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Allgemeine Kunst-Chronik.
und dann zum Mystiker und Allegoriker, der mit ge-
heimnisvollem Reize die „Sünde" darzustellen und
selbst in der Weise eines Zurbaran dem höchsten
Vorwurf einer „Pieta" gerecht zu werden weiss,
zeigt sich am Ende doch als ein ganz natürlicher.
Und wir dächten, wer sich mit den Phantastereien
eines Böcklin und mit den Landschaften aus der
Glasgower Schule zurecht zu finden weiß, der wird
sich auch einem reinen Genüsse der humoristischen
Zentauren- und Faunszenen Stuck's und seiner von
inniger Naturwahrheit erfüllten Landschaften, wie
„Forellenweiher", „Vision des heiligen Hubertus",
„Abend am Weiher" und „Glühwürmchen", hingeben
können. Eine glänzende Zukunft möchten wir jeden-
falls diesem so vielseitigen Künstler, der sich auch
als Bildhauer und Radirer versucht, nicht absprechen.
Als Dritter im Bunde der Reichsdeutschen hat sich
der Schwabe Schönleber eingefunden, und zwar
mit beiläufig einem halben Hundert Studien aus seinen
Lieblingsgebieten, der schwäbischen Heimat, der
Riviera, aus Holland und von der englischen Küste,
wo er seit den letzten Jahren sein Sommerzelt auf-
zuschlagen pflegt. Schönleber hat nicht wie unser
Schindler vielerlei Wandlungen durchgemacht, sondern
sicheren Schrittes seinen Weg zurückgelegt. Und
wenn wir mit ungemischter Bewunderung seiner
früheren „braunen" Bilder aus Esslingen und holländi-
schen Städten gedenken, so sehen wir, dass er von
der neuen Heilslehre des Freilichtes eben nur so viel
zu seinem eigensten Gebrauch aufgenommen hat, dass
seine Studien mustergiltig genannt werden können,
als getreue Wiedergabe alles Malerischen, das ihm
die Natur bietet.
Von den älteren Meistern, die sich zu unserer
Weihnachtsausstellung eingefunden haben, gebührt
wiederum der erste Preis Oswald Achenbach mit
seiner prächtigen „Villa d'Este bei Tivoli", einer
Schöpfung, die wir zu seinen allerbesten rechnen.
Nur im Fluge seien hier noch des Weiteren genannt
L.Bokelmann's Studie „Gute Freunde", J. v. Biaas'
„Heimkehr", Franz v. Pausinger's (Ölgemälde)
„Hirsche im Winter", Friedr. Kallmorgen's „Reg-
nerischer Tag", H. Darnaut's „Bauerngarten", Ga-
lofre y Gimenez' „Aus dem Zigeunerleben", Julius
Schmid's treffliches Frauenbildnis, Marie Egner's
und 0. Wisinger-Florian's Blumenstücke, Jos.
Engelhart's „Im Kurpark zu Baden", Jose Benl-
liures' „Bauernhof", Karl Hasch's und Ign. E11-
minger's Landschaften, Hermine Laukota's duftige
„Morgenstimmung", Hugo Kauffmann's großer,
humoristischer „Holzerschmarren", Anton Seitz'
„Atelierpause", Gaetano Chierici's „Liebling" und
Matejko's Originalzeichnungen zur polnischen Ge-
schichte. Verschiedenes Genannte und noch nicht
Genannte sei noch einer eingehenderen Besprechung
vorbehalten. W. L.
Fritz Bürger.
Nirgends haben wir eine solche Kühnheit in der
neuerdings wieder so beliebten Pastelltechnik getroffen
wie hier, in Baden-Baden, bei einem jungen Künstler,
Fritz Burger. Sieht man sich seine Porträts ganz nahe
an, so treten einzelne Farbenflächen hervor, die un-
möglich zu sein scheinen; dem aufmerksamen Be-
trachter geht es aber wie bei einem Dürer'schen Holz-
schnitt oder einem Lenbach'schen Bilde: je länger wir
davor stehen, destomehr sehen wir die Wahrheit und
Schönheit. Dabei hat Burger bei seinen Frauenporträts
jene Eleganz des künstlerischen Wurfes aus der
modernen französischen Manier angewendet, die eine
vorzügliche Ergänzung zu der deutschen Verinner-
lichung seiner Bilder gibt.
Es lässt sich ja darüber streiten, ob man bei
dieser Technik von Pastellmalerei oder Pastell-
zeichnung sprechen soll; die Hauptsache ist,
dass ein Bild gut ist, und die Bilder, die wir im
Atelier Fritz Burger's zu Baden-Baden sahen, waren,
wie auch alle Besucher bezeugten, von frappanter
Ähnlichkeit, von scharfer Auffassung und, obwol
theilweise unvollendet, von vorzüglicher Ausführung.
