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einen Hellen Körper, und sofort krachen aus den Repetier-
büchsen nacheinander sieben Schüsse. Noch eine Weile warten
die beiden. Alles bleibt still. Trotzdem trauen sie sich nicht
den Schuppen zu verlassen, bis plötzlich des Arabers jammernde
Stimme draußen laut wird.
„Mein Esel, mein armes Eselchen, tot — tot! Und gerade
der wertvollste ist's! Der, den der Löwe gestern zerrissen hat,
war ja keine dreißig Rupien wert!"
Kleinlaut schlichen die kühnen Jäger aus ihrem Versteck
hervor, um die „Beute" zu besichtigen. Wahrhaftig — fünf
Kugeln hatten das hellgraue Langohr niedergestreckt. Was
blieb ihnen da anderes übrig als den Beutel zu ziehen und dem
Alten den Schaden mit zweihundert Rupien, die der Esel wert
gewesen sein sollte, zu ersetzen.
Erst ein halbes Jahr später erfuhren die Herren, die ihr
Abenteuer natürlich verschwiegen hatten, zufällig im Deutschen
Klub in Daressalam, daß sie nicht die einzigen Neulinge waren,
die der Araber, der das Löwengebrüll vorzüglich nachzuahmen
verstand und dessen besonders zu dem Zweck angekausten Grau-
tiere keine dreißig Rupien kosteten, auf diese Weise gelckmt
Napoleon als Mörder. — Im Jahre 1812 sammelten sich
in Erfurt zwanzig Regimenter Kavallerie und Artillerie, um von
Napoleon gemustert zu werden, lauter schöne, stattliche Leute
nut prachtvollen Pferden. Da die Erfurter Bürger durchaus keine
Franzosenfreunde waren und aus ihren Gefühlen auch keinen
Hehl machten, so sahen nur wenige von ihnen dem militärischen
Schauspiele zu, das sich frühmorgens zwischen Erfurt, Dittelstädt
Md Melchendorf abspielte. Napoleon kam mit seinem Gefolge
im Schritt reitend durch das Krämpfertor. Er trug grüne Uniform
mit weißen Beinkleidern. Sein Gesicht war fahl, seine Augen
blickten streng. Ihm folgte der ganze Generalstab in großer
Uniform.
Die Truppen waren in länglichen Vierecken aufgestellt, deren
Front der Kaiser, jedesmal vom Obersten des betreffenden
Regiments begleitet, langsam abritt. Bei einem am äußersten
Flügel aufgestellten Artillerieregiment machte Napoleon halt
und sprach erregt mit seiner Umgebung. Hierauf ließ er drei
Mann absitzen, die Pferdedecken abnehmen und ausbreiten,
das Gepäck auspacken und einzeln wieder einpacken, worauf
sich sogar die drei Mann bis aufs Hemd entkleiden mußten.
Währenddessen wandte sich Napoleon an den vor ihm haltenden
Regimentskommandeur, ihn mit heftigen Worten anfahrend. Der
Oberst ritt einen Schritt näher heran, jedenfalls um sich zu recht-
fertigen, zog sich aber gleich daraus wieder zurück. Da riß Napoleon
Plötzlich in größter Wut seinen Degen heraus und stieß ihn dem
Offizier in die Brust, der sogleich leblos vom Pferde fiel.
Das Gefolge des Kaisers schloß sofort einen Kreis um ihn,
wodurch er den Blicken der Außenstehenden entzogen wurde.
Nach einiger Zeit ritt Napoleon wieder ruhig, als ob nichts ge-
schehen wäre, an der Spitze seines Gefolges in die Stadt zurück,
während acht Artilleristen an der Straßenböschung für ihren
ermordeten Obersten eine Bahre zurecht machten, um ihn in die
Stadt zu tragen.
Da seinerzeit die Spionenriecherei bei der französischen Ge-
waltherrschaft in höchster Blüte stand, wurde der Vorfall von den
Augenzeugen aus Furcht vor etwaigen Folgen natürlich ver-
schwiegen. Der Mord wurde nur zufällig viel später durch die
Aufzeichnungen eines Augenzeugen der Nachwelt überliefert
Md dürfte auch heute noch sehr wenig bekannt sein. A. M.
