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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 6
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Gurlitt, Cornelius: Eine Künstlerreise aus dem 17. Jahrhundert: Josef Furttenbachs Studienreise nach Italien (etwa 1613-1623)
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Entwürfe für das Schillertheater in Charlottenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0055

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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 6

geschähe mit etlichen gemahlten Maurstücken auch
damit diese künstliche Mahlerey erhalten würde.«
Der mächtige Saal des Palazzo ducale, in dem die
500 -600, von Genua unterhaltenen deutschen Sol-
daten gemustert wurden, der Palazzo San Giorgio,
dessen Hauptraum nicht mit Ziegelsteinen über-
wölbt, »sondern von angehefften Canne oder
Rhoren, darein dann wolhaltender Mertel geworffen,
gemacht« ist, interessieren ihn gleichmäßig. Tech-
nische Beobachtungen, wie jene des in Deutsch-
land damals noch nicht üblichen Deckenputzes auf
Rohr, machte er auch am Palazzo Balbi, dessen Bau
er 1619 anfangen sah. Seine Vollendung, die auf
eine Tonne Gold zu stehen kommen würde, sah er
nicht mehr. Er nennt auch leider nicht die Bau-
meister. Sollte es sein Freund, der Stadtbaumeister
Paolo Rizio gewesen sein? Gewöhnlich wird
der Bau dem Baccio di Bartolommeo Bianco
zugeschrieben. Der war aber 1620 in den Diensten
des großen Wallenstein in Prag tätig. Die Genueser
Architekturgeschichte ist leider noch ganz unsicher,
so sehr auch in unsern Handbüchern alles als
wohlbegründet fest zu stehen scheint! Die Pläne,
die Furttenbach zur »Erlustigung mit einem vor
Augen stehenden Genovesischen Palazioto« in
Kupferstich beibringt, sind von einem großem
Meister entlehnt, der zehn Jahre vor ihm Genuas
Palastarchitektur studierte: von Peter Paul
Rubens. Furttenbach erkennt zu S. Maria in


Carignano St. Peter wieder und seine »dapffern Pillastri vnnd
liebliche cupola«. Die beiden Türme waren »mit Mertel be-
worffen, weiß, schwarz und rot glantzig gemacht,« d. h. nach
Art des Stuckmarmors behandelt. Es war also die heutige,
dieses farbigen Schmuckes entbehrende Fassade damals noch
nicht vollendet. Auch eine von den Säulen am Chor der
Jesuitenkirche S. Ambrosio sah Furttenbach noch in einer
Barke herbeibringen. S. Siro war damals »kürtzlich von newen
erbawen worden«.
Die Komödien, die Sepulturae Santae, die hier und dort
in den Kirchen aufgerichtet wurden, die Feste, die Vorgänge
im Hafen und auf der See beobachtete unser Reisender mit
scharfem Auge. Er wanderte auch vor die Tore Genuas,
bewunderte den Palazzo Doria mit seiner herrlichen Einrichtung
und dem köstlichen Garten, ging weiter nach S. Pier d’Arena
zur Villa Imperiali, deren gemalte Fassade er nach »bester
Architectura alla moderna« findet; Park und Grotten durch-
wandelt er mit Entzücken. Oder er stieg vor Porta Sta. Cata-
rina den Berg hinauf zur Villa Pallavicini, die er »alla Romana«
erbaut nennt: Überall erweist er sich als ein aufmerksamer
und wohlunterrichteter Fachmann, dessen Urteil in der Kunst-
geschichte Berücksichtigung verdient.
Den Weg von Genua über Turin nach Mailand scheint
Furttenbach eilig zurückgelegt zu haben. S. Germiano fand
er in Trümmern und nur mit Mühe Menschen darin, die ihn
beherbergten; Vercelli war kaum minder verwüstet. Weiter
ging’s nach Brescia und Mantua, wo dem Palazzo, »der The
genant« ein kurzer Besuch gewidmet wird. Das Echo in
der Sala dei Giganti ist das Wichtigste, was dem deutschen
Meister hier auffällt, wie neben dem »gar großen wolgemahlten
Saal« im Palazzo Ducale die Einhörner, Meerrösser und Miß-
geburten der Galleria della Grotta. Dagegen bewundert er in
Verona das Amphitheater und den Giardino Giusti mit seinen
schon damals, also vor 290 Jahren, 90 Schuh hohen, heute
noch berühmten Zypressen, ferner in Vicenza des Palladio
»trefflich schon nach Prospectivischer Art« erbautes Theater
und das »wolerbawte Rahthauß«, in Padua S. Giustina mit
ihren vier Kuppeln. In Venedig erst macht er wieder
längern Halt.
Zum Arsenal mit seinen in der Schlacht bei Lepanto (1571)
sieggekrönten Galeeren, die zum Andenken aufbewahrt wurden,
seinen Werkstätten und Magazinen ist sein erster Weg. All
die berühmten Bauwerke der Königin der Adria zählt er auf.

