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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0041

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Zeitweise wurde das Dach als „Triumph der Grundrißform“
gesehen506): hatte die „flimmernde Atmosphäre“ von be-
wegten Dachgestaltungen schon im Historismus die ge-
schlossenen Häuserzeilen mit ihrem geraden, oberen Ab-
schluß verdrängt, so strebten die deutschen Jugendstilar-
chitekten bewußt noch bewegtere Silhouetten an507), die
zum Vergleich mit der optischen Wirkung von impressioni-
stischer Malerei herausfordern und die in etwa den Ein-
druck von mehreren einzeln stehenden, selbständigen Ge-
bäuden vermitteln (Abb. 27).508)
Neue Dekorationsformen im deutschsprachigen Raum
Die „radikal neuen Formen“ stießen auf einigen Wider-
stand, weil sie nicht durch Umwandlung älterer, vorhande-
ner Formen entstanden waren und deshalb als bloße „Ab-
sonderlichkeiten, als Entgleisungen oder Absurditäten“ ge-
wertet wurden.509)
Neu war, daß sich der große Teil des Jugendstildekors nicht
gegenständlich deuten ließ.510)
Im süddeutschen Raum erinnerte die Art der Verwendung
der neuen Formen an für Goldschmiedekunst erfundene
Zierate oder an Buchschmuck-Graphik.511) Dülfers Linien
waren anfangs noch weich und fließend (Friedrichstraße,
Allgemeine Zeitung, Abb. 20, 21)), werden aber bald kantig
und bizarr (Franz-Josef-Straße, Abb. 23); dieser Eindruck
sollte sich in der Ohmstraße durch Einpassung des Ran-
kenwerkes in unregelmäßig geformte Ornamentfelder noch
verstärken. Die Art der eben genannten Füllungen hat, wie
bereits gesagt, große Ähnlichkeit mit Buchschmuck (Abb.
27); Linienführung und Zeichnung des Dekors sind mit Sulli-
vans Dekorationsweise ebenso verwandt wie mit Heinrich
Vogelers (von der Gruppe um Morris beeinflußten) Graphi-
ken.519)


Abb. 27 München: Königinstraße Nr. 85 um 1930

Der Übergang zum geometrisch-ornamentalen Dekor er-
folgte bei Dülfer nicht abrupt: am Hause Gedonstraße Nr.
4 — 6 hat er 1904 das im Entwurf vorgesehene, florale Ran-
kenwerk durch geometrisches Gitterwerk ersetzt, das ein-
zelne, streng stilisierte Blüten und Bienen einschließt. Ein
Jahr später verwendet er vorübergehend wieder florale Li-
nien, wie die Häusergruppe in der Ohmstraße zeigt (Abb.
27); die weitere Entwicklung sollte aber allgemein über das
geometrische Ornament zum Reduktionsstil und zu einer
Zurückdrängung des Ornaments führen.

Abb. 26 München: Gedonstraße Nr. 6 und 4



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