Die Vögel nnd die Elektrizität. — Für eine gewisse aus-
gleichende Gerechtigkeit in der Vogelwelt sorgen die anfänglich
als „Morddrühte" so sehr verschrienen Starkstromleitungen der
Übcrlandzentralen, die jetzt als Licht- und Kraftstromquellen
überall gebaut werden.
Zunächst ist deren Gefährlichkeit für die leichtbeschwingten
Segler der Lüfte, wie sich jetzt nach jahrelangen Beobachtungen
hcrausgestellt hat, von Tierfreunden arg übertrieben worden.
Nichts bietet Vögeln aller Art auf baumlosen Strecken einen
so lockenden Ruhepunkt als die Drähte und Stangen der über
Feld und Flur hinlaufenden elektrischen Kraftanlagen. Die
Leitungen werden aber den Vertretern des gefiederten Volkes
US vgz Luch für MIe
nur dann gefährlich, wenn diese durch Zufall den Stromkreis
schließen, also zwei Drähte gleichzeitig berühren. Dieser Fall
tritt im allgemeinen selten ein. Kleinere Vögel, also gerade
unsere beliebtesten Sänger aus Wald und Feld, fallen den
Leitungen fast nie zum Opfer, da diese Tierchen selbst mit aus-
gebreiteten Schwingen nie an zwei Drähte gleichzeitig an-
stoßen werden, und da sie außerdem die Angewohnheit haben,
sich mitten auf den leicht hin und her schaukelnden Metall-
drähten niedcrzulassen, mithin den die größte Gefahr bringen-
den Stangenköpfen mit ihren dichtstehenden Porzellanisola-
toren entgehen.
Schlechter kommen von den kleineren Vögeln schon Spechte,
Meisen und Baumläufer weg, die auf der Würmersuche gerade
an den Stangen und Isolatoren herumzuklettern Pflegen und
dabei leicht denStromkreis schließen können, was in jedem Falle
ihren sofortigen Tod zur Folge hat. Die Leichen dieser drei
letztgenannten Vogelartcn findet man daher auch häufiger
am Fuße der Stangen auf, ost mit von dem elektrischen Strom
halb verkohlten Körpern.
Um diese Tierchen zu schützen, beabsichtigen die Behörden
jetzt die Köpfe der Stangen mit feinen Drahtgeflechten zu
umgeben, was ohne bedeutende Kosten geschehen kann. Durch
diese Maßregel wäre den verrufenen Starkstromleitungen der
größte Teil ihrer verderblichen Eigenschaften für unsere Vogel-
welt genommen. Denn von den größeren Vögeln bringen
sie lediglich dem Raubgesindel der Lüste hie und da den Tod,
während zum Beispiel Wildtauben, Wildenten und -gänse,
Rebhühner usw. höchstens einmal in der Dunkelheit gegen die
Drähte anrennen werden, da sie weder diese noch die Stangen
je zum Ausruhen benützen. Und vor allzu häufigen Zusammen-
stößen mit den Drähten schützen diese Tiere ihre feinen Sinnes-
organe, die ihnen jedes Hindernis selbst in tiefster Dunkelheit
meist früh genug bemerkbar machen.
Es bleiben also in der Hauptsache die Raubvögel übrig,
deren Zahl durch die Leitungen verringert wird. Und auch
sie tötet der elektrische Strom in den weitaus meisten Fällen
nur dann, wenn sie mit einer Beute im Schnabel oder in den
Fängen die Stangen der Leitungen aufsuchen. Die Drähte
selbst vermeiden sie stets, da diese zu dünn sind, um ihnen
einen festen Halt zu bieten. Hier einige Beispiele dieser aus-
gleichenden Gerechtigkeit, die unlängst in einer landwirtschaft-
lichen Zeitung zusammengestellt waren.
„Ein Sperberweibchen," so berichtet ein Förster, „hatte
eine Holztaube nach langer Jagd abgetan und ließ sich mit
der Beute auf der Spitze einer Leitungsstange nieder. Ich
ahnte schon, was kommen würde, und nahm schleunigst mein
Glas zur Hand, um von meinem Versteck aus das weitere zu
beobachten. Ich sah, wie der Raubvogel die Taube sich handlich
zurechtlegte, um seine Mahlzeit zu beginnen. Dabei berührte
der heräbhängende Kopf der Beute plötzlich den zweiten Draht,
und wie vom Blitz getroffen fiel der Sperber, der mit dem
eigenen Schwanz gleichzeitig an den oberen Draht angestoßen
haben mußte, von seinem lustigen Sitz zur Erde."
