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KUNST-CHRONIK
Herausgebei
1892
Zweites Oktoberliefr
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Aus dem Kunstschatze Böhmens.
s wäre müßig, nochmals auf die Ur-
sachen zurückzukommen, welche
verhindert haben, dass die von uns
anfangs so lebhaft begrüßte Allge-
meine Landes- und Jübiläumsausst el-
lung in Prag 1891 das wurde, was
sie zu werden bestimmt war, eine
jedem Österreicher und Deutschen willkommene Schau
des Besten und Schönsten, was das Land Böhmen durch
den Kunstsinn, den Sammeleifer und den Gewerbfleiß
seiner Bewohner zu bieten vermag. Als nachträgliche
Entschädigung für den entgangenen Genuss dürfen
wir aber nun die schöne, in Kommission von
Fr. Rivnäd in Prag erschienene, 100 Tafeln in Licht-
druck von Karl Bellmann umfassende, von dem
kunstgewerblichen Museum der Handels- und Gewerbe-
kammer in Prag herausgegebene Mappe ansehen:
„Auswahl von kunstgewerblichen Gegenständen aus
der retrospektiven Ausstellung der Allgemeinen
Landes- und Jubiläumsausstellung in Prag 1891."
Wenn das Kuratorium dieses Museums auch
schon seit längerer Zeit die Herausgabe mustergiltiger
kunstgewerblicher Gegenstände geplant hatte, so war
es doch auch auf diesem Gebiete wieder dem hoch-
verdienten Kunstfreunde, Herrn Adalbert Ritter von
Lanna vorbehalten, die Veröffentlichung einer pas-
senden Auswahl solcher Gegenstände aus der reich
beschickten „Retrospektiven Ausstellung" anzuregen
und durchzusetzen. Und diese Veröffentlichung hat
nun für die Kunstwelt einen doppelten Wert dadurch
erlangt, dass die vorzugsweise den Abtheilungen
Miniaturmalerei, Wehr und Waffen und Kunstgewerbe
im engeren Sinne entnommenen Gegenstände zumeist
nur durch diese Ausstellung der Besichtigung zu-
gänglich wurden und seither noch nicht veröffentlicht
waren. Das mit Erläuterungen über Stoff, Mache und
Herkunft der Gegenstände versehene Verzeichnis
hat Herrn Kustos Dr. K. Chytil zum Verfasser
Wir geben als Proben, die in weiteren Kreisen die
Lust zum Bekanntwerden mit diesem schönen Werke
reizen sollen, das schmiedeiserne Thürmchen aus der
zweiten Hälfte des XIV.Jahrhunderts, den gestickten
Flügelaltar von 1572 und den Fächer aus dem vorigen
Jahrhundert. Der erstere Gegenstand aus der Sankt
Wenzelskapelle der Domkirche zu St, Veit ist bereits
von Fr. Beck in den Mittheilungen der k. k. Zentral-
kommission beschrieben worden. Der gestickte Flügel-
altar (Perlen, Seide und Silberfaden; Darstellungen
in hohem Relief; Zierknöpfe und Attribute der Heiligen
aus vergoldetem Silber) trägt das Wappen: „Bohuslav
Felix H. V. Hassenstein der Cron Behem Obrister
Landtrichder und Anna F. V. Hassenstein geborene
Fitzthumin", welch letztere laut der deutschen In-
schrift am Mittelstücke eigenhändig an der Herstellung
des Altars betheiligt war, und ist Eigenthum des
Fürsten Moriz von Lobkowitz. Der schöne Fächer
mit bemaltem Pergamentblatt, Elfenbeingestell und
Goldauflagen gehört der Gräfin Sofie von Buquoy.
Von besonders merkwürdigen Gegenständen, die
hier abgebildet und erklärt sind, heben wir noch
hervor: die Mitra des heiligen Adalbert, Bischofs von
Prag, aus dem Domschatze von St. Veit; den schönen
Wandteppich, deutsche Arbeit „en haute lisse“ aus
dem XIV. Jahrhundert; das schon mehrfach be-
schriebene Passionale der Äbtissin Kunigunde, eine
der vielen hier vorhandenen illuminirten Hand-
schriften in lateinischer Sprache, gleichfalls aus dem
XIV. Jahrhundert; die schönen Bucheinbände in
gepresstem Leder; die von Karl IV. 1350 gestiftete,
in Silber montirte Onyxschale; allerlei Zunftkannen;
das Zeremonienschwert des schmalkaldischen Bundes,
deutsche Arbeit; schöngeschnitzte Jagdgewehre und