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Allgemeine Kunstchronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 16.1892

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Allgemeine Kunst-Chronik. XVI. Bd. Nr. 10
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KUNST-CHRONIK

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^ 1

1892.
Erstes Mailieft

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In der Werkstätte Jan Matejkos.


n Krakau sein und Meister
Matejko nicht besuchen,
das hieße in der That:
in Rom sein und den
Papst nicht sehen! Ge-
wiss — antworteten mir
die Vertrauten des Mei-
sters :— aber Matejko
fühlt sich so schwach und
ist thatsächlich so krank,
dass er gar niemand em-
pfängt.

Trotzdem gab ich nicht alle Hoffnung auf, Meister
Jan in seiner Werkstätte zu sehen, und ließ mich
durch den Schriftführer der Akademie, Herrn Marian
Gorzkowski, bei ihm melden.
Sei es nun dass dem Meister die aufrichtige
Verehrung bekannt war, die ich seinem Genius zolle
und die unsere Zeitschrift ihm stets gezollt hat,
oder dass ich einen besonders glücklichen Augenblick
getroffen: kurzum, Matejko ließ mich in sein Aller-
heiligstes bitten. Herr Gorzkowski, dessen anfäng-
liches Zweifeln nun in großes Erstaunen umschlug,
geleitete mich in das zweite Geschoss der Akademie,
öffnete zwei wolverschlossene Thüren, zu denen außer
dem Meister nur er die Schlüssel besitzt, und ich
stand in der Werkstätte Jan Matejko's.
Der Meister erhob sich von dem großen rothen
Damastsessel, auf welchem er in den Arbeitspausen
zu ruhen pflegt. Sein mächtiges, geistvolles Haupt,
das auf den volksthümlichen Kupferstichen noch von
tiefschwarzen Locken umwallt erscheint, hat ein sil-
berner Reif bedeckt; das blasse Antlitz zeigt die
Spuren einer schleichenden Krankheit. Und dennoch
zuckt es in diesem merkwürdigen Seelenspiegel wie
aufflammendes Feuer, das von ungebrochener Schnell-

kraft, von zähem Willen, von schöpferischer Be-
geisterung zeugt.
Das Wort, welches Erzherzog Karl Ludwig über
Matejko gesagt, bewahrheitet sich: „II est toujours
malade, mais il peint toujours!"
In der Werkstätte des Meisters, den die Welt
für so krank und arbeitsunfähig hält, sieht man zwei
Staffeleien mit zwei lebensgroßen Bildnissen, die dem-
nächst vollendet sein werden, und die Photographie
eines großen Historienbildes, das Matejko in diesem
Jahre gemalt. Ein kleineres Bild Matejko's wurde
soeben in der permanenten Kunstausstellung unter
den Krakauer Tuchlauben aufgestellt — mais il est
toujours malade!
Einer originellen Idee entsprang eines von den
Bildnissen, an denen Meister Matejko gegenwärtig
arbeitet. Ein Gutsbesitzer aus der Ukraine, der eine
prächtige Galerie von Werken der neuen polnischen
Schule gesammelt, beschloss, diese durch die Bild-
nisse der Hauptmeister der Schule zu ergänzen.
Einige Tage vor meiner Abreise aus Wien hatte mir
Kasimir Pochwalski von dem Besuche dieses origi-
nellen Mäzens erzählt. Herr Milewski — so heißt
der um die Kunst seines Landes verdiente Mann —
will die Bildnisse der berühmten polnischen Maler
haben, und zwar von ihnen selbst gemalt! Pochwälski
malt nun in Wien, Brandt in München, Siemiradzki
in Rom und Matejko in Krakau sein eigenes Bildnis.
Auf einem romantischen Schloss in der Ukraine
werden sich diese Bildnisse dann zusammenfinden ...
Matejko malt also sein Selbstbildnis! Eine über-
raschende Nachricht für die zahlreichen Freunde
und Verehrer des Künstlers, um so überraschender,
als es das erste große Bildnis Matejko's von seiner
eigenen Hand ist. In früheren Jahren hat der Meister
nur eine kleine Skizze für seine Tochter gemalt,
 
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