Das kleinere Nordportal des Bratislavaer/Preßburger Doms und seine plastische
Ausschmückung
Das Portal befindet sich etwa in der Mitte der nördlichen
Seitenschiffswand, östlich vom heutigen gotischen Hauptportal. Von
außen ist es schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts durch die
nachträglich angebaute St. Annenkapelle verdeckt. Der außerordent-
liche kunsthistorische Wert des Portals wird durch den Umstand
verstärkt, daß es noch aus der anfänglichen, nicht völlig geklärten
Phase des Umbaus der Bratislavaer/Preßburger Hauptkirche zur
Halle stammt. Die hohen künstlerischen Qualitäten des nordöstli-
chen Portals — trotz seiner kleineren Maßverhältnisse — betreffen
sowohl seinen edlen architektonischen Rahmen wie auch sein gut
erhaltenes Tympanonrelief, das die hl. Dreifaltigkeit in derikonogra-
phischen Variante des Gnadenstuhls (Thronum gratiae) darstellt.
Der schlank proportionierte, kompakte architektonische Rahmen des
Eingangs hat ein verhältnismäßig reich profiliertes, linear gestrecktes
Hausteingewände, dessen Birnstäbe ohne Unterbrechung in den
steilen Spitzbogen laufen. Nur der mittlere Rundstab wird auf beiden
Seiten von Baldachinnischen unterbrochen, die für — allerdings nicht
erhaltene — Skulpturen bestimmt sind. Der vertikale Eindruck des
Ganzen wird von der gestreckten Form des überhöhten Tympanons
und dem abstrakt-linearen Stil seines erwähnten Reliefs gesteigert.
Das Bratislavaer/Preßburger Portal ist wahrscheinlich das älteste
erhaltene Beispiel des kathedralen Portaltyps mit Gewändeplastiken
— wenn auch in deutlich vereinfachter Form — und das nicht nur in
der Slowakei, sondern im Rahmen des ganzen mittelalterlichen
Kontextes von Ungarn einschließlich Siebenbürgens. Die hervorra-
gende Stellung der gotischen Kunst in der Slowakei, d. h. des
ehemaligen Oberungarns, wo sich ein großer Teil der reichen
königlichen Städte des ungarischen Staates befand, dokumentieren
dann weitere ähnliche Kirchenportale, die noch an der Wende des 14.
und 15. Jahrhunderts an die schon entfernte Kathedralentradition
anknüpfen (in Hronský Beňadik, Hlohovec, Spišská Nová Ves/Zipser
Neudorf) und vor allem die herrlichen Portale des Doms und der
Franziskanerkirche in Košice/Kaschau, die einen besonderen Beitrag
zum mitteleuropäischen Kunstspektrum in der Epoche des Interna-
tionalen Stils darstellen.
Im Beitrag wird der eingebürgerte Platz der Bratislavaer/Preßbur-
ger Hallenkirche und ihres ältesten Portals infrage gestellt, der ihnen
im traditionellen Kontext der ungarischen Kunst der 2. Hälfte des 14.
Jahrhunderts von ungarischen Kunsthistorikern zugeschrieben
wurde. Das kleinere Nordportal des Bratislavaer/Preßburger Doms
und sein größerer hallenartiger Architekturrahmen wurden für sie
— ähnlich wie einige andere Artefakten in der Slowakei — vor allem
Beleg oder Argument der globalen zentralistischen Vorstellung vom
künstlerischen Bild Ungarns im 14. Jahrhundert, das auf die
etatistiche Prämisse von der Identität von Kunstgeschichte und
Staatsgeschichte begründet ist und die vermittelnde Rolle des
staatlichen Machtzentrums Buda/Ofen für das ganze Land betont.