Nicht jene glatte, lächerliche Idealisirung, wie sie mit
Recht in den Witzblättern verspottet wird, war da
zu treffen, sondern der gesunde Realismus, der den
Geist und die Seele eines Menschen in den Gesichts-
zügen zum Ausdruck bringen will; ich möchte sagen,
es herrscht Lenbach'scher Geist mit rücksichtsloser
Behandlung der Nebensachen in diesen Bildern, und
wir danken es dem Herrn Hofmaler Amberger, in
dessen Hause Fritz Burger während der Herbstzeit
sein Atelier hatte, dass er uns mit diesem vielverspre-
chenden Talente zusammengeführt hat. Da stand auf
der Staffelei das unvollendete Bild des bekannten
Professors Rüdinger (siehe Abbildung), der Mann der
Welt und der Mann streng forschender Wissenschaft,
ein Charakterkopf aus einem Gusse; daneben das-
jenige des Musikschriftstellers Pohl, unseres alten
Freundes, mit der Denkerstirne, seiner schwertscharfen
Kritik und der lyrischen Seele, und hart wieder da-
neben eine distinguirte Dame aus Schwaben. Und
doch, wie ganz anders sind die Damenporträts, die
wir heute bringen dürfen, die natürliche graziöse Ge-
stalt von Madame A. und die pikante „Porträtstudie"
mit dem Kunststückchen, hinter dem Schleier hervor
fast unmerklich gedämpft das reizende Gesichtchen
erscheinen zu lassen. Man könnte sagen, sobald Fritz
Burger das ihm liebgewordene Pariser Pflaster wieder
betreten habe, sei auch die Pariser Eleganz in seine
Pastellgriffel übergegangen ; eine gewisse Übertragung
der Stimmung muss ja dem guten Porträtisten zu
eigen sein.
Wir sind dem Namen Fritz Burger's im Oktober
1891 zum erstenmale begegnet, als der Künstler im
Auftrage der seither auch gestorbenen Königin Olga
von Württemberg den König Karl auf dem Todten-
bette malte. Die nach der Natur angefertigte Pastell-
skizze musste in zweieinhalb Stunden fertig sein.
Bei unserem Besuche in Baden-Baden erfuhren
wir, dass der junge Künstler von Kindheit an im
Allgemeine Kunst-Chronik.
und dann zum Mystiker und Allegoriker, der mit ge-
heimnisvollem Reize die „Sünde" darzustellen und
selbst in der Weise eines Zurbaran dem höchsten
Vorwurf einer „Pieta" gerecht zu werden weiss,
zeigt sich am Ende doch als ein ganz natürlicher.
Und wir dächten, wer sich mit den Phantastereien
eines Böcklin und mit den Landschaften aus der
Glasgower Schule zurecht zu finden weiß, der wird
sich auch einem reinen Genüsse der humoristischen
Zentauren- und Faunszenen Stuck's und seiner von
inniger Naturwahrheit erfüllten Landschaften, wie
„Forellenweiher", „Vision des heiligen Hubertus",
„Abend am Weiher" und „Glühwürmchen", hingeben
können. Eine glänzende Zukunft möchten wir jeden-
falls diesem so vielseitigen Künstler, der sich auch
als Bildhauer und Radirer versucht, nicht absprechen.
Als Dritter im Bunde der Reichsdeutschen hat sich
der Schwabe Schönleber eingefunden, und zwar
mit beiläufig einem halben Hundert Studien aus seinen
Lieblingsgebieten, der schwäbischen Heimat, der
Riviera, aus Holland und von der englischen Küste,
wo er seit den letzten Jahren sein Sommerzelt auf-
zuschlagen pflegt. Schönleber hat nicht wie unser
Schindler vielerlei Wandlungen durchgemacht, sondern
sicheren Schrittes seinen Weg zurückgelegt. Und
wenn wir mit ungemischter Bewunderung seiner
früheren „braunen" Bilder aus Esslingen und holländi-
schen Städten gedenken, so sehen wir, dass er von
der neuen Heilslehre des Freilichtes eben nur so viel
zu seinem eigensten Gebrauch aufgenommen hat, dass
seine Studien mustergiltig genannt werden können,
als getreue Wiedergabe alles Malerischen, das ihm
die Natur bietet.
Von den älteren Meistern, die sich zu unserer
Weihnachtsausstellung eingefunden haben, gebührt
wiederum der erste Preis Oswald Achenbach mit
seiner prächtigen „Villa d'Este bei Tivoli", einer
Schöpfung, die wir zu seinen allerbesten rechnen.
