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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0099

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Bühnen- und Betriebseinrichtungen
Das Neuartige am Duisburger Theaterbetrieb war die Ver-
bindung der Hauptbühne mit zwei Seitenbühnen; von dort
aus sollten die benötigten Prospekte mittels einer hydrauli-
schen Schiebevorrichtung auf die Hauptbühne gefahren
werden: „Der Bühnenleiter läßt, während auf der Haupt-
bühne gespielt wird, auf eine der Seitenbühnen einfach die
nächste Szenerie aufsetzen. Bei der Verwandlung wird so-
dann die Szenerie der Hauptbühne zur Seite geschoben,
von der anderen Seite spaziert die fertige neue Szene her-
ein, und das Spiel geht nach zehn Sekunden weiter.“1058)
Unmittelbares Vorbild für diese neue Bühnentechnik war
das 1908 erbaute Münchner Künstlertheater von Max Litt-
mann; ganz so glatt wie oben beschrieben ging der Szenen-
wechsel aber wohl doch nicht vonstatten; jedenfalls über-
nahm nach Duisburg kein weiteres Theater dieses System.
Auch hier entschloß man sich nachträglich zum Einbau
einer Drehscheibe; das Fehlen einer Hinterbühne macht
sich noch heute unliebsam bemerkbar.1059)
Die Hauptbühne war 24 Meter breit, 20,5 Meter tief und vom
Keller bis zum Dach 54 Meter hoch; die Bühnenöffnung be-
trug 12x8 Meter, sie konnte durch fahrbare Bühnenmäntel
bei Bedarf auf 8x4 Meter verkleinert werden1060).
Im Sockelgeschoß war der Bühnenbereich an drei Seiten
von einem 2,5 Meter breiten Gang umgeben. Der Orchester-
graben an der vierten Seite bot (im Gegensatz zu den ande-
ren Theaterbauten Dülfers) genügend Platz und mußte
nicht nachträglich erweitert werden.
Dem aufwendigen Bühnentrakt entsprechend, waren die
damals modernsten technischen Einrichtungen vorhanden;
so beispielsweise ein beweglicher Rundhorizont, vier
Gassen- und eine Plateau-Versenkung im hinteren Bühnen-
bereich, wodurch „jede Gebirgsformation“ ermöglicht
wurde1061).
Unmittelbar mit der westlichen Seitenbühne verbunden
hatte Dülfer das Kulissenmagazin; zum darüberliegenden
Malersaal führte ein Aufzug von 9 Metern Länge und 2,5
Metern Breite. In diesem Umkreis waren sämtliche Maga-
zine und Werkstätten untergebracht; Künstlergarderoben,
Proberäume und Büros befanden sich dagegen im öst-
lichen Bühnenanbau.
Bemerkenswert war die Bühnenbeleuchtung im Fortuny-
System: elektrische Bogenlampen wurden nicht direkt auf
die Spielfläche, sondern auf verschiedenfarbige Seiden-
bahnen gerichtet, sodaß durch die Reflexion in verschiede-
nen Farben getöntes Licht entstand.1062)
Ein „Wolkenkarussel“ wurde als technische Neuerung her-
vorgehoben: damit konnten auf den Rundhorizont „alle
meteorologischen Erscheinungen [wie] Nebel, Wolken,...
von der Cirruswolke bis zur Wasserhose...“ erzeugt
werden, „und zwar in so täuschender Weise, daß der Zu-
schauer die völlige Illusion der Wetterverwandlungen em-
pfängt.“1063)
Wie in Lübeck so hatte man auch hier automatische Feuer-
melder mit der Hauptfeuerwache direkt verbunden; auch
sie traten bereits bei 40 Grad in Funktion und waren über
alle Magazine und Werkstätten verteilt. Natürlich hatte man
im ganzen Haus Hydranten verteilt, zum Rauchabzug waren
oberhalb des Schnürbodens 51 (!) Fenster eingebaut, ins
Bühnendach drei Rauchklappen mit einer Gesamtfläche

von 65 Quadratmetern; über der Proszeniumsöffnung be-
fand sich eine zusätzliche Abzugsöffnung.1064)
Am Bau beteiligte Firmen und Künstler
Soweit möglich wurden die Aufträge vorzugsweise an Duis-
burger Firmen vergeben; so sind die Steinmetz- und Zimme-
rerarbeiten von Guillaume & Wegmann ausgeführt worden,
ebenso alle Maurer- und Betonarbeiten; die Eisenarbeiten
übertrug man der Gebr. Bieber-AG, Wandverkleidungen,
Plattenbeläge und Fliesenarbeiten der Firma Franz Haas,
die Möbellieferung Gebr. Kiefer, Chr. Gatermann und der
Duisburger Schreinerinnung. Die hölzernen Wandvertäfe-
lungen fertigten Gebr. Kiefer, Schlosserarbeiten die Duis-
burger Schlosserinnung, alle Kunstverglasungen die Firma
Gustav Scholl, die Malerarbeiten Terbrüggen zusammen
mit der Dortmunder Firma Hermann Habs/jun. (vermutlich
nicht identisch mit dem Maler der Dortmunder Decke). Den
Zwischenakt-Vorhang, Vorhänge, Teppiche, Tapeten und
Ledermatten (?) bezog man von Franz Peters, die Beleuch-
tungskörper ließ man bei der Duisburger Firma Franz Kap-
pels herstellen. Heizungs- und Lüftungsanlagen kamen von
der Firma Rud. Meyer (Hamburg), die Bestuhlung besorgte
— wie bei fast allen Theatern Dülfers — Walter Hyan (Ber-
lin).1065)
Die meisten der künstlerischen Arbeiten wurden von Aus-
wärtigen erstellt: die Stuckarbeiten von Ernst Scheuerle
Kiel, diese allerdings zusammen mit Guillaume & Weg-
mann), Bildhauer- und Modellarbeiten von W. & B. Woll-
staedter (Leipzig); von dieser letztgenannten Firma stamm-
ten auch die Skulpturen am Proszenium und der „Kinder-
fries“ oberhalb der Eingangstüren im Portikusbereich, dazu
die beiden Reliefs an den Treppenhausflügeln. Alexander v.
Salzmann (Dresden) schuf die Bilderfriese an den Seiten-
wänden des Auditoriums. Den Hauptvorhang schließlich
lieferten die Deutschen Werkstätten in Dresden, er war
nach Entwürfen der Kunstmalerin Krause gefertigt.1066)

Bulgarisches Nationaltheater Sofia
Baugeschichte
Der Bau von Fellner & Helmer bis zum Brand von 1923
Nach der 1878 erfolgten Befreiung Bulgariens von den Tür-
ken war der Wunsch großer Teile der Bevölkerung nach na-
tionaler kultureller Selbstbestätigung gewachsen; solche
Beweggründe führten dazu, daß bereits 1891 vom Sofioter
Bürgermeisteramt Pläne für den Bau eines Theaters ausge-
arbeitet wurden, die aber aus Kostengründen nicht zur Aus-
führung kamen.1067)
Erst einige Jahre später schrieb man einen neuerlichen
Wettbewerb unter österreichischen Architekten aus, den
Fellner & Helmer gegen Architekt Balsanek (Prag) gewan-
nen. Die Wiener Architekten errichteten in Sofia ihren
(hauptsächlich in neubarocken Formen gehaltenen)
45. Theaterbau.1068)

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