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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0114
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Var Luch fülMe
Mstnette vamilienreilung
5. kiest. 1915.
^weriksn. Cox^riZIU ISIt Union vsutsoke Verloxsgesollsolinst. 8tnttxnnt.


sunge tiugen.

„Mir ist nicht ganz wohl zumut. Die Bowle
ivar so stark —"
„Setz einen Schluck Wasser draus! — Hören
Sie mal, Doktor, aus dem grünen Hause müssen
Sie sich herausmachen," sagte der Syndikus mit
biderber Offenherzigkeit. „Das ist kein Magnet,
der die Leute anzieht. Und dann müssen Sie sehen,
daß Sie unter die Haube kommen und Familien-
vater werden. Anders geht's nicht."
„Ich weiß, Herr Syndikus, werde mich bemühen."
Die beiden Kerzen in den Messingleuchtern
brannten zn trübe, um das flüchtige Erröten La-
vinias zn verraten.

Vg5 grüne Haus.
Uoman aus der Uiedermeierreit.
von 6eorg Hartwig (Lmmg Koeppel).
- tNachdm.kEdEn.)
ostermanns lauter Beifall G: Wohn-
zimmer, wo die dramatische Lchlulyzcn.
mit dem geretteten Kanarienvogel zu
! Ende ging, schreckte Frau Suse auf,
_I mehr noch das Tellerklappern, mit
den: das Mädchen sich anschicktc, im Nebengemach
den Abendtisch zn decken.
Sie flog förmlich über
die Schwelle, dieses letzte
Unheil zu verhüten, als
der Syndikus gerade,
den letzten Zug ans sei-
ner Pfeife schmauchend,
sagte: „Wenn Sie eine
Tasse Warmbier mit-
trinken wollen, Doktor —
Sie sind willkommen!"
„Ich weiß nicht, Ivie
Madam Hirsinger dar-
über denkt," sagte Woster-
nrann, sich höflich ver-
neigend.
Aber der Syndikus
rief schon dem Mädchen
nach: „Eine Tasse mehr,
Kathrine!—Meine Frau
göuut's Ihnen auch
Komm aufs Sofa, Suse
7^ und schieß los, was
rhr wieder zusammen-
gebraut habt au Neuig-
keiten. Eine kann ich dir
auch nutteilen: Doktor
Westerman:: hat sich —"
„Ich weiß," sagte
Frau Suse, iu die Un-
möglichkeit versetzt, das
Hauptgeschoß der Kaffee-
schlacht loszuschießeu.
»Sommerlich hat es uns
'nitgeteilt."
. Wostermann lächelte
vn: wenig boshaft. „Sehr
verbunden, daß der Herr
Kollege sich für mein
verbleiben interessiert."
„Durchbeißeu aber
'verdeu Sie sich müssen,
das kann ich Ihnen pro-
phezeien," sagte der Syn-
mkus, zum Angriff aus
U'ne dampfende Tasse
schreitend. „Und wenn
die Ohrei: nicht steif
halten-"
»Ich habe gute Zähne
nno zuverlässige Ohren,"
ael Wostermann ein, aus
^-avinias Händen den
-orotkorb verbindlich cnt-
gvgennehmend.
x. »Na, Suse," sagte
Hsrsinger, den: das stille
7?-seu seiner Gattin doch
vmen Stich ins Gewissen
Aad, „hast wohl deinen
ganzen Sprachschatz drü-
ckt erschöpft?" '
1815.

„Ich glaube auch, daß eine liebenswerte Jung-
frau nur vertrauensvoll die Hand reichen könnte
zum Ehebande." Als er das sagte, schwebten ihm
Lorchen Himberlichs blaue Augensterne vor, wie
sie über die Rosen hinweg zu ihm aufschaute.
,,Na, daun halten Sie sich also dazu. Auf dem
Lande gibt es ganz hübsche Partien. — Was,
Suse?"
„Gewiß, Lebrecht! — Wohl bekomm's!" Sie
stand vom Tische auf.
Wostermann fühlte, daß dies der richtige Augen-
blick sei, sich zurückzuziehen. Nach kurzen: Abschied
vom Syndikus verneigte er sich so tief vor Lavinia,
daß diese nicht umhin
konnte, solche Huldigung
durch eii: freundliches
Darreichen ihrer Hand
zu belohnen.
Er zog sie mit aus-
drucksvoller Dankbarkeit
an seine Lippen, viel-
leicht einen Pulsschlag
länger, als unbedingt
notig gewesen wäre, und
versuchte sodann ein glei-
ches Freundschaftssiegel
auf die Rechte der Ma-
dam Hirsinger zu drücken,
aber deren rundliche
Finger zogen sich hastig
iu die Verschanzung der
Kleiderfalteu zurück. So
verblieb es eben beim
Vorspiel, der Verbeugung.
„Lebrecht," sagte Frau
Suse, als auch Lavinia
das Zimmer verlassen
hatte, und setzte nut flie-
gender Hast Teller und
Tassen zusammen, „Leb-
recht, was tust du? Du
hast ja keine Ahnung, wie
nun: über dich spricht!
Wie drunterdurch du
schon durch diesen Woster-
manu gekommen bist!
Alles, was diese Beck-
modersche Sippe aus-
laufen läßt, kommt auf
deine Rechnung. Und
du schleppst ihn hier her-
ein auf die Gefahr hin,
daß plötzlich Jette ins
Zimmer tritt."
Der Syndikus faltete
einen Fidibus zusam-
men, steckte ihn an: Ker-
zenlicht in Brand und
zündete seine Pfeife wie-
der an. „Na —?" fragte
er, eine kleine Verdau-
ungspromenade durchs
Zimmer unternehmend.
„Und?"
„Und? Jetzt hängt
er an dir fest wie eine
Klette. Lavinias herr-
liches Gedicht wird ihn:
wie ein Butterbrot vor-
gesetzt."
„Das Butterbrot kam
später," sagte der Syndi-
kus mit Humor.
„Ja, sichst du denn
nicht und merkst du denn
 
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