ganz
besonders lieblich eine im Besitze des Grafen Latour
befindliche „Heilige Cäcilie" von Fr. Bartolozzi
und die Baron N. Rothschild gehörige „Promenade