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Berliner Kunst-Herold: wirtschaftl. Zentralorgan für bildende Künstler ; offizielles Publikations-Organ des Verbandes Deutscher Illustratoren, der Bildhauer-Vereinigung von Mitgliedern des V.B.K. und der Ortsvereine der A.D.K., sowie der Freien Vereinigung der Graphiker — 11.1911

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No. 13
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122

KUNST-HEROLD

No. 13

g 1 i e d e r ; denn alle Unzufriedenheit der Künstler kommt
meist von Zurückweisungen. Andererseits ist die
Bewegung gegen die Jury in ein, zwei Jahren
im freien München mächtig geworden, ihr
strömen manch gute Namen zu. Die Aus-
stellungsräume auf der Theresienhöhe sind
schön und fassen eine Anzahl Bilder, sie haben einen gewissen
moralischen Erfolg: einen unbestrittenen Erfolg
bei der Kritik errungen. Das alles spricht
unbewußt mit und gibt der heurigen Glaspalastausstellung eine
frischere Note.
Auch bei der Genossenschaft, die immer am schwersten
von Gästen heimgesucht ist, macht sich das bemerkbar. Alte
Mitglieder sterben, der Ersatz, die Ablösung rückt vor! Und
alle Jahre geschieht dann dasselbe, was wir seit jenen ersten
retrospektiven Kunstausstellungen in Berlin und München zu
erleben gewohnt sind: man merkt erst, wie gut die Alten ge-
malt, wie viel sie gekonnt, wenn man ihre Nachlaßausstellung
sieht. Darum hat sich auch der Gegensatz zwischen Alt und
Modern sehr gemildert, er steht längst nicht mehr als solcher
im Vordergrund des Kampfes. Die Jury mag ein Werk als nicht
in den Gesamtrahmen ihrer Ausstellung passend oder als
schlecht zurückweisen; der Maler, dessen Hauptberuf nun ein-
mal die Kunst ist, fühlt sich allen anderen gleich, — er will
vors Publikum kommen, er glaubt darauf ein Recht zu haben.
Das soziale Bewußtsein hat sich geändert, das ist es. Auch
die Auffassung des Wortes „Ausstellung“. Die einen sehen
noch immer in einer Jahresausstellung eine Eliteausstellung,
die anderen wollen nur einen Kunstmarkt.
Die Stadt München hat bekanntlich 5000 Mark Zuschuß
für die juryfreie Ausstellung gewährt.

Internationale
Kunstausstellung Rom
(Von unserem P. Gr.-Mitarbeiter.)
Nachdruck verboten.
III.
Serbien und Oesterreich.
Unweit von den Häusern Rußlands und Oesterreichs, die
die Ehrenpforte flankieren, erhebt sich der serbische
Pavillon, ähnlicher einem Mausoleum, als einem heiteren
Tempel der Kunst. Auf seinem Dache stehen zwei Engel mit
seltsam zusammengeklappten Flügeln. Und gar seltsam ist
alles in diesem Hause. Eine Kunst, die zwischen barbarisch-
orientalisch-assyrisch und einem Hypermodernismus hin und
her schwankt, sich bald von der einen, bald von der anderen
Seite zeigt, oder in einem Kunstwerk beide zu vereinigen
sucht. Es ist die Kunst eines Volkes, die sich nicht langsam
und folgerichtig von Jahrhundert zu Jahrhundert entwickelt
hat, sondern das stoßweise Ausbrechen eines Kunstgefühls, das
auf keine Tradition zurückblicken kann. Der größte der
Serben, wir möchten fast sagen, der Einzige, der alles er-
drückt ist Iwan Mestrovich. Von ihm sind mehr als
hundert Werke da, die bald anziehen, bald noch öfter anwidern,
doch stets interessieren. Mit einem gewaltigen Können, und
doch wieder halb babarisch ausgedacht, verblüffen sie durch
ihre Eigentümlichkeit. Da ist des Meisters „Marco
Cragliewich“, der serbische Nationalheros, dessen Kollossal-
statue zu Pferd in der Ehrenhalle steht. Das viel zu kräftige,
«lumpe Roß mit dem zu schweren, stylisierten Schweif und
darauf der Reiter mit den brutalen Gesichtszügen und dem
Bart, der schwer wie ein Hufeisen über den geschlossenen
Mund sich sträubt. Dann in den anderen Sälen die Reihe der
Karyatiden, dit den großen düstern Augen, den üppigen