Ein Landwirt wieder erzählt folgendes: „Ein Habicht hatte
sich mit einem Rebhuhn auf einer Stange der Starkstrom-
leitung niedergelassen. Vorsichtig schlich ich näher, um ihn
mit der Schrotbüchse herunterzuholen. Ich trat jedoch, etwa
noch sechzig Meter entfernt, auf einen Zweig, der knackend
zerbrach. Sofort wollte sich der scheue Habicht, die Beute in
den Fängen behaltend, davonmachen. Dabei berührte die
eine seiner Schwingen den oberen Draht, der matt herab-
hängende Flügel des Rebhuhns den zweiten, und augenblicklich
sanken Räuber und Beute zu Boden."
Je größer derRaubvogel und seine Beute sind, um so leichter
werden solche Fälle Vorkommen. Ein Forstmann, der jeden
Morgen die sein Revier durchziehende Leitung einer Überland-
zentrale revidierte, um festzustellen, vieviel Vögel der Elektri-
zität im Laufe einer bestimmten Zeit zum Opfer fielen, fand
in einem Monat zwei große Eulen, die am Fuße der Stange
neben toten Eichhörnchen lagen. Der versengte Schwanz
der Eichhörnchen zeigte, daß dieser den Stromkreis geschlossen
und so auch den gefiederten nächtlichen Räubern den Tod
gebracht hatte. Derselbe Forstmann teilt aus seinen Aufzeich-
nungen über die Gefährlichkeit der „Morddrähte" folgendes
mit: „Ich habe vom 1. April bis 1. Oktober 1911 die Leitung
täglich abgcsucht. Die Opfer dieses halben Jahres waren bei
einer Leitungslänge von etwa 7 Kilometern: I Meisen, 2 Spechte,
4 Habichte, 3 Eulen, 1 Sperber, 2 Eichelhäher, 2 Wildtauben,
5 Eichhörnchen, 1 Baummarder. Die Raubvögel hatte stets
nur sozusagen durch Vermittlung ihrer Beute, die ich neben
ihnen liegend fand, der Tod ereilt. Im folgenden Jahre zählte
meine Totenliste in derselben Zeit auffallenderweise bedeutend
weniger Opfer. Ich kann mir dies nur so erklären, daß die
Erfahrung die Tiere zur Vorsicht gemahnt hat und sie die
Leitungen jetzt mehr zu meiden suchen. Wir haben ja in der
Tierwelt genug Beweise dafür, daß auch Vögel und Vierfüßler
durch Schaden klug werden." W. K.
Erhält die Ehe das Leben? — „Wer ein hohes Alter er-
reichen will, muß heiraten," behauptet Doktor Jaques Bertillon
und begründet seine Behauptung mit folgenden Angaben:
„Wer verheiratet ist, hat dreimal so viel Aussicht ein langes
Leben zu führen als ein Junggeselle oder eine Jungfer. Wer
Witwer wird, soll, falls er nicht über sechzig Jahre ist, sich wieder
verheiraten. Junge Leute aber, heiratet unbedingt! Daran tut
ihr gut. Sorgt auch für die Gesundheit eurer Frau, denn ihr
Verlust wäre ein schreckliches Unglück für euch. Euer eigenes
Leben hängt von dem ihrigen ab." Den Mädchen gibt er
folgenden Rat: „Und Ihnen empfehle ich gleichfalls in Ihrem
eigenen Interesse zu heiraten, denn die Sterblichkeit unter
Ehefrauen ist bei weitem nicht so groß wie unter Jungfern des-
selben Alters — wenigstens nicht im Alter von über zwanzig
Jahren." Sodann kommt die Witwe: „Die Sterblichkeit
unter Witwen ist entschieden viel größer als unter verhei-
rateten Frauen im selben Alter. Das Witwentum ist nament-
lich jüngeren Frauen sehr gefährlich. Bei ihnen ist die Sterb-
lichkeitsziffer im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren
doppelt so groß als bei verheirateten Frauen im gleichen
Alter."
Weiter behauptet Bertillon, daß die Frauen nicht so sehr
der Männer bedürfen als die Männer der Frauen. Unter Frauen
sei die Sterblichkeitsziffer im allgemeinen geringer als unter
Männern desselben Alters und Standes. Aus welchem Grunde
aber? Der eine ist der, daß sie solider sind. Und zweifellos
führt auch aus demselben Grunde die Ehe zu Langlebigkeit.