Auch wenn man sich von dieser etatstischen Doktrin in den letzten
Jahrzehnten immer mehr befreite und allmählich die eingenständi-
gen Bindungen und unabhängigen Interaktionen der ,,Randgebiete“
mit dem breiteren mitteleuropäischen Rahmen enthüllte, das Brati-
slavaer/Preßburger Portal bleibt in der ungarischen Literatur
weiterhin Bestandteil der ungarischen Kunstsituation, die sich in der
2. Häfte bzw. Ende des 14. Jahrhunderts herausbildete.
Vor allem László Gerevich betonte die erstrangige Bedeutung des
königlichen Hofes und des höfischen Stils für das Umfeld der
ungarischen Städte, wie auch die initiatorische Priorität der Budaer/
Ofener Bauhütte bei der Aufnahme der progressiven künstlerischen
Errungenschaften aus den deutschen, österreichischen und böhmi-
schen Ländern, zu denen gemeinsam mit dem Hallenschema auch
der Rottweiler plastische Stil und später auch Komponenten der
Kunst der Parier gehören sollen. Im Zusammenhang damit gewöhnt
man sich daran das Bratislavaer/Preßburger Portal, sein Relief und
den Hallenplan des Bratislavaer/Preßburger Doms meist indirekt
— mit deren späteren Datierung und Einordung unter die Budaer/
Ofener Hauptdenkmale — vor allem dem Hallenumbau der Budaer/
Ofener Hauptkirche, der Liebfrauenkirche, und ihrem südwestlichen
Hauptportal, das mit dem Relief des Marientodes bekrönt ist,
unterzuordnen. Auch nicht der neue dezentralisierende Standpunkt
von Ernö Marosi, der das Bratislavaer/Preßburger Portal und sein
Relief nachdrücklich von den innenungarischen Bindungen löst, sie
jedoch nicht aus der chronologischen Abhängigkeit von der Budaer/
Ofener Kunst löste. Er bewahrt auch die tradierte späte Datierung
des Bratislavaer/Preßburger Hallenkonzepts wie auch der bespro-
chenen Logik von der Kulmination der innenungarischen Kunstent-
wicklung zum Ende der Regierungszeit Ludwigs d. Gr. (+1382), die
dem analogen zeitgenössischen Aufschwung in den Nachbarländern
entsprechen sollte.
Das kleinere Nordportal des Bratislavaer/Preßburger Doms gehört
jedoch mit allen seinen Bestandteilen — dem formal-stilistischen
Charakter der architektonischen Formenbildung, dem Reliefsch-
muck und seinem Pflanzendekor, mit der motivischen Absicht seiner
Ikonographie, wie auch mit den baulichen und historischen Umstän-
den seiner Enstehung — eindeutig in die nachklassische Zeit des 2.
Viertels des 14. Jahrhunderts. Gerade anhand der plastischen Szene
im Giebelfeld läßt es sich genauer an die Wende von den 30er zu den
40er Jahren bzw. in das 5. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts datieren
und es an die Seite solcher zeitgenössischen Werke stellen, die über
ganz Mitteleuropa verstreut sind, wie etwa die plastische Ausstattung
der Regensburger Domkirche, des albertinischen Hallenchors des
Wiener Doms (einschließlich der Figurenkonsolen und Gewölbe-
schlußteine), das Westportal der Minoritenkirche in Wien, die
bildhauerische Dekoration des Kapitelsaales des Franziskanerklos-
ters in Sopron/Ödenburg, Das Tympanon der Maria-Schnee-Kirche
in Prag, die Bogenfeldreliefs der Seitenschiffsportale in Schwäbisch
Gmünd, Augsburg, Eßlingen, der Gnadenstuhl des Nordwestportals
am sog. Triangel des Erfurter Doms, die ältere Stufe der plastischen
Ausstattung des Kapellenturms in Rottweil, einschließlich des
dortigen Westportals u. a.
