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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0137
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Var Luch fülMe
Illustrierte ksmilienreitung
6. lieft. 1915.
Lmsriksn. voxxrixkt ISI« I>x vnio» Deutschs Verluxsxesellscdust, Stuttxuit.


wilde kjatz. vriginglreichnung von M. ?rost. (5. 1301

merken, daß ich Angst nm den Alten habe. Hört
Sie?"
Appel nickte heftig. „Er braucht sich nicht zu
öugstigen. Aber ich bliebe au seiner Statt hier nicht
zwei Stunden mehr. — Gehe er jetzt 'rein und frage."
Wostermann nahm dankend an. Er konnte sich
diesen Umschwung durchaus nicht erklären. Aber
er freute sich darüber. Es war ihm lieb. Also ging
er selbst hinaus und drückte Jungfer Appel ein Zwei-
groschenstück in die empfängliche Hand.
Mit diesem und was sie sonst an schlucksamen
Sachen in sich ausgenommen, eilte Appel die lange
Gasse wieder hinunter und nach Hause. Es hatte
niemand abgesagt bis auf die J-rau Pastorin, deren
siebente Zurückhaltung von allen Damen höchlich
gebilligt und als zweckentsprechend gepriesen ward.
Zehntes Kapitel.
Appels Verschwiegenheit erhielt eine kräftige
Unterstützung durch die Betriebsamkeit, die sich vor
dem Feste im Poghammerschen Hause entfaltete.
Frau Jettes Groll gegen Ludmilla Lidersang und
die Physikussin trieb für das Allgemeinwohl sehr
günstige Blüten. Das ganze Ereignis wurde auf
einen höheren Ton geschraubt, nachdem ein um-
wälzendes Reinigungsverfahren und eine sehr leb-

Vas grüne Haus.
Uoman aus der Liedermeierreit.
von öeorg Hartwig (Lrnmg koeppel).
— — (Nachdruck verdutsn.)
ch, Jungfer Appel," sagte Wasmut ver-
liebt blinzelnd, „das ist doch wie'n Lecker-
bissen, wenn so was mal ins Haus
kommt! Ich sitze hier den ganzen Tag
(I allein und muß mich mit den Mäusen

o. ... ......
Unterhalten. Manchmal "denke ich: wärst du doch
"ober in die weite Welt gelaufen. Es wird ja über-
tu Brot gebacken, Jungfer Appel."
Appels Zunge hatte die Eigentümlichkeit, den
Buchstaben ä nicht richtig aussprecheu zu können,
demgemäß sagte sie verständnisvoll: „Es muß
Läßlich fein bei dem alten Doktor."
„Ach, Jungfer Appel," erwiderte Abel sanft-
mütig, „der Alte ist es nicht! Der sollte wohl hundert
-ouhre leben, wenn's nach mir ginge. Aber der
^stnge, der Wostermann! Ach, Jungfer Appel,"
lmsterte er, ihre rot angelaufene Hand ergreifend
und in feinen langen, harten Fingern drückend,
«wenn Sie wüßte, wie bange mir manchmal ist!"
Appels runde Au-
8en zeigten so wenig
Verständnis für diese
Auw, daß Abel sich
ü)rem Ohr zuneigte.
»Immer wache ich
uuf in der Nacht und
Horche. Ach, Jungfer
Appel, was ich neulich
stbend gesehen habe!
^age Sie ja keinem
Menschen davon, aber
oenke Sie daran:
Junge haßt den
Akten."
»Schändlich!" sagte
Appel entrüstet. „Er
follte^fich schämen!"
. »Tut er aber nicht,"
f'wterte Abel leidvoll,
"l-or möchte am liebsten
Alten ganz los sein,
^uge Sie aber ja nie-
wand davon. Wenn
so 'n zuckersüßes
Milcht vor sich hat,
Jungfer Appel, da
wuft's eiuem ordent-
stch über die Zunge
Weg."
Appel schluckte diese
Schmeichelei glatt hin-
Unter. „Er meint also,
oaß._"
. »Jungfer Appel,"
fugte Wasmut kläglich,
'WM Mensch wie ich,
ww dem Armenhaufe
gekommen, hat nichts
öu Meinen, nur zu ge-
horchen. Ich bin de-
Uutig genug, das ein-
Mfehen, und ich danke
^ur Himmel dafür,
Jungfer Appel, daß
A s bin. — Nun, ich
Um den Doktor fragen,
er kommen wird.
""loß lasse Sie sich nie


haste Erörterung mit der Sternwirtin als Kochfrau
voraufgegangeu war.
Durch all diesen Trubel flatterte Lorchcn Himber-
lichs Gestalt, überall verlangt und nirgends bedankt,
pflichteifrig hin und her. An sie selbst und ihr Ver-
gnügen dachte niemand. Frau Poghammers Haus-
frauengewissen fand sich erst beruhigt, wenn Lorchen
während der Tafelfreuden draußen in der Küche die
Aufsicht führte, und also war ihr Erscheinen drinnen erst
im letzten Akte und möglichst unbeachtet vorgesehen.
Sie war es nicht anders gewöhnt und fand es in
ihrer Lage auch ganz in Ordnung. Nur war nach
der letzten Unterredung mit Wostermann ein süßer
Zweifel in ihr aufgetancht, eine glückliche Ungewiß-
heit, ob sie nicht auch recht gern mit ihm an der Tafel
gesessen hätte, vielleicht gar neben ihm oder doch
so, daß sie ihn sehen konnte.
Und dann gedachte sie seiner Versicherung mit
stillem Freuen, hübsch und anmutig zu seiu, hübscher
als alle anderen. So weit ging ihr Glaube ja nicht,
aber unwillkürlich blickte sie beim Spiegelputzen in
der guten Stube neugierig ihr reizendes Ebenbild
an, und weil sie dabei gerade an Wostermann dachte,
huschte ein glückliches Lächeln um ihre srischroten
Lippen.
Dieses Lächeln bemerkte höchst mißfällig Mam-
sell Lavinia, als sie ihre
blonden Locken durch
den Türspalt steckte.
Alsbald trat sie voll-
ends ein und blieb mit
gekreuzten Armen an
der Schwelle stehen.
„Ich kann warten,
bis du dich genug be-
wuudert hast," sagte sie
mit geringschätzigem
Spott, „obwohl Tante
Jettchen der Meinung
war, der Spiegel könnte
inzwischen schon drei-
malgereinigtsein. Aber
freilich, wennmansolche
Studien macht, kann
noch eine Stunde dar-
über hingehcn. Ich
würde mich auf dem
Markt zur Schau stellen,
damit alle sehen, was
für eine Schönheit im
Bürgermeisterhause —
die Spiegel putzt."
Lorchen ward pur-
purrot vor Scham. Ihr
Herz klopfte angstvoll
und verlegen. Zn sa-
gen wußte sie nichts.
„Es ist nicht nö-
tig," fuhr Lavinia fort,
durch die Aumut dieses
Schweigens in ihrem
Groll bestärkt, „es ist
nicht nötig, Jungfer
Himberlich, mir eine
Komödie vorzuspielen.
Warte deine Zeit ab,
bis sich ein würdiger
Gegenstand dazu fin-
det. Die Frage ist nur,
ob er danu vor Lachen
zur Bewunderung wird
kommen können."
Damit verschwand
sie im Nebenzimmer,
wo Frau Poghammer
 
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