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Allgemeine Kunstchronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 16.1892

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Allgemeine Kunst-Chronik. XVI. Bd. Nr. 11
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https://doi.org/10.11588/diglit.73754#0271

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KUNST-CHRONIK

Herausgeber

1892,
Zweites Maikel


Die Musik- und Theaterausstellung,


in Gedanke, der im ersten Augenblick
Manchem bloß als eine hochfliegende
Phantasie erscheinen mochte — der
Gedanke, das gesammte Musik- und
Theaterwesen aller Zeiten undVölker
in seiner Entstehung und Entwick-

lung zu umfassender Anschauung zu bringen — er ist
zu lebendiger Wirklichkeit geworden in der herrlichen
Ausstellung, welche am 7. Mai in unserem Prater er-
öffnet wurde. Wir wollen uns aufrichtig darüber freuen.
Es bedeutet ja einen hehren Triumph des Idealismus,
dass diese Kulturthat so kühn vollbracht ward.
Der Gelehrte und der Laie, die ernste Forschung
und der neugierige freie Geist — jeder wird in
gleicher Weise künstlerische Anregungen und künst-
lerischen Genuss aus dieser Ausstellung schöpfen.
Alle Schatzkammern der Musik- und Theater-
geschichte, die staatlichen und privaten Sammlungen
aller Länder, die Museen und Kunstinstitute, die
Schlösser der Adeligen und die Archive und Biblio-
theken der Klöster haben gewetteifert, ihre seltensten
und kostbarsten Sehenswürdigkeiten nach Wien zu
senden. Was sonst über den ganzen Erdball hin ver-
streut ist, findet sich heute vereint und in trefflicher
Übersichtlichkeit geordnet, Altes und Neues in bunter
Mannigfaltigkeit, die Hilfsmittel einer Kunst in den
ersten Anfängen neben den Täuschungsbehelfen der
verfeinertsten Technik, idyllische Bauerninstiumeute
neben den wunderbar zusammengesetzten Tonwerk-
zeugen des modernen Konzertsaales, die Zeugnisse
unreifer Barbarenkunst ferner Naturvölker neben
der glänzenden Pracht eines Ausstattungswesens, wie
es sich in unseren Hoftheatern eingebürgert hat. Die
ganze Vergangenheit und die ganze Gegenwart liegen
vor unseren Augen ausgebreitet — mögen aus ihnen

nun auch recht viel triebkräftige Keime in die Zukunft
sprießen!
Nur im Fluge wollen wir heute das große kunst-
historische Weltmuseum, in welches sich die Rotunde
im Prater verwandelt hat, durcheilen. Alles nähere
Eingehen auf Einzelheiten, welches die kostbaren
Schätze, die hier in so verschwenderischer Weise
dargeboten werden, eigentlich durchgehends fordern
würden, soll späteren Darstellungen Vorbehalten
bleiben.
Der erste Besuch gilt der über 2000 Gegen-
stände umfassenden ethnographischen Ab-
theilung, deren treffliche Anordnung ein beson-
deres Verdienst des unermüdlichen Kustos Franz
Heger ist. In vielen reichhaltigen Sammlungen
wird uns eine Reihe alter, längst aus dem Ge-
brauch gekommener Volksinstrumente sowie eine
Fülle auf Tanz und Theater bezughabender Gegen-
stände außereuropäischer Völker vorgeführt. Die
riesigen Alpenhörner und die schnörkeligen Schal-
meien unserer Altvorderen muthen uns nicht minder
fremd an, als die seltsamen Musikwerkzeuge aus
China und Japan, aus den Himalaya-Staaten und
Sibirien. Auch die Instrumente der Südamerikaner
und Neger (das „afrikanische Klavier") befremden
nicht wenig. Große Verwunderung erregen einige
tibetanische Trommeln und Blasinstrumente, welche
aus Menschenknochen hergestellt sind. Besonders
reichhaltig sind die indischen Instrumente vertreten,
in den Sammlungen eines Rajah aus Calcutta und
der Herren Baron Kodolitsch und Baron Brenner.
Das Modell eines japanischen Orchesters, aus 26 In-
strumenten bestehend, und die grotesken japanischen
Theatermasken fallen auf. Zu den interessantesten
Merkwürdigkeiten dieser Abtheilung gehören auch
 
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