Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Host sr. JUnftrirte Farrrilien-Deitrrng. 2«hrg. Mz.




Ernst Flemming räusperte sich and setzte seine miß-
billigende Miene auf. Bruno aber lächelte blasirt.
„Wenn er wirklich schon einen so tiefen Eindruck
auf Dich gemacht hat, mein Kind," scherzte er, „so
war es vielleicht am besten, daß er ging, ehe ich ihn
hatte über den Hänfen schießen müssen. Uebrigens
thut es auch mir aufrichtig leid, daß nur ihn schon so
bald verloren haben. Er war am Ende doch ein echter
Kavalier, und es ließ sich recht nett mit ihm plaudern."
Hertha sagte kein Wort: aber ihre Augen hingen
mit ängstlich forschendem Blick an dem unbeweglichen
Gesicht des Verlobten, wie wenn sie in seinen Zügen
eine Antwort zu finden hoffte ans die bange Frage,
die sie im Beisein der Anderen doch nicht aussprechen
durfte. Und sie mußte in dieser ruhig ernsten Miene
wohl nicht zu lesen vermocht haben, was sie suchte,
denn als sie eine halbe Stunde später dem Assessor,
der abseits von den klebrigen am Fenster lehnte, die
Tasse mit Kaffee reichte, sagte sie flüsternd: „Du bist
nicht aufrichtig gewesen, als Du von der Abreise Hers-
dorffs sprachst. Er befindet sich noch hier
— nicht wahr?"
„Wenn er sein Wort gehalten hat —
nein! Er versprach mir, schon nm ein Uhr
die Stadt zu verlassen."
Sie sah ihn an, und ihre feinen Nasen-
flügel bebten. Es kostete sie ersichtlich einen
schweren Kampf, die Frage auszusprechen,
welche ihr noch auf dem Herzen lag: aber
endlich sagte sie doch: „Und damit - damit
war die Angelegenheit zwischen euch ab?
gethan? Du wirst Hersdorff nicht folgen,
und er wird nicht hierher zurnckkehren?"
„Gewiß nicht! Nachdem er aus meinem
Munde erfahren hat, daß Du mir nichts
verschwiegen, wird er es sicherlich nicht
wagen, jemals wieder Deinen Weg zu
kreuzen oder den meinigen."
„Und nur um die Erlangung dieser
Gewißheit war es Dir zu thun, als Du
ihn aufsuchtest? Oder hat Hersdorff sich
etwa geweigert, Dir Genugthuung zu geben?"
„Welche Genugthuung hätte ich ver-
nünftigerweise sonst noch von ihm ver-
langen können? Ist er dein: im Besitz
eines Zaubermittels, durch welches Ge-
schehenes ungeschehen gemachtwerden kann?"
Hertha antwortete ihm nicht sogleich:
aber es war, als ob ihre schönen Züge
plötzlich zu einem Ausdruck schmerzlich her-
ber Enttäuschung erstarrt seien. Stumm
blickte sie an ihrem Verlobten vorbei zum
Fenster hinaus, und Minuten waren ver-
gangen, ehe sie mit merkwürdig veränderter,
gepreßt klingender Stimme sagte: „Du
hättest mir nicht gerade heute die Geschichte
von dein lächerlichen Ausgang Deines ersten
Zweikampfes erzählen sollen, Werner! Ich
fürchte, daß mich die Erinnerung daran
nun bis in alle Zukunft verfolgen wird."
„Und was ist es, das Dir diese Erinne-
rung zu einer so peinlichen machen könnte?"
fragte er ernst. „Ich selber habe mich bis

vor Afrikareiscnde Di-. Kranz Stutztmann. (S. 526)

erklärte

Vom Wege verirrt.
Roman
von
Lothar BrenkendorL
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)
ch befinde mich Dir gegenüber zu sehr im
Nachtheil," fuhr Hersdorff fort, „und ich
halte Dich trotz Deiner eben bekundeten
Abneigung gegen gewisse Gebräuche doch
noch für zu ritterlich veranlagt, als daß Du
/f" eine solche Situation ungroßmüthig miß-
-Z-H brauchen könntest."
o „Dein empfindliches Ehrgefühl hat von
solchem Mißbrauch nichts mehr zu fürchten," erklärte
Werner ruhig. „Was ich Dir zu sagen
hotte, hast Du gehört, und es erübrigt mir
Mr noch, Dich zu fragen, wie Du Dich
weiter zu verhalten gedenkst. Es ist selbst-
s'orständlich, daß bei künftigen Begegnungen
Mbst die rein äußerlichen Formen einer
Mrhandenen Bekanntschaft zwischen uns in
Wegfall kommen müssen, und daß ich keine
Veranlassung haben würde, die Ursache zu
verschweigen, wenn etwa diese Veränderung
stbend Jemandes Aufmerksamkeit erregen
lollte."
. Um Hersdorff's Lippen zuckte es wie-
der spöttisch. „Natürlich werde ich Dich
?er unangenehmen Nothwendigkeit über¬
eben, den Leuten zu erzählen, in eine wie
Male Zwangslage Dich Deine duellfeind-
?chen Grundsätze mir gegenüber gebracht
eben. Ich werde zum Glück durch nichts
diesem Nest zurückgehalten, und in einer
stunde schon kann ich weiter reisen. Deine
Zugehörigen werden nur ja wohl den Ab-
schiedsbesuch erlassen, den ich ihnen nach
strengen Gesetzen der Höflichkeit eigent-
"ch schuldig untre."
„Ich habe also Dein Wort, daß Du
'och heute reisen wirst?"
E „Mein Wort darauf! Und da wir uns
»ml Voraussicht nach nun doch zum letzten
Male in diesem Leben so gegenüberstehen,
soll es mir auch nicht darauf ankom-
Ao», Dir zu sagen, Werner, daß nur die
, Munheit vom gestrigen Abend, an der
->obl nur der verdammte Rheinwein vom
?Zlsenkeller schuld war, rechtschaffen leid
Mt. — und damit Gott befohlen!"
Zstdieu!"
r: Für ein paar Sekunden noch sahen
O einander stumm in die Augen, dann
Mdte der Assessor sich zum Gehen.
--Eine verfluchte Geschichte!" wetterte
fW'Morff vor sich hin, als die Thür hinter
"0>n ehemaligen Freund zngefallen war.

„Der Himmel bewahre mich davor, noch einmal in
solche Lage zu kommen: denn man weiß da schließlich
wahrhaftig nicht, ob man der Sieger oder der Bla-
mirt.e ist."
-i-
-l-
Bei dem Mittagessen im Hause des Bankiers, an
welchem auch heute Bruno Flemming und seine schöne
junge Frau theilnnhmen, sagte Werner plötzlich: „Erwin
v. Hersdorff laßt sich euch empfehlen. Er ist durch einen
unvorhergesehenen Umstand genöthigt worden, schon
heute Vormittag wieder abzureisen."
Ein lauter Ausruf des Bedauerns aus Frau Ale-
xandra's Munde war die nächste Antwort auf diese
überraschende Neuigkeit.
„Welch" eine Enttäuschung!" sagte sie. „Und ich
hatte mich so darauf gefreut, ihn an einem der nächsten
Tage ganz für uns in Beschlag zu nehmen. Die Ein-
ladung liegt fix und fertig daheim auf meinem Schreib-
tisch. Er ist ein so reizender Gesellschafter und ein so
wunderschöner Mann."
 
Annotationen