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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 12
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Einrichtungen deutscher Schnelldampfer
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1Q02

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 12


Dampfer »Viktoria Luise«, Architekt: Georg Thielen f.
Deckenfüllung. Ausführung: J. C. Pfaff in Berlin,
Einrichtungen deutscher Schnelldampfer.
■ ie Steigerung des überseeischen Personenverkehrs und
die daraus hervorgegangene Entwickelung des Schiffs-
baues hat unserm Kunstgewerbe ein ganz neues Arbeitsfeld
eröffnet. Für die mit allen erdenklichen Bequemlichkeiten und
dem raffiniertesten
Luxus auszustatten¬
den Riesenschnell¬
dampfer des Nord¬
deutschen Loyd und
der Hamburg-Ame¬
rika-Linie genügten
die schiffsmässig
schlichten Einrich¬
tungen nicht mehr,
welche die Werk¬
stätten der Werften
herstellten. Des¬
halb wurden erste
Firmen für Innen¬
einrichtung, wie
J. C. Pfaff in Berlin
undBembeinMainz,
zur Ausstattung der
neuen Dampfer
herangezogen, um
durch üppige Aus¬
stattung der Prunk¬
räume und durch
künstlerisch ge¬
schmackvolle Ein¬
richtung des ganzen
Schiffes auch den

Forderung zu rechtfertigen, dass für die Einrichtung von
Schiffen ein besonderer Stil gefunden werden müsse. Aber
es scheint doch selbst von diesem Standpunkte aus nicht
gerecht, vorj einem eben im ersten Aufblühen begriffenen
Zweige unsres Kunstgewerbes, der überdies noch durch die
notwendige Bewältigung unzähliger technischer Schwierig-
keiten in Anspruch genommen ist, von vornherein eine künst-
lerische Selbständigkeit zu verlangen, die unsre unter viel ein-
facheren Bedingungen arbeitende Einrichtungskunst auf dem
Festlande erst allmählich und stückweise sich anzueignen
beginnt. Der hie und da geäusserte beissende Spott über
die prunkvollen Rokokodekorationen in einzelnen Dampfern
mag seine teilweise Berechtigung haben; aber man darf nie
vergessen, dass die Anforderungen, welche man ganz selbst-
verständlich an die künstlerische Ausstattung einer Luxusjacht
stellt, für die Ausstattung eines Salondampfers nur zum Teil
berechtigt sind, ebenso wie die künstlerische Ausstattung eines
vornehmen Landhauses immer himmelweit unterschieden sein
wird von der eines grossstädtischen Festsaales.
Im übrigen genügt ein Blick auf die neuesten Schnell-
dampfer »Deutsch-
land«, »Kronprinz
Wilhelm«, »Viktoria
Luise« u. s. w., um
uns zu überzeugen,
wie auch hier die
Abkehr von der
leeren Tradition zu
eigenartigem Ge-
stalten sich auf ver-
schiedenste Weise
anbahnt und zum
Teil schon höchst
anerkennenswerte
Ergebnisse gehabt
hat.
Unsre Abbildun-
gen geben einige
Ansichten aus dem
grössten deutschen
Schnelldampfer, der
»Deutschland«, und
der kleineren »Vik-
toria Luise« wie-
der. Der Speisesaal
des Dampfers
»Deutschland«,des-
sen Ansicht unsre


Dampfer »Viktoria Luise«
Lichtschacht.

Architekt: Georg Thielen f.
Ausführung: J. C. Pfaff in Berlin.


verwöhntesten Passagieren während der immer kürzer werden-
den Fahrt über das Weltmeer angenehmen Aufenthalt und
Unterhaltung zu gewähren.
So sind mit ausserordentlich reichen Mitteln, wie sie für
Einrichtungen auf dem Lande nur ausnahmsweise zur Verfügung
stehen, zum Teil nach den Entwürfen und unter der Leitung
bewährter Architekten, wie des so früh verstorbenen Georg
Thielen in Hamburg und H. Poppe in Bremen, zum Teil nach
eigenen Entwürfen der ausführenden Firmen in den zahlreichen
Salons, Speisesälen, Rauch- und Lesekajüten, sowie in den
grossen Lichtschächten und Treppenanlagen der vielen neueren
Schnelldampfer Inneneinrichtungen von hervorragender künst-
lerischer Bedeutung und ganz besonderer Eigenart geschaffen
worden, die von der Leistungsfähigkeit des deutschen Kunst-
gewerbes höchst erfreuliches Zeugnis ablegen.
Ob die Eigenart dieser Einrichtungen in der Mehrzahl der
Fälle in künstlerischer Hinsicht so weit zur Geltung gebracht
ist, dass sie sich als Schiffseinrichtungen ohne weiteres
kennzeichnen, mag dahingestellt bleiben. Man kann ja schliess-
lich auch darüber im Zweifel sein, inwieweit der Mehrzahl
der Passagiere mit einer solchen Einrichtung, die sie von
ihren festländischen Gewohnheiten loslösen würde, gedient
sein möchte. Die strenge logische Auslegung der künst-
lerischen Grundsätze scheint freilich die mehrfach erhobene

Tafel 96 nach einem Aquarell von Pomorski, dem Architekten
der Firma J. C. Pfaff, wiedergibt, enthält 400 Sitzplätze. Hier
sehen wir die Wirkung des für Schiffsverhältnisse riesigen
Raumes durch künstlerische Gestaltung aufs glücklichste


Dampfer »Viktoria Luise«.
Salon.

Architekt: Georg Thielen f.
Ausführung: J. C. Pfaff in Berlin.

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