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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0093
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Illustrierte fsmilienreitung
4. kiest. 1915.
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^^N^ÄIostermann wurde fahl in: Antlitz. Erballte
Ml/lS Mö die Hände vor Erregung. „Sie ver-
Mji I ///U/, weigern mir also jegliche Beihilfe,
UstMW^I Oheim?" fragte er mit stockender
Stimme. „Die Sehnsucht, diese glück-
heischeude Sehnsucht nach dem Mädchen meiner
Wahl, nach Lorchen Himberlich, soll —"
Beckmoder schlug auf den Tisch, daß die Gänse-
feder auf die Erde flog.
Die Tür öffnete sich lautlos. Abel Wasmuts
Kopf erschien in der Spalte. „Haben der Herr
Doktor gerufen?"
„Nein!" schrie ihn der Alte an, indessen Woster-
Mann mit bitteren: Lachen seine feuchte Stirn
trocknete.
„Einen hübschen Zeugen Ihrer verwandtschaft-
-'chen Neigung haben Sie sich in diesem,Burschen

ausgesucht, der hinter der Tür den Lauscher macht
und seine Mitwissenschaft sicher nicht für sich behalten
wird. Ich habe ihn sogar im Verdacht, der Ur-
heber aller unsinnigen Gerüchte zu sein, die über Sie
in: Umlauf sind, denen entgegenzutreten Ihre mit-
leidlose Härte nur erschweren wird."
Beckmoder zwinkerte ihn spöttisch an. „Du
wolltest etwas geschenkt haben — ich schenke dir diese
Verteidigung."
„Oheim," rief Wostermann außer sich vor Zorn
und Entrüstung, „hüten Sie sich, den Bogen zu
Überspannen, oder nehmen Sie auch die Folgen
mit in den Kauf. Ich bedaure von ganzem Herzen,
mich zu dem Glauben an ein ritterliches Empfinden
Ihrerseits haben hinreißen zu lassen — ja, nach dem,
was mir dafür geworden ist, schäme ich mich dessen
sogar."
„Das wäre das Gescheiteste, was du tun kannst,"
sagte Beckmoder sich erhebend. „Du hast heute
keinen guten Tag, Bester. Der Hase und die Börsen-
spekulation haben dich geäfft."
Wostermanns Selbstbeherrschung verließ ihn. Er
streckte die Hand aus, als wollte er den Alten packen.
„Wenn die Leute sich von Ihrer Herzenshärte die

häßlichsten Gerüchte zuraunen, wenn sie erzählen,
daß Sie ein Mädchen geliebt und es trotzdem als
Frau und Witwe eines anderen im tiefsten Elend
haben verkommen und sterben lassen — jetzt glaube
ich es."
Den: Totendoktor schoß das Blut in Stirn rind
Schläfen. Zwischen den schmalen Lippen sah man,
daß er die Zähne fest aufeinander biß.
„Sie meinen, ich hätte kein Recht auf Ihr Erbe.
Gut — dann hätten Sie mich in meiner Heimat lassen
sollen, wo ich mir Rat und Hilfe hätte verschaffen
können. Jetzt, wo ich mittellos dastehe, ist mir der
Rückweg abgeschnitten. Wenn ich hätte ahnen
können, daß Ihre verwandtschaftliche Aufforderung
nur den Zweck hatte, mich als ein Ärgernis hier auf-
zustellen, als einen Stein des Anstoßes für die Kol-
legen, niemals würde ich denFuß über Ihre Schwelle
gesetzt haben. Wenn Sie den Edelsinn nicht in sich
tragen, mich dafür durch Rücksichtnahme auf meine
Wünsche zu entschädigen, wo nach menschlicher
Berechnung Ihnen nicht mehr Zeit genug bleiben
wird, Ihren Reichtum erschöpfend zu genießen —"
Beckmoder, dem der Gedanke an Sterben und
Tod sehr mißfällig war, und der sein Einsiedlertum


1Sl5.

Vie Räumung des von den Belgiern mit llokvmotlven versperrten lunnels bei Verviers. (5. 85)
 
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