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Allgemeine Kunstchronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 16.1892

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Allgemeine Kunst-Chronik. XVI. Bd. Nr. 19
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Die Alt -Ausstellung im Künstlerhause.


iemals noch habe ich eine ehr-
furchteinflößendere und zu-
gleich rührendere Ausstellung
gesehen als die eben imKünstler-
hause veranstaltete. Auf einem
Platz beisammen, in wenigen
Räumen das Lebenswerk eines

Meisters — und welch eines Meisters, welch eines Le-
bens! 522 Nummern umfasst, 63 Jahre mühsamer und
ruhmreicher Thätigkeit umspannt es. Zwei Menschen-
alter hindurch hat dieser Ausnahmemensch unaus-
gesetzt sich gemüht und gerungen mit seiner Kunst —
„ich lasse dich nicht, du musst mein eigen werden".
1829 steht auf dem ersten der ausgestellten Blätter:
in einem Alter, wo andere fast noch spielen, hat der
Knabe schon der Kunst gelebt. „Vollendet am
28. August 1892" lesen wir auf dem letzten Aquarell:
am Morgen seines achtzigsten Geburtstages, während
alles in Wien, was für Kunst empfindet, sich gerüstet
hat, ihn zu feiern, arbeitet der Greis, wie alltäglich,
in seinem Atelier. Und kein Sinken noch macht sich
bemerkbar, kein Ermatten der fleißigen Hand, der
man ein Nachlassen so leicht verzeihen würde. Die
ganze Größe eines deutschen Künstlerlebens spiegelt
sich hierin, und auch die ganze Tragik eines deutschen
Künstlerlebens, das im höchsten Greisenalter noch
nicht zur Ruhe kommen darf.
63 Jahre! Was ist seitdem alles vorübergegangen,
welche Wandlungen hat unterdessen die Malerei er-
fahren. Wie viele sind aufgetreten, wie viele, mehr
oder minder spurlos, verschwunden. Als Alt begann,
stand in der Wiener Landschaft die Steinfeld-Schule
in Blüte. Bereits machten sich die ersten Wirkungen
der Revolution, die Corot in Frankreich hervor-
gerufen, auch bei uns geltend. Hie Zeichnung, hie
Farbe! war das Feldgeschrei, unter dem unblutige,

aber um so heftigere Schlachten ausgefochten wurden.
Und während Berlin und Düsseldorf, norddeutsch
nüchtern und trocken, noch lange in der alten Art,
die Zeichnung hauptsächlich zu betonen, starrsinnig
verharrten, wandten die südlicheren und farben-
freudigeren Wiener und Münchener bereits den neuen
Tonwirkungen ihre volle Aufmerksamkeit und ihr
angesporntes Streben zu. Und noch etwas deutete
auf eine neue Zeit hin. Vergessen waren die mytho-
logischen Staffagen, die noch eben in den landschaft-
lichen Kompositionen eines Schödlberger und Marko
sich breitgemacht hatten, vergessen der akademisch
hölzerne Stil; wirkliche Bäume wurden gemalt, wirk-
liche Alpen und wirkliche Gießbäche. Hansch, Holzer,
Selleny, Seelos, Novpacky, v. Lichtenfels, Halauska,
Munsch, Albert Zimmermann, Obermüllner, Jettel,
Ruß, Schindler, Ditscheiner traten auf und in den
Vordergrund. Und noch viele andere — wer nennt
all die Namen! Alt hat sie alle gesehen und erlebt,
und bald ist er einer der ersten von ihnen gewesen.
Mit kleinen Aquarellen, für Kaiser Ferdinands
Guckkasten und für Stahlstichwerke, Buchhändler-
spekulationen, hat er begonnen; schon nach kurzer
Zeit hat er sich Größerem und Bedeutenderem zu-
gewandt. Aber gleich mit seinem ersten Griff hat er
glücklich eine Heimstätte gefunden, die seiner ganzen
Anlage zusagte, und wie kein zweiter sie aufzuweisen
hatte. Ihr ist er treu geblieben sein Leben lang: der
Aquarelltechnik. Zwar hat auch Alt Ölbilder gemalt,
in der Ausstellung finden wir einige derselben; aber wie
vergangen, wie schablonenhaft, wie flach wirkt er auf
ihnen, während doch schon seine frühesten Aquarelle
sich ausnehmen, als wären sie erst gestern entstanden.
Im Aquarell ist er Original gewesen. Hier hat ihn
kein anderer beeinflusst, kein Meister und keine Schule;
und was ihm im Lauf der Jahre hinzukam, das war
 
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