„Verheiratete Leute führen ein regelmäßigeres Leben. Sie
werden mehr kontrolliert, so diskret diese Kontrolle auch sein
mag. Ebenso wie ihr physisches Leben, ist auch ihr moralisches
gesünder, ruhiger und natürlicher." I. C.
Schmeichelhaft. — Charles Darwin, der berühmte eng-
lische Naturforscher, hatte seine Kinderjahre in einem kleinen
Landstädtchen verbracht und konnte natürlicherweise als be-
jahrter Mann der Einladung seines Geburtsortes nicht wider-
stehen, dort einen Vortag zugunsten einer Wohlfahrtseinrich-
tung zu halten. Der Vortrag fand in dem Rathaussaale statt,
der bis auf das letzte Plätzchen gefüllt war.
Als Darwin nach Beendigung seiner Vorlesung mit den Ver-
anstaltern dieser Feier sprach, beglückwünschten die Herren den
Meister der Wissenschaft, und einer hob insbesondere die Kunst
hervor, mit der Darwin es verstanden habe, diesen schwierigen
Gegenstand der im Durchschnitte nicht gerade hochgebildeten
Zuhörerschaft verständlich zu machen.
„Ach," meinte der Gelehrte erklärend, „sehen Sie, bei solchen
Gelegenheiten blicke ich immer den Zuhörer an, der nur das am
Ivenigsten kluge Gesicht zu haben scheint. Und nun erkläre ich
dis Sache so lange und so genau, bis ich an seinen Mienen ab-
lese, daß der Mann die Sache versteht."
Einen Augenblick später trat der Bürgermeister zu dieser
Gruppe, dankte dem Gelehrten und setzte hinzu: „Sie glauben
gar nicht, welche Freude Sie insbesondere mir durch Ihren
Vortrag bereitet haben! Während Ihrer ganzen Rede hatte
ich das Gefühl, als blickten Sie nur mich an, und als sprächen
Sie nur zu mir!"
„Gewiß," sagte Darwin lächelnd, „so war es auch."
A. E.
MH. HO MA.
einen Hellen Körper, und sofort krachen aus den Repetier-
büchsen nacheinander sieben Schüsse. Noch eine Weile warten
die beiden. Alles bleibt still. Trotzdem trauen sie sich nicht
den Schuppen zu verlassen, bis plötzlich des Arabers jammernde
Stimme draußen laut wird.
„Mein Esel, mein armes Eselchen, tot — tot! Und gerade
der wertvollste ist's! Der, den der Löwe gestern zerrissen hat,
war ja keine dreißig Rupien wert!"
Kleinlaut schlichen die kühnen Jäger aus ihrem Versteck
hervor, um die „Beute" zu besichtigen. Wahrhaftig — fünf
Kugeln hatten das hellgraue Langohr niedergestreckt. Was
blieb ihnen da anderes übrig als den Beutel zu ziehen und dem
Alten den Schaden mit zweihundert Rupien, die der Esel wert
gewesen sein sollte, zu ersetzen.
Erst ein halbes Jahr später erfuhren die Herren, die ihr
Abenteuer natürlich verschwiegen hatten, zufällig im Deutschen
Klub in Daressalam, daß sie nicht die einzigen Neulinge waren,
die der Araber, der das Löwengebrüll vorzüglich nachzuahmen
verstand und dessen besonders zu dem Zweck angekausten Grau-
tiere keine dreißig Rupien kosteten, auf diese Weise gelckmt
Napoleon als Mörder. — Im Jahre 1812 sammelten sich
in Erfurt zwanzig Regimenter Kavallerie und Artillerie, um von
Napoleon gemustert zu werden, lauter schöne, stattliche Leute
nut prachtvollen Pferden. Da die Erfurter Bürger durchaus keine
Franzosenfreunde waren und aus ihren Gefühlen auch keinen
Hehl machten, so sahen nur wenige von ihnen dem militärischen
Schauspiele zu, das sich frühmorgens zwischen Erfurt, Dittelstädt
Md Melchendorf abspielte. Napoleon kam mit seinem Gefolge
im Schritt reitend durch das Krämpfertor. Er trug grüne Uniform
mit weißen Beinkleidern. Sein Gesicht war fahl, seine Augen
blickten streng. Ihm folgte der ganze Generalstab in großer
Uniform.
