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Allgemeine Kunst-Chronik.
Satz ein zweiter ähnlicher an die Seite zu stellen sei,
haben nach Demokrit und Epikur zwei Jahrtausende ver-
geblich gerungen. Eine dunkle Ahnung lag über den
Geistern, die wol ihren drastischen Ausdruck in dem
Suchen nach jener wunderbaren Maschine fand, die als
^er^etuum mobile den Scharfwitz der fähigsten Köpfe
reizte und mehr als ein Menschenhirn aus dem Geleise
brachte. Die Wissenschaft hat sich das berüchtigte Problem
durch den Beschluss der Pariser Akademie im Jahre 1775
vom Halse geschafft, künftig keine sogenannte Lösung
mehr anzunehmen. Aber damit war doch nur die mecha-
nische Unlösbarkeit durch Schrauben, Hebel und Räder
anerkannt, und man kann es in den Schriften der alten
Forscher zwischen den Zeilen lesen, dass sie über die Lös-
barkeit mittelst der ihnen weniger vertrauten elektrischen,
magnetischen oder thermischen Kräfte nichts entscheiden
wollten. Seitdem durch immer zahlreichere Anwendungen
auch dieser Agentien, vor Allem der Wärme, sich der
Schleier mehr gelüftet hat, haben feinere Naturen an-
gefangen zu fühlen, dass auch sie uns nicht erlauben,
Arbeit aus nichts zu schaffen. Aber erst der junge Heil-
bronner Arzt vereinigte in sich zwei Erfordernisse des
großen Forschers, den mächtig gesteigerten Instinkt, der
sozusagen der Abdruck der Natur ist, und die logische
Kraft, aus dem Dunkel der instinktiven Erkenntnis das
lichte Gedankenabbild herauszuheben. Was vor ihm die
tiefsten Denker aller Zeiten mit dunkler Ahnung erfüllte,
was viele fühlten und keiner erkannte, dass nämlich jenes
zweite unzerstörbare und unerschaffbare Ding in der Welt,
die Kraft, oder wie wir heute sagen „die Energie" das
Arbeitsvermögen ist, das hat Robert Mayer in seinen zwei
grundlegenden Schriften vom Jahre 1842 und 1845 zu
dem klaren, methodisch verwendbaren Satz herausgeschält,
der heute als Prinzip der Erhaltung der Energie zum Leit-
stern der Naturwissenschaft geworden ist. Das berühmte
mechanische Wärmeäquivalent ist die erste Frucht des-
selben. Mayer's begeisterter Ausruf: „Es gibt in Wahrheit
nur eine einzige Kraft; in ewigem Wechsel kreist dieselbe
in der todten wie in der lebendigen Natur", war das er-
lösende Wort aus mehrtausendjährigem Dunkel; es war
zugleich das auslösende Wort für die mächtige Entwick-
lung der Naturwissenschaft, Technik und Industrie, in deren
Zeichen wir stehen.
Straßburg. Wie der jüngst in Mülhausen in
hohem Alter verstorbene Adolf Stöber, so haben auch
sein Vater Ehrenfried und sein Bruder August als vater-
ländische Dichter allgemeine Verehrung im Elsass hinter-
lassen. Es ist daher der Gedanke angeregt worden, zu
Ehren der drei Dichter an dem Geburtshause der beiden
Brüder in Straßburg ein Denkmal anzubringen. Der Vor-
stand des Vogesen-Vereines, Professor Dr. Martin an der
Spitze, hat sich als Ausschuss für die Ausführung des
Denkmals aufgethan.
Ausstellungen,
Es ist dem Herausgeber der „Allgemeinen Kunst-
Chronik" gelungen, bei einem kürzlichen Besuch in Mün-
chen von Lenbach das Versprechen zu erwirken, im
Künstlerhause, wo er so lange Zeit nicht mehr vertreten
gewesen, eine Anzahl seiner neuesten und interessantesten
Werke auszustellen. Es befinden sich darunter Bildnisse
Gladstone's und Minghetti's, der Herzogin Klementine von
Koburg, der Frauen Kahn-Speyer und St. Rene Taillandier,
des Freiherrn v. Tücher (in Renaissancetracht), und ein rasch
berühmt gewordenes Bild: „Indische Schlangenbändigerin".
Die Ausstellung des Gemäldes „Das Ende Babylons"'
von Georges Rochegrosse wird Montag den 5. d. M.,
Abends 8 Uhr, geschlossen
München. Der Verein der Sezessionisten hat
die Betheiligung an der Regierungsausstellung abgelehnt.
