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heft 15.


Jahrg. 1896.


Der Fund am Strande.

Roman

von

H. Roſenthal Bonin.

Fortſetzung)

Nachdruck verboten)

lieſer Laarſen iſt ein ſchlechter Menſch, viel-
leicht ſogar ein Verbrecher, und ich mag
ſeinen Namen nicht mehr
in den Mund nehmen,“ er-
wiederte Miß Johny dumpf.

Maria Ribera verbarg

mit Mühe ein leiſes Lächeln.
Sie hatte ſchon mehrmals ähnliche Aeu-
ßerungen hinſichtlich der Ideale Clariſſa's
gehört, nur waͤren jene nicht von einem
ſo tragiſchen Ausdruck begleitet wie dieſe.

„Iſt er in New-ork zurückgeblie-
ben?“frug Maria weiter, eingedenk ihres
Verſprechens, das ſie der Wittwe Gehren
gegeben hatte.

„Nein, er iſt fortgereist; wohin, das
weiß ich nicht. Ich bitte Dich, wir wollen
über dies Thema nicht mehr reden,“ er-
klärte Miß Johny kurz-

„Nur noch eine Frage. Du haſt
keine Ahnung, wohin er gegangen iſt?“

Miß Johny ſah ihre Freundin mit
einem ſchaͤrfen, ſpitzen Blick an. „Was
geht Dich dieſer Menſch an?“ verſetzte
ſie übelgelaunt. „Ich habe keine Ahnung,
will auch gar keine mehr haben. Aber
Du haſt ja noch das Bild dieſes Man-
nes, das ich Dir geſchickt habe. Gib es
mir zurück, ich brauche es.“

Maria hatte die Zeichnung mitgenom-
men, ſie fürchtete jedoch, daß Clariſſa das
Bild vernichten würde, und da die Zeich-
nung eine eigenthümliche Anziehungs-
kraft auf ſie ausübte, ſo bequemte ſie
ſich zu der Nothlüge, daß ſie das Bild-
chen leider auf der Inſel bei ihrer
Wirthin zurückgelaſſen habe.

Miß Johny und ihre Freundin ſtell-
ten ſich ſchon am nächſten Tage dem
Pariſer Theilhaber der Fabrik, welcher
zugleich Direktor war, vor, und began-
nen ihre Thätigkeit. Sowohl Miß
Johny's Kunſtfertigkeit und Talent im
Erfinden neuer Muſter, wie auch Ma-
rials Goldſtickereien wurden bewundert,
und die beiden Freundinnen hatten eine
angenehme, einträgliche Stellung.

Die beiden Mädchen lebten ſehr zu-
rückgezogen, beinahe völlig abgeſchloſſen
von jedem Verkehr, ſie ſpeisten Mittags
in einer der billigen Speiſewirthſchaften,
unternahmen in ihren freien Stunden

Spaziergänge nach den Parkanlagen und trennten ſich
ſelten. Nur in einem Punkte ſtimmte ihr Geſchmack
nicht überein Maria Ribera fand großes Vergnügen
daran, die Gemäldegallerie zu ſehen, ſie ging öfters in
den Louvxe. Miß Johny begleitete ſie nicht dorthin.

„Ich kann da nichts lernen,“ erklärte ſie. „Die un-
geheure Zahl dieſer Kunſtſchätze und Antiquitäten ver-
wirrt und ermüdet mich. Geh Du nur allein, wenn
Du Luſt haſt.“

Maria Ribera durchwanderte deshalb nicht ſelten
allein die Muſeen des Louvre und ſtudirte, den Katalog
in dex Hand, nach Herzensluſt. Sie ward vertraut


verſtohlen den jungen und alten Künſtlern zu, welche
dort Gemälde kopirten.

Eines Tages trat ſie auch leiſe an die Staffelei eines
jungen Mannes, der einen Kopf des berühmten ſpaniſchen
Malers Velasquez kopirte. Da wandte der Maler den
Kopf, und Maria ſchaute erſchreckt in das Geſicht des
Peter Laaxrſen. Das war er unzweifelhaft, das konnte
keine täuſchende Aehnlichkeit ſein, dieſe Stirn, dieſe feine,
ſteil abwärts gehende Naſe, dieſe Augen und laͤngen
Haare, das ſeltſame Kinn, der Mund — da ſtand der
Mann vor ihr, den ihre Freundin liebte, nur viel
ſchöner als auf der Zeichnung, in voller Lebenskraft und
Jugendblüthe. Ein Strom heißen Blutes wallte ihr

zum Herzen. Es wurde ihr ganz ſon-
derbar zu Muthe.

Photographieverlag von Hanfstäng!’s

Zech. Nach einem Gemälde von B. Genzmer. (S. 358)


Der junge Mann verbeugte ſich.
„Gefällt Ihnen die Kopie?“ fragte er.

„Sehr, ſehr,“ ſtotterte Maria in eng-
liſcher Sprache, über und über erröthend.
„Ich halte die Kopie für ſo ſchön, wie
das Original.“

„O, das iſt ſie nicht,“ erwiederte
lächelnd, nun ebenfalls engliſch, der
Künſtler. „Es iſt nur eine Skudie, man
muß eben erſt lernen.“

Es fiel Klaus — denn er war es —
auf, daß die Dame ihn ſo ſonderbar
anſah, ſo prüfend, nachdenklich. Sie kam
ihm auch bekannt vor, die gebogene Naſe,
die reine Stirn, das Oval des Geſichtes
erinnexten ihn an Jemand; er haite je-
doch hier in Paris und in New-örk
ſo viel hübſche Damen aller Nationali-
täten geſehen, daß ein ähnlicher Typus
ihm wohl ſchon begegnet ſein mochte.

Da die Dame bei der Betrachtung
ſeinerſeits unruhig wurde, ſo verbeugte
ſich Klaus und kehrte zu ſeiner Arbeit
zurück. Maria Ribera ging weiter.

Sie athmete ſchwer und hielt den
Blick zu Boden geſenkt, ſie ſah heute
kein Bild mehr an, ſie wandelte mechaniſch
durch die Säle und dachte nach.

„Was iſt das für ein Menſch,“
ſann ſie. „Ich habe gar nicht gealaubt, -
daß es ſolche Menſchen gebe, fo ſtolz
in der Haltung, mit dieſeni Feuer in den
Augen und einem Munde, ſo lieblich,
wie bei einem Kinde. Wie er lachte

und mit welchem Ernſt er ſagte: man
muß eben erſt lernen! Das wird ein-
mal ein großer Künſtler, wenn er das
nicht ſchon iſt. Jetzt muß ich der Wittwe
Gehren ſchreiben, daß ich ihren Verwand-
ten entdeckt habe, und ſollte es auch
Clariſſa ſagen. Doch nein, das werde
ich Clariſſa nicht ſagen,“ warf ſie ſich
ſofort ein, „die. Beiden ſind verfeindet,
die Johny ſcheint ihn faſt zu haſſen.“

Sie hatte auch eine eigenthümliche
Scheu, der Wittwe Gehren von dem
Manne zu berichten, eine Scheu, ſeinen
Namen vor einer Anderen zu nennen,
 
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