Die Truppen waren in länglichen Vierecken aufgestellt, deren
Front der Kaiser, jedesmal vom Obersten des betreffenden
Regiments begleitet, langsam abritt. Bei einem am äußersten
Flügel aufgestellten Artillerieregiment machte Napoleon halt
und sprach erregt mit seiner Umgebung. Hierauf ließ er drei
Mann absitzen, die Pferdedecken abnehmen und ausbreiten,
das Gepäck auspacken und einzeln wieder einpacken, worauf
sich sogar die drei Mann bis aufs Hemd entkleiden mußten.
Währenddessen wandte sich Napoleon an den vor ihm haltenden
Regimentskommandeur, ihn mit heftigen Worten anfahrend. Der
Oberst ritt einen Schritt näher heran, jedenfalls um sich zu recht-
fertigen, zog sich aber gleich daraus wieder zurück. Da riß Napoleon
Plötzlich in größter Wut seinen Degen heraus und stieß ihn dem
Offizier in die Brust, der sogleich leblos vom Pferde fiel.
Das Gefolge des Kaisers schloß sofort einen Kreis um ihn,
wodurch er den Blicken der Außenstehenden entzogen wurde.
Nach einiger Zeit ritt Napoleon wieder ruhig, als ob nichts ge-
schehen wäre, an der Spitze seines Gefolges in die Stadt zurück,
während acht Artilleristen an der Straßenböschung für ihren
ermordeten Obersten eine Bahre zurecht machten, um ihn in die
Stadt zu tragen.
Da seinerzeit die Spionenriecherei bei der französischen Ge-
waltherrschaft in höchster Blüte stand, wurde der Vorfall von den
Augenzeugen aus Furcht vor etwaigen Folgen natürlich ver-
schwiegen. Der Mord wurde nur zufällig viel später durch die
Aufzeichnungen eines Augenzeugen der Nachwelt überliefert
Md dürfte auch heute noch sehr wenig bekannt sein. A. M.
Die Vögel nnd die Elektrizität. — Für eine gewisse aus-
gleichende Gerechtigkeit in der Vogelwelt sorgen die anfänglich
als „Morddrühte" so sehr verschrienen Starkstromleitungen der
Übcrlandzentralen, die jetzt als Licht- und Kraftstromquellen
überall gebaut werden.
Zunächst ist deren Gefährlichkeit für die leichtbeschwingten
Segler der Lüfte, wie sich jetzt nach jahrelangen Beobachtungen
hcrausgestellt hat, von Tierfreunden arg übertrieben worden.
Nichts bietet Vögeln aller Art auf baumlosen Strecken einen
so lockenden Ruhepunkt als die Drähte und Stangen der über
Feld und Flur hinlaufenden elektrischen Kraftanlagen. Die
Leitungen werden aber den Vertretern des gefiederten Volkes
US vgz Luch für MIe
nur dann gefährlich, wenn diese durch Zufall den Stromkreis
schließen, also zwei Drähte gleichzeitig berühren. Dieser Fall
tritt im allgemeinen selten ein. Kleinere Vögel, also gerade
unsere beliebtesten Sänger aus Wald und Feld, fallen den
Leitungen fast nie zum Opfer, da diese Tierchen selbst mit aus-
gebreiteten Schwingen nie an zwei Drähte gleichzeitig an-
stoßen werden, und da sie außerdem die Angewohnheit haben,
sich mitten auf den leicht hin und her schaukelnden Metall-
drähten niedcrzulassen, mithin den die größte Gefahr bringen-
den Stangenköpfen mit ihren dichtstehenden Porzellanisola-
toren entgehen.
Schlechter kommen von den kleineren Vögeln schon Spechte,
Meisen und Baumläufer weg, die auf der Würmersuche gerade
an den Stangen und Isolatoren herumzuklettern Pflegen und
dabei leicht denStromkreis schließen können, was in jedem Falle
ihren sofortigen Tod zur Folge hat. Die Leichen dieser drei
letztgenannten Vogelartcn findet man daher auch häufiger
am Fuße der Stangen auf, ost mit von dem elektrischen Strom
halb verkohlten Körpern.