Von der direkten Beeinflussung des Meisters des Bratislavaer/
Preßburger Gnadenstuhls — dessen individuelles künstlerisches
Erscheinungsbild mehrere mitteleuropäische Anregungen verarbei-
tete und durch eine auffallende Schärfe der Handschrift gekennzeich-
net ist — durch die zeitgenössische Holzschnitzerei zeugt die
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Ausschmückung
Das Portal befindet sich etwa in der Mitte der nördlichen
Seitenschiffswand, östlich vom heutigen gotischen Hauptportal. Von
außen ist es schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts durch die
nachträglich angebaute St. Annenkapelle verdeckt. Der außerordent-
liche kunsthistorische Wert des Portals wird durch den Umstand
verstärkt, daß es noch aus der anfänglichen, nicht völlig geklärten
Phase des Umbaus der Bratislavaer/Preßburger Hauptkirche zur
Halle stammt. Die hohen künstlerischen Qualitäten des nordöstli-
chen Portals — trotz seiner kleineren Maßverhältnisse — betreffen
sowohl seinen edlen architektonischen Rahmen wie auch sein gut
erhaltenes Tympanonrelief, das die hl. Dreifaltigkeit in derikonogra-
phischen Variante des Gnadenstuhls (Thronum gratiae) darstellt.
Der schlank proportionierte, kompakte architektonische Rahmen des
Eingangs hat ein verhältnismäßig reich profiliertes, linear gestrecktes
Hausteingewände, dessen Birnstäbe ohne Unterbrechung in den
steilen Spitzbogen laufen. Nur der mittlere Rundstab wird auf beiden
Seiten von Baldachinnischen unterbrochen, die für — allerdings nicht
erhaltene — Skulpturen bestimmt sind. Der vertikale Eindruck des
Ganzen wird von der gestreckten Form des überhöhten Tympanons
und dem abstrakt-linearen Stil seines erwähnten Reliefs gesteigert.
Das Bratislavaer/Preßburger Portal ist wahrscheinlich das älteste
erhaltene Beispiel des kathedralen Portaltyps mit Gewändeplastiken
— wenn auch in deutlich vereinfachter Form — und das nicht nur in
der Slowakei, sondern im Rahmen des ganzen mittelalterlichen
Kontextes von Ungarn einschließlich Siebenbürgens. Die hervorra-
gende Stellung der gotischen Kunst in der Slowakei, d. h. des
ehemaligen Oberungarns, wo sich ein großer Teil der reichen
königlichen Städte des ungarischen Staates befand, dokumentieren
dann weitere ähnliche Kirchenportale, die noch an der Wende des 14.
und 15. Jahrhunderts an die schon entfernte Kathedralentradition
anknüpfen (in Hronský Beňadik, Hlohovec, Spišská Nová Ves/Zipser
Neudorf) und vor allem die herrlichen Portale des Doms und der
Franziskanerkirche in Košice/Kaschau, die einen besonderen Beitrag
zum mitteleuropäischen Kunstspektrum in der Epoche des Interna-
tionalen Stils darstellen.
Im Beitrag wird der eingebürgerte Platz der Bratislavaer/Preßbur-
ger Hallenkirche und ihres ältesten Portals infrage gestellt, der ihnen
im traditionellen Kontext der ungarischen Kunst der 2. Hälfte des 14.
Jahrhunderts von ungarischen Kunsthistorikern zugeschrieben
wurde. Das kleinere Nordportal des Bratislavaer/Preßburger Doms
und sein größerer hallenartiger Architekturrahmen wurden für sie
— ähnlich wie einige andere Artefakten in der Slowakei — vor allem
Beleg oder Argument der globalen zentralistischen Vorstellung vom
künstlerischen Bild Ungarns im 14. Jahrhundert, das auf die
etatistiche Prämisse von der Identität von Kunstgeschichte und
Staatsgeschichte begründet ist und die vermittelnde Rolle des
staatlichen Machtzentrums Buda/Ofen für das ganze Land betont.
