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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 12
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Pfeifer, Hermann: Stimmungswerte der Dachformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0102

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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 12

□□

Sparrengesims aus Florenz.


dem flachen Dach


in

(15) Vom Kobolzeller Tor in Rothenburg o. T.

/
/

sarde) kann erreicht werden durch einen
des Polygonzuges von Wand, unteren und oberen Sparren,
ferner durch einheitliche Behandlung mit Aufschieblingen
(Abb. 15) und schließlich durch einheitliche Eindeckungsart,
sei es, daß alle Flächen, Grat- und Firstlinien und selbst die
Kehlen mit Ziegeln eingedeckt werden, oder daß eine andre
Deckung einheitlich durchgeführt wird.
Im allgemeinen ist es von Vorteil für die Stileinheit eines
reicher gegliederten Baues, wenn nicht allzu verschiedenartige
Dachneigungen nebeneinander gesetzt werden, wenn also die

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fu/i, oCiA
WA , W&tx

steilen Daches
(vergl. Abb. 17:
»Prälatenhaus
Buchau am
Achensee«).
Das gesetz-
mäßige Zusam-
menfassen von
steiler und etwas
flacherer Dach-
neigung (Man-
einheitlichen Verlauf

demselben System
trägt die fast ausnahmslos

rechten Wand zu dem etwas geneigten Dach¬
vorsprung häufig ein Gesims zwischenge¬
schoben, welches manchmal aber nur durch
einen gemalten Fries ersetzt wird.
Man vergleiche ferner die großzügigen
Überführungen zu den weiten Ausladungen
des flachen Schweizer und Tiroler Daches
durch Galerieen (Lauben), Konsolen im Block¬
bau etc. Die steilere Neigung AB in dem
Mansardendach ABCDE (Abb. 13) führt stetig
von der Vorderwand zu der etwas flacheren
Neigung BC und von da zu der Rückwand
des Hauses über und läßt den Beschauer N
aus der Firstlage C auf die ganze Gebäude-
tiefe AE schließen, wie dies auch bei dem
einfachen Satteldach der Fall ist: günstige
harmonische Verbindung der steilen und
flachen Neigung (vergl. auch Abb. 15).
Über der steilen Neigung des »Sarg¬
daches« ABCD (Abb. 14) bewirkt die plötz¬
lich fast horizontal zurückspringende Platt¬
form BC den Eindruck des Abgehackten und
läßt zudem die Gebäudetiefe AD viel ge¬
ringer, etwa nur wie AD', vermuten, schwächt
also den Größeneindruck des Gebäudes ab.
Demnach ungünstige unharmonische Zu¬
sammenstellung von steiler und flacher Nei¬
gung. Die Ähnlichkeit dieser Dachform mit
einem Sargdeckel trägt nicht gerade zur Er¬
zielung einer wohnlichen Stimmung bei.
Eine unharmonische, unorganische Ver¬
bindung von flachem und steilem Dach zeigt
Abbildung 16a. Breite Eichenkrone und
schlanker Tannenwipfel wachsen nicht zu¬
sammen auf einem Stamm.
Ebenso widerspricht ein steiler Giebel
(Abb. 16b und 4). Er wirkt kulissenhaft unecht, ja unstabil,
weil ihm die versteifende Rücklage mangelt; der reichste Schmuck
kann da nicht mehr helfen, im Gegenteil!
Ein steiler Giebel ist eben naturgemäß der Ausdruck eines
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einzelnen Bauteile gewissermaßen
kristallisiert sind. In Toskana z. B.
durchgeführte Dachneigung von 1 : 3 nicht unwesentlich bei
zu der harmonischen Eigenart der dortigen Stadtbilder (vergl.
Abb. 18).
Doch können auch verschiedene Dachneigungen durch
gewisse Gesetzmäßigkeiten einheitlich zusammengestimmt
werden; z. B. durch ein ähnliches Verhältnis von Dachhöhe
zu Wandhöhe (vergl. Abb. 19 a: »Motiv von Schloß Avenches
[Schweiz]»), wo dem höheren schlanken Treppenturm das höhere
schlanke Helmdach, dem breiteren Hauptbau das flachere Haupt-
dach entspricht, während bei Abbildung 19 b das Verhältnis von
Hauptdach und Hauptbau in dem Erkerdach und Erker wiederklingt.
In der Gruppe Abbildung 19c erscheint die Zusammen-
fassung des Grund¬
risses bei reicher
Dachgliederung be¬
sonders gelungen.
Nicht minder be¬
deutungsvoll als das
Zusammenstimmen
verschiedener Dach¬
neigungen ist das
innige Verknüpfen
des noch stärkeren
Gegensatzes von
Wand und Dach. Wir
besitzen außer der
Vermittlung durch
das Hauptgesims
(siehe oben Abb. 12 a)
noch andre wirkungs¬
volle Bindemittel,
z. B. das Ineinander¬
greifenlassen von
Wand- und Dach¬
fläche.





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