Aber sein Bericht ist kurz und einsilbig. Es scheint ihn nach
der Heimat gedrängt zu haben. Über Trient, Bozen und
Innsbruck kehrt er nach seiner Heimat Leutkirch zurück.
Er kam in ein Vaterland, das vom blutigen Kriege furcht-
bar verwüstet war. Vergeblich hoffte er sein Leben lang,
was er im Süden erlernt, der deutschen Kunst zum Heile
zu verwerten. Es ist kein größerer Bau bekannt, den er aus-
geführt hat. Der brudermörderische Kampf hinderte jedes
höhere Schaffen.
Freilich war Furttenbach in den zehn Jahren, die er in
Italien zubrachte, noch lange kein Künstler nach Art der
italienischen Meister geworden. Seine Zeichnung ist unbe-
holfen, seine Entwürfe nicht minder. Er hatte nicht gelernt
Handwerk von Kunst zu unterscheiden und sah auch überall
selbst in den mächtigsten Werken stets das Kleine: Der Hund
des Andrea Doria, der 500 Kronen Einkommen und zwei
Sklaven zur Bedienung hatte, beschäftigte seinen Geist mehr
als die herrlichsten Gemälde; die Muscheln, die zu den vor
allem bewunderten Grotten verwendet wurden, mehr als die
ausgezeichnetsten Bildwerke; die kunstvollen Tische, das Ge-
schirr oder die Tapezereien mehr als die Gesamtanlage des
Baues. Er hat sich später selbst in Ulm ein Heim angelegt,
das er in einem eigenen Buche schilderte; da wimmelt es von
allerlei Merkwürdigkeiten und Kunststücken. Aber die Archi-
tektur blieb ganz handwerksmäßig. Nur wenig von jenen
Formen, die in Florenz, Rom und Genua so mächtig auf ihn
einwirkten, wußte er auf die deutsche Heimat, auf das eigene
Haus zu übertragen.
Noch war Deutschland in der deutschen Renaissance be-
fangen, groß in allem Kleinen, klein im Großen.


Entwürfe für das Schillertheater in
Charlottenburg.
Die Stadt Charlottenburg hatte im vorigen Jahre unter den Architekten
Geh. Baurat Otto March und Reinhardt & Süßenguth in Charlottenburg,
H. Seeling und A. Sturmhoevel in Berlin, Heilmann & Littmann in München
und Fellner & Helmer in Wien einen engen Wettbewerb zur Erlangung
von Vorentwürfen für ein Schillertheater ausgeschrieben. Das Theater ist
für ein Unternehmen bestimmt, das in Form einer Aktiengesellschaft sich
die Aufführung guter volkstümlicher Stücke, unter denen die Klassiker be-
sonders gepflegt werden, zu billigen Preisen zur Aufgabe gemacht hat,

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