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I. Vorbemerkung.1)
Vasari's Erzählung von der Erfindung der Oelmalerei durch die Brüder
Hubert und Jan Van Eyck wurde zwei und einhalb Jahrhunderte von der oivilisierten
Welt als richtig hingenommen; nach dieser Erzählung, welche gleichlautend von dem
niederländischen Kunstschreiber Van Mander in seinem Schilder-Boeck (Harlem 1604)
und von allen späteren Autoren wiederholt wird, hätten die Brüder Van Eyck die
Welt mit einer „neuen Art, der Oelmalerei“, in welcher ihre berühmten Werke ge-
malt waren, in Erstaunen und Begeisterung versetzt; durch ihre Erfindung sollte sich
der Umschwung in der Technik des Bildermalens vollzogen haben, und alle Verdienste
um die Fortschritte der Oelmalerei als solche wurden unbestritten den beiden Eyck
zugeschrieben.
Seit mehr als 100 Jahren bemüht sich nunmehr die Kunsthistorik, dieses
Verdienst den Brüdern Van Eyck wieder abzusprechen, wobei es natürlich an herben
Vorwürfen gegen Vasari und seine Abschreiber nicht fehlen konnte: Vasari, dessen
Vite de piu eccellenti architetti, pittori etc. im Jahre 1550 erschienen, und der selbst
zur Malerzunft gehörte, hätte sich doch besser instruieren können, bevor er der Mit-
welt ein Märchen zum besten gabp er hätte doch wissen müssen, dass lange
vor Van Eyck mit Oelfarben in Italien selbst, in Griechenland, Deutschland und Eng-
land gemalt wurde, ja er hätte sich etwas eingehender mit älteren Büchern über
Malerei wie z. B. dem des Cennini beschäftigen sollen, bevor er diese „Erfindung der
Oelmalerei“ erfand. Was ist nicht alles schon behauptet und bestritten worden, seil
Lessing in der Abhandlung „Ueber das Alter der Oelmalerei“ (1774) diese Frage aufs
Tapet brachte! Welche Reihe von hervorragenden Kunstforschern hat sich seither
bemüht, entweder teilweise, oder ganz dem Vasari Unrecht zu geben, nachdem so
unumstössliche Beweise gegen ihn vorlagen!
Aus der Handschrift des Mönches Theophilus war bereits der Gebrauch von
Oelfarbe zur Malerei im frühen Mittelalter ersichtlich; Raspe, welcher die Handschrift
des Heraclius in der Bibliothek von Cambridge entdeckte, warf den ersten Stein
gegen Vasari; und nachdem die Handschrift des Oennino Cennini in der vatican.
Bibliothek aufgefunden, die Hermeneia des Dionysios bekannt geworden, wurde es
Allen klar, dass die ganze Geschichte von der Erfindung der Oelmalerei durch Van
Eyck ein Märchen sei, welches der „Kunstschwätzer von Arezzo“' der Nachwelt
aufgebunden!
Die hier folgende Studie will versuchen, das den Brüdern Van Eyck gebüh-
rende und so sehr bestrittene Verdienst auf Grundlage der geschichtlichen und natur-
gemässen Entwicklung der Maltechnik in Verbindung mit vorgenommenen Proben
wiederzuerobern und dabei die Richtigkeit von Vasari’s Erzählung, trotz alledem, was
gegen dieselbe vorgebracht worden ist, zu bekräftigen. Es wird sich sogar aus den
hier folgenden Erörterungen der gewiss merkwürdige Umstand ergeben, dass im
Ein kurzer Bericht über das hier folgende Thema erschien in Lützow’s Zeitschrift
für bildende Kunst, Neue Folge Bd. VI Heft 8 und 9, 1895.
I. Vorbemerkung.1)
Vasari's Erzählung von der Erfindung der Oelmalerei durch die Brüder
Hubert und Jan Van Eyck wurde zwei und einhalb Jahrhunderte von der oivilisierten
Welt als richtig hingenommen; nach dieser Erzählung, welche gleichlautend von dem
niederländischen Kunstschreiber Van Mander in seinem Schilder-Boeck (Harlem 1604)
und von allen späteren Autoren wiederholt wird, hätten die Brüder Van Eyck die
Welt mit einer „neuen Art, der Oelmalerei“, in welcher ihre berühmten Werke ge-
malt waren, in Erstaunen und Begeisterung versetzt; durch ihre Erfindung sollte sich
der Umschwung in der Technik des Bildermalens vollzogen haben, und alle Verdienste
um die Fortschritte der Oelmalerei als solche wurden unbestritten den beiden Eyck
zugeschrieben.
Seit mehr als 100 Jahren bemüht sich nunmehr die Kunsthistorik, dieses
Verdienst den Brüdern Van Eyck wieder abzusprechen, wobei es natürlich an herben
Vorwürfen gegen Vasari und seine Abschreiber nicht fehlen konnte: Vasari, dessen
Vite de piu eccellenti architetti, pittori etc. im Jahre 1550 erschienen, und der selbst
zur Malerzunft gehörte, hätte sich doch besser instruieren können, bevor er der Mit-
welt ein Märchen zum besten gabp er hätte doch wissen müssen, dass lange
vor Van Eyck mit Oelfarben in Italien selbst, in Griechenland, Deutschland und Eng-
land gemalt wurde, ja er hätte sich etwas eingehender mit älteren Büchern über
Malerei wie z. B. dem des Cennini beschäftigen sollen, bevor er diese „Erfindung der
Oelmalerei“ erfand. Was ist nicht alles schon behauptet und bestritten worden, seil
Lessing in der Abhandlung „Ueber das Alter der Oelmalerei“ (1774) diese Frage aufs
Tapet brachte! Welche Reihe von hervorragenden Kunstforschern hat sich seither
bemüht, entweder teilweise, oder ganz dem Vasari Unrecht zu geben, nachdem so
unumstössliche Beweise gegen ihn vorlagen!
Aus der Handschrift des Mönches Theophilus war bereits der Gebrauch von
Oelfarbe zur Malerei im frühen Mittelalter ersichtlich; Raspe, welcher die Handschrift
des Heraclius in der Bibliothek von Cambridge entdeckte, warf den ersten Stein
gegen Vasari; und nachdem die Handschrift des Oennino Cennini in der vatican.
Bibliothek aufgefunden, die Hermeneia des Dionysios bekannt geworden, wurde es
Allen klar, dass die ganze Geschichte von der Erfindung der Oelmalerei durch Van
Eyck ein Märchen sei, welches der „Kunstschwätzer von Arezzo“' der Nachwelt
aufgebunden!
Die hier folgende Studie will versuchen, das den Brüdern Van Eyck gebüh-
rende und so sehr bestrittene Verdienst auf Grundlage der geschichtlichen und natur-
gemässen Entwicklung der Maltechnik in Verbindung mit vorgenommenen Proben
wiederzuerobern und dabei die Richtigkeit von Vasari’s Erzählung, trotz alledem, was
gegen dieselbe vorgebracht worden ist, zu bekräftigen. Es wird sich sogar aus den
hier folgenden Erörterungen der gewiss merkwürdige Umstand ergeben, dass im
Ein kurzer Bericht über das hier folgende Thema erschien in Lützow’s Zeitschrift
für bildende Kunst, Neue Folge Bd. VI Heft 8 und 9, 1895.