Brüsten und dem manchmal kaum angedeuteten Unterkörper,
und die entsetzlich häßliche Alte, die den abgehauenen Arm
eines Mannes betrachtet. Da und dort grinsen Teufelsfratzen
mit seltsam gebogenen Nasen und ungeheur verdickten Hinter-
köpfen. Nur weniges ist lieblich, wie z. B. der wundervoll
gemeißelte Körper eines jungen Weibes ohne Arme mit dem
Titel „Erinnerung“, der in seiner Komposition an die „Nacht"
von Michel Angelo denken läßt, und eine junge Mutter, die ihr
Kind an sich drückt.
Neben Mestrovich verschwinden die anderen, wie Simio
Roksandich, der ganz unter modernem italienischen Ein-
flüsse steht und Torna Roksandich, der auf den Spuren
von Mestrovich wandelt, vielmehr zu wandeln sucht.
Giorgio Iwanovich hat eine verschleierte Mädchenbüste
ausgestellt, die an ein antikes Vorbild gemahnt. Unter den
Malern, die in den harten, bunten Farben des Orients malen,
ist keiner besonders hervorragend. Am besten erscheint uns
Mirko R a c k i mit seinem serbnationalen Bildern, auf denen
die kräftigen, wenn auch plumpen Gestalten so lebensvoll her-
vortreten. Derselbe Künstler zeigt sich in Illustrationen zur
„Göttlichen Komödie" als ein geschickter, phantasievoller Ra-
dierer. Wir nennen noch: Lyba Ra b ich, Tommislaw
Krizma^n,, Marco Muret, Milo MarinovicH,, Peter
Poe eck, Wladimir Becich, die alle mit mehr oder weni-
ger Geschick zu den Höhen der Kunst emporstreben. Viel
ehrliches Schaffen, viel Fleiß und viel Patriotismus spricht aus
dem serbischen Pavillon ....
Nun zu Oesterreich! „Wie anders wirkt das Zeichen
auf mich ein“! Schon das weiße lustighelle Gebäude ist ein
Schritt in eine andere Welt. Und doch — merkwürdigerweise
— erinnern viele Skulpturen an das soeben verlassene serbische
Haus. Nicht umsonst hat Mestrovich in Wien studiert, aber
er hat das Gelenk mit seiner primitiven Barbarei und seiner
nationalen Eigentüumlichkeit durchsetzt. Hier wirkt alles
schon europäischer. Die Säle mit den sauberen Steinfließen
sind alle so hell und freundlich, daß uns ein Gefühl des Be-
hagens überkommt. Am interessantesten sind, um gleich die
beiden Clous der Ausstellung zu nennen, W a 1 d m ü 11 e r und
Klimt. W a 1 d m ü 11 e r, der Vertreter der ver-
gangenen, guten alten Zeit, die mit liebevollen Augen, sanft
und zart, Natur und Menschen ansah und auf der Leinwand
wiedergab. In dem in Biedermeier Styl eingerichteten Zimmer,
das Waldmüller gewidmet ist, finden wir einige seiner schönen,
innigen Landschaften. Dann seine entzückenden Genrebilder,
wie „Hochzeit in Pretolsdorf“, „Kinder vor der Fronleichnams-
prozession“, die feinen Portraits, unter denen uns besonders
Kaiser Franz Joseph als schöner junger Mann am meisten
fesselt. Ein Zimmer so recht zu ästhetischem Genüsse.
Nebenan sind die Polen, die manches interessante bie-
ten. Da ist ein Bild „Frühjahr 1813 in Rußland“ mit ernst
vorüberschreitenden, das Kreuz schlagenden Kosaken, auf dem
Boden der Kosakenleichen der großen Armee, die der russische
Winter mit Schnee und Eis bedeckt und nun die Frühlings-
sonne ausgegraben hat. Das ist ein Bild von Kosak. Der
graue Ton des Himmels und die düstre Landschaft sind sehr
stimmungsvoll. Dann ein Blumenstück: Weiße Rosen von
W i c z o 1 k o w s k i mit dem mattblauen Hintergründe und der
irisierenden bläulichen Vase. Wir erwähnen ferner: Stanis-
1 o w s k i s „Gut in Ladow“ und Fa lat „Hof in Debenc“.
Nun zu den Wienern, wo uns zuerst ein ausgezeich-
netes Portrait von Schattenstein auffällt. Dann eine in
der Farbe wohl etwas kühle, aber in Zeichnung und Compo-
wunderschöne feine Landschaft: „Spätherbst“ von
Kempf von Hartenkampf; Eine Campagna Romana
von B r i e s c h i wirkt mit dem tiefblauen Himmel den schwe-
ern Wolken und der ganzen Beleuchtung, wie ein altes Bild,
 
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