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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0076

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von einer aufwendig stuckierten, flachen Kassettendecke
überspannt.
Der bereits erwähnte, durch Säulenstellungen erreichbare
Raumteil im Portikusbereich war etwas niedriger als der
Hauptraum; er zeigte ein kassetiertes Stichbogengewölbe,
das im Mittelbereich (über der Eingangshalle) dem Verlauf
der Hauptachse entsprechend gewölbt war, während die
seitlichen Raumflügel (im Bereich der fünfteiligen Fenster-
bänder) quer dazu verliefen und mit ihren Tonnendecken
den Mittelbogen anschnitten (Abb. 57).
Zwischen den Fensterbändern führte eine breite Tür auf
den Balkon über der Einfahrtshalle; die Fenster selbst dien-
ten, wie schon aus der Seelingschen Kritik hervorging, nur
dem Tageslicht-Einfall und nicht dem Ausblick auf die Stra-
ße: sie waren nicht einmal bis in Augenhöhe herabgezogen.
Es ist oben erwähnt worden, daß Dülfer den zweiten Rang
in Form verglaster Balkons in die Raumhöhe des Haupt-
foyers integriert hatte; so war den Zweiten-Rang-Besuchern
ein guter Überblick über „das gesellschaftliche Treiben“ ge-
boten (Abb. 58)894)


Abb. 54 Dortmund: Längsschnitt

Auch auf das Foyer des dritten Ranges wurde bereits hin-
gewiesen: es zeigte eine nur unwesentlich geringere Raum-
höhe als das Hauptfoyer. Die Funktion der verglasten Bal-
kons hatten hier die beiden viertelkreisförmigen Eckbal-
kons übernommen, die von den obersten Reihen des dritten
Ranges aus betreten werden konnten und die ebenfalls ei-
nen Blick auf das dort vermutlich wesentlich schlichtere
„gesellschaftliche Treiben“ der oberen Ränge boten (Abb.
59).
Auch hier setzten die Fenster sehr hoch an; an der Fassade
ließ die Querteilung der Fensterschlitze nach außen auf
eine zweigeschossige Ausbildung dieses Raumes schlie-
ßen.
Aufnahmen der Fensterwand sind keine vorhanden, auch
die Gestaltung der flachen Decke ist aus den vorhandenen
Plänen und Fotos nur undeutlich zu entnehmen.
Anders die zum Proszenium stark abfallende Deckenkon-
struktion des Auditoriums: von ihr existiert umfangreiches
Bildmaterial und eine ausführliche Beschreibung; die be-
merkenswerte Höhendifferenz von etwa acht Metern er-
schien manchem als etwas zu stark abfallend.895) Von der
Schrägführung versprach man sich verbesserte Akustik, sie
wurde damals als „bahnbrechende Neuerung“ bezeichnet
(Abb. 54).896)

Der Fußboden des Parketts war, —sozusagen als Gegenbe-
wegung zur Decke—, nach der Mitte hin muldenförmig ver-
tieft.897) Nach Meraner Vorbild blieb auch in Dortmund der
Anschluß zwischen Decke und Wänden durch Weglassen
der obersten Seitenränge unverhüllt; der „Charakter des
Einheitsraumes“ sollte auf diese Weise unterstrichen wer-
den (Abb. 55, 56).898)
Ausstattung der Innenräume
Gestaltung des Auditoriums
Im Gegensatz zu der im wesentlichen grau belassenen Fas-
sade stand die farbige Ausgestaltung der Innenräume; der
Zuschauerraum war mit einer rosa Wandbespannung verse-
hen, die mit grauem Velvet eingefaßt war. Diese Einfassun-
gen wurden durch aufgemalte Ornamentik belebt899), die
teils als dunkelblau, teils als schwarz-braun beschrieben
wird900).
In hellgrauer Farbe hoben sich die Rangbrüstungen von
den Umfassungsmauern ab, teilweise durch vergoldeten
Stuck belebt901). Sehr aufwendig war das Proszenium ge-
staltet: der abgetreppte Verlauf des Bühnenportals gab der
gesamten Proszeniumszone einen eigenartigen Umriß; die
rahmenden Lisenen hatte Dülfer mit floralem Stuck ver-
sehen, stilisierten Baum-Pyramiden, die in geometrische
Felder eingepaßt waren.902)
An den Brüstungen dominierten geometrische Stuckele-
mente und Rosetten; über den obersten Proszeniumslogen
waren ovale Medaillons angebracht, die von teilweise frei-
hängenden, zopfigen Festons umgeben waren.
Die bereits von Meran bekannte Idee der Kassettendecke
über dem Proszenium war auch hier zu finden; leider ist
über die Farbgebung dieses Bereiches nur wenig überlie-
fert: bekannt ist lediglich, daß die Kassettenfüllungen blau
unterlegt waren903). Den Fotos nach zu schließen, müssen
die Farbkontraste ziemlich kräftig gewesen sein.
Wesentlich anschaulicher wurde dagegen die Decke des
Auditoriums beschrieben: das von Tierkreiszeichen umge-
bene, runde Mittelfeld der Decke öffnete sich in eine imagi-
näre, sattblaue „Himmelsfläche“, die durch glitzernde
Gold-, Silber- und Stahlfeilsplitter belebt wurde; dabei wa-
ren diese Splitter so angeordnet, daß sie sich milchstraßen-
ähnlich quer über das Feld zogen (Abb. 55).
Um diesen Mittelpunkt gruppierten sich strahlenförmig
flache, mit ornamentalen weiß-goldenen Relieffüllungen
verzierte Felder; der Grundton der gesamten Decke war
hellgrau.
Ein wichtiger Bestandteil der Dekoration waren die Kristall-
beleuchtungskörper, die teils vor dem Proszenium frei von
der Decke hingen, teils an den Seitenwänden girlandenartig
die Fensterchen kaschierten, die (wie in Meran) zu Lüf-
tungszwecken angebracht waren; eine zusätzliche Saalbe-
leuchtung bildeten an den Rangbrüstungen in schmalen,
antikisierenden Wellenbandfriesen angebrachte, einzelne
Glühbirnen (Abb. 56).904)
Von nicht zu unterschätzender Wirkung für das Raumbild
waren die Bühnenvorhänge, von denen zwei in Fotos über-
liefert sind: einer war in hochrechteckige Felder geteilt,
jedes einzelne durch ein kreisförmiges Ornament ge-
schmückt; er wird als „goldbraun mit Seidenaufnäherei“
geschildert.906) Der andere war durch Bordüren in drei Teile

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