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Allgemeine Kunstchronik: ill. Zeitschr. für Kunst, Kunstgewerbe, Musik, Theater u. Litteratur — 16.1892

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Allgemeine Kunst-Chronik. XVI. Bd. Nr. 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.73754#0115

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1892.
Zweites Februarheft.

ALLGEMEINE


XVI. Bd. Nr, 5,

KUNST-CHRONIK

l^irie Zeitschrift fr Kunst, hostp^e, Musik, Theater und Literatur.

Herausgeber

Dr. Wilhelm Lauser.

WIEN


Werther.


erther, ein Klang, theuer den Kennern
deutscher Literatur, geliebt vom Publi-
kum, einst der Liebling seiner Zeit, er
hat es auch dem jüngsten französischen
Opernsetzer von Bedeutung, Julius Massenet an-

gethan und ihn zu einer Vertonung dieses merk-
würdigen Stoffes begeistert. Dem vom Trifolium
Eduard Blau, Paul Milliet und Georg Hartmann
verfertigten Text liegt die schlichte Erzählung Goethe's
zugrund. Auf effekthascherische Ausbeutung derselben
haben die genannten Autoren verzichtet, im Gegen-
theil haben sie sich so genau als nur irgend thunlich
an das Original gehalten, und diesem Umstande haben
sie die durchgreifende Wahrheit zu danken, die aus
dem vorwiegend düster gehaltenen Charaktergemälde
spricht. Wol mögen Manchem Zweifel darüber auf-
gestiegen sein, ob der Roman unseres Dichterfürsten
sich überhaupt zu dramatischer Verarbeitung eigne.
Indes die literarischen Gefährten des Komponisten
von „Manon Lescaut" haben solche Bedenken zer-
streut und ein spannendes Textbuch zustande ge-
bracht, das die ihm entgegenbrachte Theilnahme
auch in der That verdient. Eine geschickte Führung
der Handlung sowie eine gedrängte Zusammenfassung
derselben an einzelnen eindrucksvollen Wendepunkten
lässt sich ihm mit Recht nachrühmen. Wenn die Oper
einen anhaltenden Erfolg davontragen sollte, so könnten
die Textdichter ihn kühnlich zum großen Theil als
ihr Verdienst in Anspruch nehmen.
Sehen wir zu, worum es sich da handelt. Die
Oper eröffnet mit einem traulichen Idyll kleindeut-
schen Familienlebens. Der bejahrte Amtmann sitzt
zu Hause inmitten einer jubelnden Kinderschar und
unterrichtet sie im Singen. Die Kleinen plärren einen
alterthümlich klingenden Gesang. Da naht Werther.
Er lauscht dem aus Kindermund tönenden Sang,

sieht zu, wie Lotte ihren Geschwistern das Abend-
brot austheilt, begleitet das schöne Mädchen zum
Kränzchen im nahen Wahlheim und kehrt nachts bei
Mondenschein Arm in Arm mit ihr zurück. Eine
innige Unterredung bringt ihre Seelen einander näher ;
doch das Unheil naht. Lotte wird von der Ankunft
Albert's verständigt, eines jungen Mannes, dem sie
nach der Mutter letztem Willen für immer angehören
soll. Mit dem verzweifelten Ausruf: „Ein Anderer ...
ihr Gemal!" eilt Werther von dannen. Im zweiten
Akt sind wir Zeugen einer gütlichen Auseinander-
setzung zwischen Albert und Werther, dessen Auf-
merksamkeit auf Lottens jüngere Schwester Sophie
zu lenken der nunmehrige Gatte von Werthers Ge-
liebten erfolglos bemüht ist. Nach einer leidenschaft-
lich heftigen Unterredung mit Lotte, die ihn erst sanft,
dann entschlossen abweist, stürmt der hoffnungslos
Liebende, den Sophie eben zum Tanz abholt, außer
sich ins Freie. Im dritten Akt erscheint er bei Lotte,
deren Gemal verreist ist, und beschwört sie mit
glühender Leidenschaft, ihm ihre Liebe zu schenken.
Er küsst sie, verfällt aber, als sie von ihm sich ent-
rüstet losreißt, wieder dem Lebensüberdruss hilflos
zur Beute. Albert kommt zurück, liest in Lottens
verstörten Mienen, was vorgegangen, zwingt sie, dem'
Boten Werthers die von ihm erbetenen Pistolen ein-
zuhändigen, und verlässt finsteren Blickes das Zimmer.
Lotte eilt fort, von schrecklichen Gedanken gepeinigt.
Das Verhängnis hat inzwischen seinen Lauf genommen;
Werther hat sich tödtlich getroffen. Lotte kommt
eben noch recht, den Sterbenden in ihre Arme zu
schließen. Sie gibt ihm den Kuss zurück und gesteht
ihm ihre Liebe. Werther verscheidet vor den Augen
der entsetzten Geliebten, die.gleichfalls entseelt zu-
sammensinkt, während aus dem nähen Hause des
Amtmanns Gelächter und fröhliche Ausrufe erschallen
 
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