Um diese Tierchen zu schützen, beabsichtigen die Behörden
jetzt die Köpfe der Stangen mit feinen Drahtgeflechten zu
umgeben, was ohne bedeutende Kosten geschehen kann. Durch
diese Maßregel wäre den verrufenen Starkstromleitungen der
größte Teil ihrer verderblichen Eigenschaften für unsere Vogel-
welt genommen. Denn von den größeren Vögeln bringen
sie lediglich dem Raubgesindel der Lüste hie und da den Tod,
während zum Beispiel Wildtauben, Wildenten und -gänse,
Rebhühner usw. höchstens einmal in der Dunkelheit gegen die
Drähte anrennen werden, da sie weder diese noch die Stangen
je zum Ausruhen benützen. Und vor allzu häufigen Zusammen-
stößen mit den Drähten schützen diese Tiere ihre feinen Sinnes-
organe, die ihnen jedes Hindernis selbst in tiefster Dunkelheit
meist früh genug bemerkbar machen.
Es bleiben also in der Hauptsache die Raubvögel übrig,
deren Zahl durch die Leitungen verringert wird. Und auch
sie tötet der elektrische Strom in den weitaus meisten Fällen
nur dann, wenn sie mit einer Beute im Schnabel oder in den
Fängen die Stangen der Leitungen aufsuchen. Die Drähte
selbst vermeiden sie stets, da diese zu dünn sind, um ihnen
einen festen Halt zu bieten. Hier einige Beispiele dieser aus-
gleichenden Gerechtigkeit, die unlängst in einer landwirtschaft-
lichen Zeitung zusammengestellt waren.
„Ein Sperberweibchen," so berichtet ein Förster, „hatte
eine Holztaube nach langer Jagd abgetan und ließ sich mit
der Beute auf der Spitze einer Leitungsstange nieder. Ich
ahnte schon, was kommen würde, und nahm schleunigst mein
Glas zur Hand, um von meinem Versteck aus das weitere zu
beobachten. Ich sah, wie der Raubvogel die Taube sich handlich
zurechtlegte, um seine Mahlzeit zu beginnen. Dabei berührte
der heräbhängende Kopf der Beute plötzlich den zweiten Draht,
und wie vom Blitz getroffen fiel der Sperber, der mit dem
eigenen Schwanz gleichzeitig an den oberen Draht angestoßen
haben mußte, von seinem lustigen Sitz zur Erde."
Ein Landwirt wieder erzählt folgendes: „Ein Habicht hatte
sich mit einem Rebhuhn auf einer Stange der Starkstrom-
leitung niedergelassen. Vorsichtig schlich ich näher, um ihn
mit der Schrotbüchse herunterzuholen. Ich trat jedoch, etwa
noch sechzig Meter entfernt, auf einen Zweig, der knackend
zerbrach. Sofort wollte sich der scheue Habicht, die Beute in
den Fängen behaltend, davonmachen. Dabei berührte die
eine seiner Schwingen den oberen Draht, der matt herab-
hängende Flügel des Rebhuhns den zweiten, und augenblicklich
sanken Räuber und Beute zu Boden."
Je größer derRaubvogel und seine Beute sind, um so leichter
werden solche Fälle Vorkommen. Ein Forstmann, der jeden
Morgen die sein Revier durchziehende Leitung einer Überland-
zentrale revidierte, um festzustellen, vieviel Vögel der Elektri-
zität im Laufe einer bestimmten Zeit zum Opfer fielen, fand
in einem Monat zwei große Eulen, die am Fuße der Stange
neben toten Eichhörnchen lagen. Der versengte Schwanz
der Eichhörnchen zeigte, daß dieser den Stromkreis geschlossen
und so auch den gefiederten nächtlichen Räubern den Tod
gebracht hatte. Derselbe Forstmann teilt aus seinen Aufzeich-
nungen über die Gefährlichkeit der „Morddrähte" folgendes
mit: „Ich habe vom 1. April bis 1. Oktober 1911 die Leitung
täglich abgcsucht. Die Opfer dieses halben Jahres waren bei
einer Leitungslänge von etwa 7 Kilometern: I Meisen, 2 Spechte,
4 Habichte, 3 Eulen, 1 Sperber, 2 Eichelhäher, 2 Wildtauben,
5 Eichhörnchen, 1 Baummarder. Die Raubvögel hatte stets
nur sozusagen durch Vermittlung ihrer Beute, die ich neben
ihnen liegend fand, der Tod ereilt. Im folgenden Jahre zählte
meine Totenliste in derselben Zeit auffallenderweise bedeutend
weniger Opfer. Ich kann mir dies nur so erklären, daß die
Erfahrung die Tiere zur Vorsicht gemahnt hat und sie die
Leitungen jetzt mehr zu meiden suchen. Wir haben ja in der
Tierwelt genug Beweise dafür, daß auch Vögel und Vierfüßler
durch Schaden klug werden." W. K.