In dem Erlass vom 19. November hat sich bekanntlich
das Kultusministerium vollkommen auf den Standpunkt
gestellt, welchen die Genossenschaft einnimmt, nämlich
den Sezessionisten die verlangte Selbständigkeit in Bezug
auf Raum und Jury zu verweigern. Von der früheren
Abweisung des Gesuches der Sezessionisten um Über-
lassung eines Raumes für ihre selbständigen Ausstellungen
unterschied sich der neueste Erlass des Kultusministeriums
nur in der Form, nicht in der Sache; das erste und
hauptsächlichste Verlangen des jungen Vereins — Selbst-
verwaltung und Unabhängigkeit von der Künstlergenossen-
schaft — gewährte der Erlass nicht. Der Verein hat dann
in einer von fast allen hiesigen Mitgliedern besuchten
Generalversammlung einstimmig beschlossen, auf die Pro-
position des Kultusministeriums nicht einzugehen, und es
wurde folgendes Schreiben gutgeheißen :
An das königliche Staatsministerium des Innern für Kirchen-
und Schulangelegenheiten.
Der Verein bildender Künstler Münchens hat seiner-
zeit die Verbindungen mit den Städten Frankfurt a. M.
und Dresden behufs Abhaltung einer internationalen Kunst-
ausstellung abgebrochen, nachdem das hohe Staatsministerium
für Kirchen- und Schulangelegenheiten aus freien Stücken
demselben seine Unterstützung zur Abhaltung einer Aus-
stellung in München angeboten und bestimmt zugesagt hatte.
Da nun das hohe Staatsministerium laut seinem
Erlasse vom 19. November, entgegen unseren berechtigten
Erwartungen, dem Vereine seine Unterstützung, in dem
Sinne, wie sie zugesagt war, nicht nur nicht zutheil werden
lässt, sondern demselben durch unannehmbare Bedingungen
die Durchführung seines Programms zur Unmöglichkeit
zu machen gewillt ist, gestattet sich der ganz ergebenst
unterfertigte Vorstand, einem hohen Staatsministerium mit-
zutheilen, dass auf der am 26. November abgehaltenen
Generalversammlung des Vereines einstimmig der Beschluss
gefasst wurde, sich an einer von dem königlichen Staats-
ministerium zu leitenden Kunstausstellung des Jahres 1893
nicht zu betheiligen. Ehrerbietigst
Der Vorstand.
I. Präsident: I. Schriftführer:
Bruno Piglhein, Paul Höcker,
kgl. Professor. kgl. Professor.
Allgemeine Kunst-Chronik.
Satz ein zweiter ähnlicher an die Seite zu stellen sei,
haben nach Demokrit und Epikur zwei Jahrtausende ver-
geblich gerungen. Eine dunkle Ahnung lag über den
Geistern, die wol ihren drastischen Ausdruck in dem
Suchen nach jener wunderbaren Maschine fand, die als
^er^etuum mobile den Scharfwitz der fähigsten Köpfe
reizte und mehr als ein Menschenhirn aus dem Geleise
brachte. Die Wissenschaft hat sich das berüchtigte Problem
durch den Beschluss der Pariser Akademie im Jahre 1775
vom Halse geschafft, künftig keine sogenannte Lösung
mehr anzunehmen. Aber damit war doch nur die mecha-
nische Unlösbarkeit durch Schrauben, Hebel und Räder
anerkannt, und man kann es in den Schriften der alten
Forscher zwischen den Zeilen lesen, dass sie über die Lös-
barkeit mittelst der ihnen weniger vertrauten elektrischen,
magnetischen oder thermischen Kräfte nichts entscheiden
wollten. Seitdem durch immer zahlreichere Anwendungen
auch dieser Agentien, vor Allem der Wärme, sich der
Schleier mehr gelüftet hat, haben feinere Naturen an-
gefangen zu fühlen, dass auch sie uns nicht erlauben,
Arbeit aus nichts zu schaffen. Aber erst der junge Heil-
bronner Arzt vereinigte in sich zwei Erfordernisse des
großen Forschers, den mächtig gesteigerten Instinkt, der
sozusagen der Abdruck der Natur ist, und die logische
Kraft, aus dem Dunkel der instinktiven Erkenntnis das
lichte Gedankenabbild herauszuheben. Was vor ihm die
tiefsten Denker aller Zeiten mit dunkler Ahnung erfüllte,
was viele fühlten und keiner erkannte, dass nämlich jenes
zweite unzerstörbare und unerschaffbare Ding in der Welt,
die Kraft, oder wie wir heute sagen „die Energie" das
Arbeitsvermögen ist, das hat Robert Mayer in seinen zwei
grundlegenden Schriften vom Jahre 1842 und 1845 zu
dem klaren, methodisch verwendbaren Satz herausgeschält,
der heute als Prinzip der Erhaltung der Energie zum Leit-
stern der Naturwissenschaft geworden ist. Das berühmte
mechanische Wärmeäquivalent ist die erste Frucht des-
selben. Mayer's begeisterter Ausruf: „Es gibt in Wahrheit
nur eine einzige Kraft; in ewigem Wechsel kreist dieselbe
in der todten wie in der lebendigen Natur", war das er-
lösende Wort aus mehrtausendjährigem Dunkel; es war
zugleich das auslösende Wort für die mächtige Entwick-
lung der Naturwissenschaft, Technik und Industrie, in deren
Zeichen wir stehen.
