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Allgemeine Kunstchronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 16.1892

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Allgemeine Kunst-Chronik. XVI. Bd. Nr. 16
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1892,
Drittes Julien.


XVI. Bd. Nr, 16.

KUNST-CHRONIK

Jllustrirte Zeitschrift für Kunst, h^p^e, II< Theater und Literatur.

Herausgeber

Dr. Wilhelm Lauser.

WIEN


Österreich-Ungarn im Glaspalaste.


Österreich.

it goldenen Lettern mag der
Name über der Eingangspforte
prangen, die uns die Schätze
des geistesverwandten freund-
nachbarlichenLandes erschließt.
Schon der erste Blick überzeugt
uns, dass wir hier in der besten

Gesellschaft sind: lauter echte, vornehme, vollwertige
Werke. Welche Bildnisse, welche Kleingemälde und —
diese Schindler! Seit Herkomer mit seinen Damen
in Weiß und Schwarz die Welt überraschte und ent-
zückte, hat — von Lenbach abgesehen — kein Bildnis-
maler mehr solchen Eindruck hervorgebracht wie der
gewaltige Genius, der sich nun in Pochwalski offen-
bart. In ihm hat die eigentliche Schönheit des Mannes,
welche auf That- und Willenskraft, Charakterstärke
und geistiger Überlegenheit beruht, ihren Ausdruck
gefunden, so unübertrefflich wie die Weiblichkeit mit
all ihrem zarteren blühenden Liebreiz in Angeli.
Diese beiden bezeichnen in gleicher Vollkommenheit
die End- und Zielpunkte menschlicher Darstellung:
Kraft und Anmut, und zwischen ihnen stehen auf
durchwegs hoher Stufe Julius Schmid, Marie Müller,
l'Allemand, Styka, Lerch, Michalek, Mehoffer
und, käme das Pastell allein in Betracht, vor allen
Fröschl. Sie alle, besonders das bereits von einer
berufeneren Feder gewürdigte imposante Bildnis des
Grafen Dziedzuczinski, die bezaubernden Frauen-
bilder Angeli's, welche alle romantischen Turandot-
Märchen der Welt glaubhaft machen, das durch die
natürliche Grazie seiner Haltung bewundernswerte
Damenbildnis Julius Schmid's, das liebliche Doppel-
bildnis Fröschl's und die eleganten Schöpfungen Marie
Müller's stehen einzig da in der Ausstellung und

können, so viele tüchtige rühmliche Porträts diese
zählt, nur mit sich selbst verglichen werden. Neben
Pochwalski kommt uns jeder schwach oder derb
vor, neben Angeli plump oder süß, während der eine
wie der andere zwischen diesen Klippen sicher der
Vollendung zusteuert. Eine wahre Wunderwelt an
zierlicher Feinheit und Kleinheit thut sich in den
Bildchen von Gloss, Anton Müller, Rumpler, Kauf-
mann, Kienzl vor uns auf. Wie schön, gedanken-
reich und seelentief erscheint doch dieses Liliput
dem, der rathlos vor so mancher Riesenleinwand
gestanden und sich vergebens bemühte, etwas heraus-
oder hineinzuschauen, und endlich kopfschüttelnd von
dannen ging, sich mit Oberländer getröstend, dass die
Bilder wol verkehrt aufgehängt, wenn nicht gar von
einer übereifrigen Scheuerfrau vorher „abgeputzt"
worden seien. Dies dagegen ist eine Kunst, an der
man seine Freude haben kann, nicht schlechtweg
aus dem Ärmel geschüttelt von unausgegorenen
Kraftgenies, die auf ihr Gottesgnadenthum und die
Nachsicht eines blinden oder durch das Geflunker
der Kritik verblendeten Publikums sündigen; sondern
in unverdrossenem Ringen aus der Tiefe des Geistes
und Herzens hervorgeholt, von ernsten Männern, die
mit ihrem Besten wenig genug gethan zu haben
glauben und sich glücklich preisen, wenn aller
Schwung ihrer Seele, alles Aufgebot ihrer Kraft sie
dem ewig unerreichbaren höchsten Ziele eine Spanne
näher gebracht. Das sind die Leute, die etwas ge-
lernt haben und etwas können, die keiner keck und
grell hingepinselten Farbenklexe bedürfen, um die
Blößen ihrer Zeichnung zu bemänteln und ihre Ver-
schwommenheit für „Stimmung" ausgeben. Wer
wissen will, was Stimmung ist, betrachte die pappel-
 
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