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R!CHARD DOCKER
STUTTGART

Wohnen ist heute mehr denn je eingestellt auf den Zusammenhang:
mit Licht, Sonne, Luft.
Das Wohnhaus erhält daher große Fenster, dünne Pfeiler, wärmehaltende
Wände. Das Wohnzimmer meist direkten Ausgang nach dem Freien,
um einen unmittelbaren Zusammenhang, um ein Sichöffnen nach
außen zu erreichen im Gegensatz zu dem Sichabschließen gegen die
Außenwelt des alten und heutigen Wohnbegriffen ungenügenden
Hauses. Der Grundriß ist daher im Gegensatz zum bisherigen meist
ein anderer, nicht beengter, in ein Rechteck oder Quadrat gezwängter,
nach den Verhältnissen des Bauplatzes, der Zugangsrichtung, der
Ansicht der Sonne usw.
Deshalb auch nicht mehr das bisher gewohnte Aussehen einer mehr
oder weniger imposanten Äußerlichkeit mit sogenannter „Fassade"
und Mittelachse, die sich geniert, die eigentliche Benützung im Innern
nach außen zu zeigen, sondern eine äußere Erscheinung, die ohne
weiteres die Anlage und den Gebrauch des Innern nachweist.
Das zunächst Ungewohnte oder Auffallende an der neuen Auffassung
ist die Dachlosigkeit, das heißt das flache Dach im Gegensatz zum
gewohnten Steil- und Giebeldach. Es ist aber nicht so, als ob das
Flachdach das Dogma der „modernen Architektur" wäre. Im übrigen
wäre diese Form nicht neu und auch nicht erstmalig. Das Problem
Flachdach und Steildach liegt anders.
Die typische Erscheinungsform einer Architektur mit Steildach ist zum
Beispiel ein schwäbisches Giebelhaus oder ein Schwarzwaldhaus.
Der Typ des Schwarzwaldhauses besteht überhaupt in seiner äußeren
Erscheinung eigentlich nur aus Dachflächen, die auf zwei oder drei
Seiten fast bis zum Boden reichen. An und für sich ist hier das
wetterschützende Element der Dachhaut, der Dachdeckung zum Archi-
tekturmittel geworden, da in jenen Gegenden und in jenen Zeiten
der Erbauung dieser Typen ein anderes Dachdeckungsmaterial und
eine andere Konstruktionsart nicht möglich war. Die Frage Flachdach
oder Steildach ist so zu beantworten, daß zunächst die Dachdeckung
überhaupt eine Überlegung des Wetterschutzes ist und damit auch
eine Frage der Konstruktion und des Materials. Erst schöpferische
Kräfte haben aus diesen Überlegungen die Ableitung des formalen
Gestaltungswillens hergenommen. Der Einwand, der vor allem bei

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