Auch wenn man sich von dieser etatstischen Doktrin in den letzten
Jahrzehnten immer mehr befreite und allmählich die eingenständi-
gen Bindungen und unabhängigen Interaktionen der ,,Randgebiete“
mit dem breiteren mitteleuropäischen Rahmen enthüllte, das Brati-
slavaer/Preßburger Portal bleibt in der ungarischen Literatur
weiterhin Bestandteil der ungarischen Kunstsituation, die sich in der
2. Häfte bzw. Ende des 14. Jahrhunderts herausbildete.
Vor allem László Gerevich betonte die erstrangige Bedeutung des
königlichen Hofes und des höfischen Stils für das Umfeld der
ungarischen Städte, wie auch die initiatorische Priorität der Budaer/
Ofener Bauhütte bei der Aufnahme der progressiven künstlerischen
Errungenschaften aus den deutschen, österreichischen und böhmi-
schen Ländern, zu denen gemeinsam mit dem Hallenschema auch
der Rottweiler plastische Stil und später auch Komponenten der
Kunst der Parier gehören sollen. Im Zusammenhang damit gewöhnt
man sich daran das Bratislavaer/Preßburger Portal, sein Relief und
den Hallenplan des Bratislavaer/Preßburger Doms meist indirekt
— mit deren späteren Datierung und Einordung unter die Budaer/
Ofener Hauptdenkmale — vor allem dem Hallenumbau der Budaer/
Ofener Hauptkirche, der Liebfrauenkirche, und ihrem südwestlichen
Hauptportal, das mit dem Relief des Marientodes bekrönt ist,
unterzuordnen. Auch nicht der neue dezentralisierende Standpunkt
von Ernö Marosi, der das Bratislavaer/Preßburger Portal und sein
Relief nachdrücklich von den innenungarischen Bindungen löst, sie
jedoch nicht aus der chronologischen Abhängigkeit von der Budaer/
Ofener Kunst löste. Er bewahrt auch die tradierte späte Datierung
des Bratislavaer/Preßburger Hallenkonzepts wie auch der bespro-
chenen Logik von der Kulmination der innenungarischen Kunstent-
wicklung zum Ende der Regierungszeit Ludwigs d. Gr. (+1382), die
dem analogen zeitgenössischen Aufschwung in den Nachbarländern
entsprechen sollte.
Das kleinere Nordportal des Bratislavaer/Preßburger Doms gehört
jedoch mit allen seinen Bestandteilen — dem formal-stilistischen
Charakter der architektonischen Formenbildung, dem Reliefsch-
muck und seinem Pflanzendekor, mit der motivischen Absicht seiner
Ikonographie, wie auch mit den baulichen und historischen Umstän-
den seiner Enstehung — eindeutig in die nachklassische Zeit des 2.
Viertels des 14. Jahrhunderts. Gerade anhand der plastischen Szene
im Giebelfeld läßt es sich genauer an die Wende von den 30er zu den
40er Jahren bzw. in das 5. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts datieren
und es an die Seite solcher zeitgenössischen Werke stellen, die über
ganz Mitteleuropa verstreut sind, wie etwa die plastische Ausstattung
der Regensburger Domkirche, des albertinischen Hallenchors des
Wiener Doms (einschließlich der Figurenkonsolen und Gewölbe-
schlußteine), das Westportal der Minoritenkirche in Wien, die
bildhauerische Dekoration des Kapitelsaales des Franziskanerklos-
ters in Sopron/Ödenburg, Das Tympanon der Maria-Schnee-Kirche
in Prag, die Bogenfeldreliefs der Seitenschiffsportale in Schwäbisch
Gmünd, Augsburg, Eßlingen, der Gnadenstuhl des Nordwestportals
am sog. Triangel des Erfurter Doms, die ältere Stufe der plastischen
Ausstattung des Kapellenturms in Rottweil, einschließlich des
dortigen Westportals u. a.
Von der direkten Beeinflussung des Meisters des Bratislavaer/
Preßburger Gnadenstuhls — dessen individuelles künstlerisches
Erscheinungsbild mehrere mitteleuropäische Anregungen verarbei-
tete und durch eine auffallende Schärfe der Handschrift gekennzeich-
net ist — durch die zeitgenössische Holzschnitzerei zeugt die
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