Abb. 98 München: Maria-Theresia-Straße Nr. 27, Haupttreppe
tem Schmiedeeisengeländer weiter zum ersten Stockwerk
führt.
Bei besonderen Anlässen konnte die breite Glastüre ent-
fernt werden, Halle und Treppenhaus standen dann in un-
mittelbarer Verbindung.1138)
Für die Dienerschaft und zu den oberen Stockwerken war
eine zusätzliche Treppe angelegt worden; eine weitere Ver-
bindung zwischen Erd- und Obergeschoß bestand durch die
(heute beseitigte) Wendeltreppe, die das Herrenzimmer im
Eckturm mit dem darüberliegenden Schlafzimmer verband
(Grundriß bei Abb. 97).
Wie die Anlage der Halle, so läßt teilweise auch deren Aus-
stattung englische Vorbilder erkennen: die Stuckdecke ist
sternförmig mit Rippensystemen in englisch-spätgotischer
Manier ausgeführt, ein Familienwappen betont die Raum-
mitte und wird seinerseits von einem Lampenkranz um-
rahmt; in den übrigen Stuckfeldern wiederholt sich ein
Sonnenblumen-Motiv.
Auch die anderen Räume des Erdgeschosses sind mit auf-
wendigen Stuckdecken ausgestattet: das oval geschwun-
gene, nord-westlich gelegene Eckzimmer zeigt eine barock
anmutende Profilleiste, die von Weinlaub und Sonnenblu-
men (!) umwunden wird. Über der „Kleinen Halle“ an der
Nordseite wölbt sich eine Stichbogentonne; sie ist mit in
geometrische Felder eingespannten, aus Vasen heraus-
wachsenden Schwertlilien stuckiert.
Eine ähnlich flache Tonnnendecke überspannt das ehema-
lige Speisezimmer an der Ostseite: Maßwerkfelder, in ihrer
Form der Tudor-Gotik entlehnt, wurden dort mit ähnlichem
Blütendekor versehen wie die Stuckfelder der „Kleinen Hal-
le“. Ursprünglich waren vermutlich einzelne Glühbirnenfas-
sungen in den Blüten eingelassen, die heute aber zugeputzt
sind.
Der westseitig gelegene, mit einem Flacherker versehene
Salon zeigt neoklassizistischen Deckenstuck mit einem
Mäandermuster, das ein Oval bildet und mit vergoldetem
Weinlaub umkränzt ist.
Besonders interessant wurde die Decke im ehemaligen Da-
menzimmer gestaltet: eine einseitig auf Konsolen abge-
setzte Kielbogendecke, in Maßwerk mit blütengefüllten
Quadraten aufgelöst, bestimmt die eigenartige Raumwir-
kung.
Von den Räumen des ersten Stockes ist nur das ovale
Schlafzimmer etwas aufwendiger gestaltet worden: eine
ähnlich wie im darunterliegenden Raum geschwungene
Profilleiste umgibt eine zentral angebrachte Stucksonne,
die von Strahlen und Wolkenbildungen gerahmt wird.
In allen anderen Zimmern dieser Etage sind nur einfache
Stuckprofile für die Deckenverzierung verwendet.
Im zweiten Stock hatte man vor allem Dienstbotenräume
und Gästezimmer eingerichtet. Vorraum und Bad sind
durch eine Wand aus Glasbauziegeln voneinander getrennt;
hier ist das Vorbild Guimards anzunehmen, der etwa zur
gleichen Zeit ähnliche Glastrennwände in seinem Pariser
„Castel Beranger“ verwendete.1139)
Der ovale Eckraum diente wohl als Gästezimmer; auf
Stuckdecken ist hier ganz verzichtet, all die eben genann-
ten Räume weisen nur einfachste Ausstattung auf.
Eine Besonderheit war der Speisenaufzug in der Raummitte
des obersten Turmzimmers, das als Zeichenkammer des
Hausherrn diente. Die rundum verteilten Fensterchen ga-
rantierten gleichmäßigen Lichteinfall, der durch eine
schlichte Bleiverglasung kaum gedämpft wurde (Abb. 19).
Ursprünglich blieben die Fassaden durchwegs in naturfar-
benem, horizontal aufgerauhtem Kalkmörtel belassen; die
von der Firma Alfred Völker ausgeführte Antragsornamen-
tik aus „englischem Zement“ hob sich weißgetönt von dem
grauen Untergrund ab. Sockel und Terrassen wurden in
Stampfbeton hergestellt, das Dach mit roten Platten einge-
deckt.1140)
Die Jugendstil-Ornamentik konzentriert sich auf den Turm-
aufsatz und den Polygonalerker der Westfassade; auch die
Schmiedeeisenteile des Balkongitters an der Süd- und das
halbrunde Fenstergitter der kleinen Halle an der Nordseite
zeigen solche Formen.
Den Blickfang der zum Garten gerichteten Ostfassade bil-
den zweifellos die beiden großen, auf gedrungenen Säulen
abgestützten Loggien; die untere, besonders tief erschei-
nende, ist mit einer flachen Tonne überwölbt. Sie nimmt et-
wa die Hälfte des in den Garten geschobenen Vorbaues ein,
der zugleich die Terrasse des zweiten Stockes bildet. Im an-
deren Teil tritt das ehemalige Speisezimmer mit einem
Rundbogenfenster in Erscheinung.
Weitere Einflüsse des „neuen Stils“ sind an der Verwen-
dung einer Hohlkehle als Hauptsims, an der auffallend un-
regelmäßigen, dem Grundriß entsprechenden Anordnung
der verschiedenen Fensterformen und nicht zuletzt an der
weitgehenden Schmucklosigkeit der übrigen Fassadenteile
zu erkennen. Die schlichten Fensterrahmungen sind dage-
gen von Louis-Seize-Elementen beeinflußt.
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