VI. Internationale Kunstausstellung in München.
in wolgelungenes Werk,
voller, freudiger Anerken-
nung wert! Hier hat jeder
mit Lust und Eifer sein
Bestes gethan und gespen-
det, und darum erscheint
das Ganze gut, ja vorzüg-
lich. Nicht einen bunten
Bildermarkt, wie der Zufall
ihn zusammenwürfelt, haben wir vor uns, sondern eine
Auslese des Reifsten und Gediegensten, was ehrliche
Kunstbestrebungen auf den verschiedensten Gebieten
in Nord und Süd gezeitigt. Welches die Richtung ist,
gilt gleich, vorausgesetzt, dass wahre Kunst den Weg
weist. Ihr Stempel ist die Freimarke, die heuer keinem
Werke fehlen sollte und nicht am mindesten schön
und ausdrücklich manchem durch und durch modernen
aufgeprägt ist. Die Einsicht und Umsicht des Comiths
hat Nergeleien wenig Raum gelassen, umsomehr
für die aufrichtige Bewunderung des Kunstfreundes.
Treten wir in die kuppelbekrönte Eingangshalle,
so begrüßt uns inmitten grüner Bäume und Blatt-
pflanzen eine schöne Reiterstatue des Regenten, und
ihrem Winke folgend gelangen wir links zur heimi-
schen Kunst. Deutschland und Österreich nehmen
den ganzen linken Flügel des Glaspalastes ein, mit
Ausnahme von drei kleinen, seitlich von der Straße
beleuchteten Räumen, welche Lenbach's Schick und
Geschmack zu prächtigen Schatzkästlein ausge-
schmückt hat. Sie verwahren kostbarste Perlen alter
Kunst deutschen, italienischen, niederländischen, spa-
nischen, englischen Ursprungs. Mit ehrerbietiger Hand
hat Lenbach seinen Lehrern diese Stätte der Ver-
ehrung eingerichtet und alles aufgeboten, den Be-
schauer in eine weihevolle Stimmung zu versetzen.
Kunstreiche Gobelins verhüllen die Wände, Holz-
intarsien zieren das Deckengetäfel, antike Büsten, ein
Marmortorso, etrurische Vasen, chinesische Metall-
geschirre bieten dem Blick willkommene Ruhepunkte;
ein wunderbar gestickter Wandschirm hält das über-
flüssige Licht ab und lenkt es auf die ' sorgsam ver-
theilten Bilder. In stummer Andacht lässt man sich
vor ihnen nieder, und reißt man sich endlich los, so
hat man den höchsten Maßstab für die Kunst ge-
wonnen.
Und unseren neuen Meistern zur Ehre darf
man ihn anwenden im nächsten Saale, der neben
F. A. Kaulbach's „Grablegung" Lenbach's jüngstes
Bismarck-Bild vom 1. April d. J., zwei Bauernbilder
von Defregger, worunter ein entzückendes Kleinod
„Der Dorfwahrsager", ein unübertreffliches Stilleben
von Kunz, einen lebens- und anmuthvollen grie-
chischen Mummenschanz von Gysis, einen fein und
scharf charakterisirten Männerkopf von Boecklin
und andere Bilder birgt, die sich, wenn auch noch
ohne Namen, als Werke ersten Ranges kennzeichnen.
Nicht minder finden wir in der langen Halle, die, von
marmorgleichen Pfeilern getragen, hier sich öffnet,
viel Schönes und Gutes, besonders unter den Land-
schaften. Wenglein, Willroider, Böhm, Andersen-
Lundby, Zoff, um nur einige hervorzuheben, fesseln
uns lange, und wer wollte dem Naturalismus, wie er
sich in den großen und großartigen Bildern von
Zügel ausspricht, nicht volle Achtung zollen? Erst
später, wenn die gährenden, schäumenden Wellen
der modernen Sturmflut sich verlaufen haben, wird
es sich zeigen, dass ihr befruchtender Segen dem
ganzen Bereiche der Kunst zugute kam. Hundert
Namen drängen zur Erwähnung,, aber die flüchtige
Überschau gestattet kein Verweilen, nicht einmal bei
Lindenschmidt's harmonisch vornehmem „Nar-
cissos", bei den allerliebsten Familienbildern Jaco-