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M 27. Allnf^r lirie Fnmickien-Deitirnr;. Zahrg. M3


Vom Wege verirrt.
Roman
Lothar Vrrnkrndvrf.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)
Geste» Kapitel'.
uf dem Boulevard des Anglais in Nizza
war es, wo an einem sonnigen Winter-
tage eine junge Dame in sehr elegantem,
doch etwas auffälligem Anzuge, die in Be-
gleitung eines reizenden Bologneserhünd-
chens längs des herrlichen Strandes pro-
menirte, plötzlich mit einen: lauten Aus-
ruf freudiger Ueberraschung stehen blieb.
Zwei in tiefe Trauer gekleidete Frauengestalten hatten
ihre Aufmerksamkeit erregt, und nun ging sie mit
einigen raschen Schritten auf die jüngere der Beiden,
die durch den lang herabwallenden schwarzen Schleier
als eine trauernde Wittwe gekennzeichnet wurde, zu,
ihr schon aus einiger Entfernung das fein behandschuhte
Händchen entgegenstreckend.
„Welch' eine Ueberraschung!" rief sie aus. „Darf
ich meinen Augen trauen? Bist Du es denn wirklich,
meine theuere, einzige Hertha?"
Betroffen blickte die Angeredete auf, und wenn sie
auch die dargebotene Hand annahm, so war es doch
keineswegs ein Ausdruck von Freude, der in: Augenblick
des Erkennens auf ihrem blassen Gesicht erschien.
„Alerandra — Du?" sagte sie. „Das ist in der
That eine unerwartete Begegnung. Hoffentlich geschieht
cs nur des Vergnügens halber, daß Du Dich hier in
Nizza aufhältst?"
„Sowohl um des Vergnügens, als um der Erholung
nullen," plauderte die junge Frau munter, indem sie an
Hertha's Seite weiter ging. „Die Aerzte riethen mir zu
einem Winteraufenthalt an der Riviera, weil meine
Gesundheit durch die Aufregungen und Strapazen mei-
nes Prozesses ein wenig erschüttert ist."
„Deines Prozesses? Das ist doch wohl nur ein
Scherz! Von welcher Art tonnte ein Prozeß gewesen
sein, welchen Du hättest führen müssen?"
„O, von einer sehr unangenehmen Art, mein
Herz! Denn ein wie köstliches Gut auch immer die
Freiheit sein mag, so gehört es doch keineswegs zu den
Freuden des Lebens, sie auf den: Wege eines Schei-
dungsprozesses erkämpfen zu müssen."
„Wie? Du hättest Dich von Deinem Gatten scheiden
lassen? Aber das ist ja ganz unmöglich! Welche Ver-
anlassung hättest Du gehabt, Dich von Bruno Flemming
zu trennen?"
„O, ich denke doch, gerade Dir sollte cs nicht allzu
schwer fallen, die Gründe dafür zu errathen. Aber ich
weiß uicht, liebe Hertha —"
Sie warf einen bezeichnenden Blick auf die Begleiterin
der jungen Wittwe, und nachdem sie aus den Worten,
mit welchen Hertha ihr darauf hin Frau v. Haller
vorstellte, geschlossen hatte, daß es sich nur um eine



Cin seltenes Vergnügen.
Originalzeichnung von A. Brunner. (S. t>46)
 
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