Erhält die Ehe das Leben? — „Wer ein hohes Alter er-
reichen will, muß heiraten," behauptet Doktor Jaques Bertillon
und begründet seine Behauptung mit folgenden Angaben:
„Wer verheiratet ist, hat dreimal so viel Aussicht ein langes
Leben zu führen als ein Junggeselle oder eine Jungfer. Wer
Witwer wird, soll, falls er nicht über sechzig Jahre ist, sich wieder
verheiraten. Junge Leute aber, heiratet unbedingt! Daran tut
ihr gut. Sorgt auch für die Gesundheit eurer Frau, denn ihr
Verlust wäre ein schreckliches Unglück für euch. Euer eigenes
Leben hängt von dem ihrigen ab." Den Mädchen gibt er
folgenden Rat: „Und Ihnen empfehle ich gleichfalls in Ihrem
eigenen Interesse zu heiraten, denn die Sterblichkeit unter
Ehefrauen ist bei weitem nicht so groß wie unter Jungfern des-
selben Alters — wenigstens nicht im Alter von über zwanzig
Jahren." Sodann kommt die Witwe: „Die Sterblichkeit
unter Witwen ist entschieden viel größer als unter verhei-
rateten Frauen im selben Alter. Das Witwentum ist nament-
lich jüngeren Frauen sehr gefährlich. Bei ihnen ist die Sterb-
lichkeitsziffer im Alter von zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren
doppelt so groß als bei verheirateten Frauen im gleichen
Alter."
Weiter behauptet Bertillon, daß die Frauen nicht so sehr
der Männer bedürfen als die Männer der Frauen. Unter Frauen
sei die Sterblichkeitsziffer im allgemeinen geringer als unter
Männern desselben Alters und Standes. Aus welchem Grunde
aber? Der eine ist der, daß sie solider sind. Und zweifellos
führt auch aus demselben Grunde die Ehe zu Langlebigkeit.
„Verheiratete Leute führen ein regelmäßigeres Leben. Sie
werden mehr kontrolliert, so diskret diese Kontrolle auch sein
mag. Ebenso wie ihr physisches Leben, ist auch ihr moralisches
gesünder, ruhiger und natürlicher." I. C.
Schmeichelhaft. — Charles Darwin, der berühmte eng-
lische Naturforscher, hatte seine Kinderjahre in einem kleinen
Landstädtchen verbracht und konnte natürlicherweise als be-
jahrter Mann der Einladung seines Geburtsortes nicht wider-
stehen, dort einen Vortag zugunsten einer Wohlfahrtseinrich-
tung zu halten. Der Vortrag fand in dem Rathaussaale statt,
der bis auf das letzte Plätzchen gefüllt war.
Als Darwin nach Beendigung seiner Vorlesung mit den Ver-
anstaltern dieser Feier sprach, beglückwünschten die Herren den
Meister der Wissenschaft, und einer hob insbesondere die Kunst
hervor, mit der Darwin es verstanden habe, diesen schwierigen
Gegenstand der im Durchschnitte nicht gerade hochgebildeten
Zuhörerschaft verständlich zu machen.
„Ach," meinte der Gelehrte erklärend, „sehen Sie, bei solchen
Gelegenheiten blicke ich immer den Zuhörer an, der nur das am
Ivenigsten kluge Gesicht zu haben scheint. Und nun erkläre ich
dis Sache so lange und so genau, bis ich an seinen Mienen ab-
lese, daß der Mann die Sache versteht."
Einen Augenblick später trat der Bürgermeister zu dieser
Gruppe, dankte dem Gelehrten und setzte hinzu: „Sie glauben
gar nicht, welche Freude Sie insbesondere mir durch Ihren
Vortrag bereitet haben! Während Ihrer ganzen Rede hatte
ich das Gefühl, als blickten Sie nur mich an, und als sprächen
Sie nur zu mir!"
„Gewiß," sagte Darwin lächelnd, „so war es auch."
A. E.
MH. HO MA.