Straßburg. Wie der jüngst in Mülhausen in
hohem Alter verstorbene Adolf Stöber, so haben auch
sein Vater Ehrenfried und sein Bruder August als vater-
ländische Dichter allgemeine Verehrung im Elsass hinter-
lassen. Es ist daher der Gedanke angeregt worden, zu
Ehren der drei Dichter an dem Geburtshause der beiden
Brüder in Straßburg ein Denkmal anzubringen. Der Vor-
stand des Vogesen-Vereines, Professor Dr. Martin an der
Spitze, hat sich als Ausschuss für die Ausführung des
Denkmals aufgethan.
Ausstellungen,
Es ist dem Herausgeber der „Allgemeinen Kunst-
Chronik" gelungen, bei einem kürzlichen Besuch in Mün-
chen von Lenbach das Versprechen zu erwirken, im
Künstlerhause, wo er so lange Zeit nicht mehr vertreten
gewesen, eine Anzahl seiner neuesten und interessantesten
Werke auszustellen. Es befinden sich darunter Bildnisse
Gladstone's und Minghetti's, der Herzogin Klementine von
Koburg, der Frauen Kahn-Speyer und St. Rene Taillandier,
des Freiherrn v. Tücher (in Renaissancetracht), und ein rasch
berühmt gewordenes Bild: „Indische Schlangenbändigerin".
Die Ausstellung des Gemäldes „Das Ende Babylons"'
von Georges Rochegrosse wird Montag den 5. d. M.,
Abends 8 Uhr, geschlossen
München. Der Verein der Sezessionisten hat
die Betheiligung an der Regierungsausstellung abgelehnt.
In dem Erlass vom 19. November hat sich bekanntlich
das Kultusministerium vollkommen auf den Standpunkt
gestellt, welchen die Genossenschaft einnimmt, nämlich
den Sezessionisten die verlangte Selbständigkeit in Bezug
auf Raum und Jury zu verweigern. Von der früheren
Abweisung des Gesuches der Sezessionisten um Über-
lassung eines Raumes für ihre selbständigen Ausstellungen
unterschied sich der neueste Erlass des Kultusministeriums
nur in der Form, nicht in der Sache; das erste und
hauptsächlichste Verlangen des jungen Vereins — Selbst-
verwaltung und Unabhängigkeit von der Künstlergenossen-
schaft — gewährte der Erlass nicht. Der Verein hat dann
in einer von fast allen hiesigen Mitgliedern besuchten
Generalversammlung einstimmig beschlossen, auf die Pro-
position des Kultusministeriums nicht einzugehen, und es
wurde folgendes Schreiben gutgeheißen :
An das königliche Staatsministerium des Innern für Kirchen-
und Schulangelegenheiten.
Der Verein bildender Künstler Münchens hat seiner-
zeit die Verbindungen mit den Städten Frankfurt a. M.
und Dresden behufs Abhaltung einer internationalen Kunst-
ausstellung abgebrochen, nachdem das hohe Staatsministerium
für Kirchen- und Schulangelegenheiten aus freien Stücken
demselben seine Unterstützung zur Abhaltung einer Aus-
stellung in München angeboten und bestimmt zugesagt hatte.
Da nun das hohe Staatsministerium laut seinem
Erlasse vom 19. November, entgegen unseren berechtigten
Erwartungen, dem Vereine seine Unterstützung, in dem
Sinne, wie sie zugesagt war, nicht nur nicht zutheil werden
lässt, sondern demselben durch unannehmbare Bedingungen
die Durchführung seines Programms zur Unmöglichkeit
zu machen gewillt ist, gestattet sich der ganz ergebenst
unterfertigte Vorstand, einem hohen Staatsministerium mit-
zutheilen, dass auf der am 26. November abgehaltenen
Generalversammlung des Vereines einstimmig der Beschluss
gefasst wurde, sich an einer von dem königlichen Staats-
ministerium zu leitenden Kunstausstellung des Jahres 1893
nicht zu betheiligen. Ehrerbietigst
Der Vorstand.
I. Präsident: I. Schriftführer:
Bruno Piglhein, Paul Höcker,
kgl. Professor. kgl. Professor.