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DIE PATR1A KONSTANTINUPOLEOS
UND IHRE VORLÄUFER

Die Patria von Konstantinopel stehen am Endpunkt einer langen li-
terarischen Tradition, die sich in ihren Ursprüngen auf einen Sonder-
zweig der antiken Geschichtsschreibung zurückführen läßt, nämlich die
sogenannten Lokalchroniken. Ihr Hauptmerkmal ist die geographische
Beschränkung auf ein Land oder eine Stadt, deren Geschichte gesondert
abgehandelt wird1. Das Interesse der Beschreibung liegt, besonders
im Fall einer Stadt, naturgemäß auf der Gründungsgeschichte, auf der
Erklärung von Ortsnamen und der Deutung bestehender Bauten; die
Lokalchronik einer Stadt wird auf diese Weise zu einer "Archäologie
und Ethnologie, frei und ohne Regeln"2. Im deutlichen Unterschied
dazu steht trotz der ähnlichen Thematik das Enkomion, das zwar oft
auch die Gründungsgeschichte, aber sonst ohne legendenhaften Schmuck
nur die Lage, den Charakter der Bewohner und die politische Verfas-
sung der Stadt schildert. Kriterium ist dabei das abstrakt herange-
tragene Idealbild einer Stadt, mit dem die bestehende verglichen wird
und dem sie möglichst nahekommen sollte3.

Der Geschichte der Lokalchroniken nachzugehen, ist hier nicht der
Ort. Wichtig in unserem Zusammenhang ist aber die Frage, seit wann
solche Chroniken die Bezeichnung Patria tragen. Die meisten Lokal-
chroniken sind verloren gegangen, so daß wir nur einige Titel und
Fragmente aus Sekundärquellen kennen. Es spricht aber viel dafür, daß
die Bezeichnung Patria erst nachträglich in diesen Sekundärquellen mit

1 Dazu vgl. Artikel Lokalchronik. RE XIII 1083-1110 (Laqueur
1927).

2 Dagron CI 10.

3 Dagron CI 9f.; zu den Enkomien von Konstantinopel vgl. E. Fen-
ster, Laudes Constantinopolitanae. München 1968.

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