Nur im Fluge seien hier noch des Weiteren genannt
L.Bokelmann's Studie „Gute Freunde", J. v. Biaas'
„Heimkehr", Franz v. Pausinger's (Ölgemälde)
„Hirsche im Winter", Friedr. Kallmorgen's „Reg-
nerischer Tag", H. Darnaut's „Bauerngarten", Ga-
lofre y Gimenez' „Aus dem Zigeunerleben", Julius
Schmid's treffliches Frauenbildnis, Marie Egner's
und 0. Wisinger-Florian's Blumenstücke, Jos.
Engelhart's „Im Kurpark zu Baden", Jose Benl-
liures' „Bauernhof", Karl Hasch's und Ign. E11-
minger's Landschaften, Hermine Laukota's duftige
„Morgenstimmung", Hugo Kauffmann's großer,
humoristischer „Holzerschmarren", Anton Seitz'
„Atelierpause", Gaetano Chierici's „Liebling" und
Matejko's Originalzeichnungen zur polnischen Ge-
schichte. Verschiedenes Genannte und noch nicht
Genannte sei noch einer eingehenderen Besprechung
vorbehalten. W. L.
Fritz Bürger.
Nirgends haben wir eine solche Kühnheit in der
neuerdings wieder so beliebten Pastelltechnik getroffen
wie hier, in Baden-Baden, bei einem jungen Künstler,
Fritz Burger. Sieht man sich seine Porträts ganz nahe
an, so treten einzelne Farbenflächen hervor, die un-
möglich zu sein scheinen; dem aufmerksamen Be-
trachter geht es aber wie bei einem Dürer'schen Holz-
schnitt oder einem Lenbach'schen Bilde: je länger wir
davor stehen, destomehr sehen wir die Wahrheit und
Schönheit. Dabei hat Burger bei seinen Frauenporträts
jene Eleganz des künstlerischen Wurfes aus der
modernen französischen Manier angewendet, die eine
vorzügliche Ergänzung zu der deutschen Verinner-
lichung seiner Bilder gibt.
Es lässt sich ja darüber streiten, ob man bei
dieser Technik von Pastellmalerei oder Pastell-
zeichnung sprechen soll; die Hauptsache ist,
dass ein Bild gut ist, und die Bilder, die wir im
Atelier Fritz Burger's zu Baden-Baden sahen, waren,
wie auch alle Besucher bezeugten, von frappanter
Ähnlichkeit, von scharfer Auffassung und, obwol
theilweise unvollendet, von vorzüglicher Ausführung.
Nicht jene glatte, lächerliche Idealisirung, wie sie mit
Recht in den Witzblättern verspottet wird, war da
zu treffen, sondern der gesunde Realismus, der den
Geist und die Seele eines Menschen in den Gesichts-
zügen zum Ausdruck bringen will; ich möchte sagen,
es herrscht Lenbach'scher Geist mit rücksichtsloser
Behandlung der Nebensachen in diesen Bildern, und
wir danken es dem Herrn Hofmaler Amberger, in
dessen Hause Fritz Burger während der Herbstzeit
sein Atelier hatte, dass er uns mit diesem vielverspre-
chenden Talente zusammengeführt hat. Da stand auf
der Staffelei das unvollendete Bild des bekannten
Professors Rüdinger (siehe Abbildung), der Mann der
Welt und der Mann streng forschender Wissenschaft,
ein Charakterkopf aus einem Gusse; daneben das-
jenige des Musikschriftstellers Pohl, unseres alten
Freundes, mit der Denkerstirne, seiner schwertscharfen
Kritik und der lyrischen Seele, und hart wieder da-
neben eine distinguirte Dame aus Schwaben. Und
doch, wie ganz anders sind die Damenporträts, die
wir heute bringen dürfen, die natürliche graziöse Ge-
stalt von Madame A. und die pikante „Porträtstudie"
mit dem Kunststückchen, hinter dem Schleier hervor
fast unmerklich gedämpft das reizende Gesichtchen
erscheinen zu lassen. Man könnte sagen, sobald Fritz
Burger das ihm liebgewordene Pariser Pflaster wieder
betreten habe, sei auch die Pariser Eleganz in seine
Pastellgriffel übergegangen ; eine gewisse Übertragung
der Stimmung muss ja dem guten Porträtisten zu
eigen sein.
Wir sind dem Namen Fritz Burger's im Oktober
1891 zum erstenmale begegnet, als der Künstler im
Auftrage der seither auch gestorbenen Königin Olga
von Württemberg den König Karl auf dem Todten-
bette malte. Die nach der Natur angefertigte Pastell-
skizze musste in zweieinhalb Stunden fertig sein.
Bei unserem Besuche in Baden-Baden erfuhren
wir, dass der junge Künstler von Kindheit an im