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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 27
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0584
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V^Luchsül-We
Illustrierte sismilienreitung
27. kjest. 1915.
Amerika«. Copyright ISIS by Union Deutsche Berlagsgescllschaft, Stuttgart.

I


fürst von Ifohenlohe-csngeridurg,
der stellvertretende deutsche Botschafter in Konstantinopel. (5. 542)

sondern an sie, die Gesellschaftsdame, gerichtet
fiel ihr nicht auf. Der Herr war abends selten
daheim, und die Depesche hätte sich leicht bis zum
Abend verspäten können.

— (Nachdruck ortdoton.s
fänneken, hier wird nich jepennt! Det
! is 'n königlich preußischer Hofjarten!"
Der Gärtnergehilfe stand vor Lecke.
„Richtig, bin wirklich ein bißchen ein-

immer sich das Rätiel löste, geplant war
diese Abfindung, und also hatte Walli sie
verdienen müssen.
Aber wie?
Clemence zermarterte sich den Kopf.
Plötzlich stand sie auf. Der Brief an
Arnulf unterblieb.
Wozu alle Grübelei! Seit sie Michaels
Einfluß gespürt hatte, war sie selbst zu der
Überzeugung gelangt, daß der gerade, der
kürzeste Weg immer der beste sei, um aller
Hindernisse Herr zu werden.
In Armands Zimmer ging sie, das
Adreßbuch holte sie sich, und in zwei Minuten
hatte sie die Wohnung Gotthard Leitners
festgestellt.
Gerade darauf los, solange ich noch von
Michaels Willenskraft etwas in mir fühle!
So ermutigte sie sich selbst und teilte der
überraschten Hausdame mit, daß ihr ein
plötzlicher, unaufschiebbarer Pflichtbesuch
eingefallen sei. Wann sie wiederkäme, wisse
sie noch nicht. Hoffentlich zum Essen.
Frau Schrader wunderte sich nicht. Sie
gehorchte und fügte sich.
Welch unruhiges Haus das war! So
weit erlaubte sie sich eine ungesprochene
Meinung zu haben, alles weitere wäre
Kritik gewesen, und diese lag außerhalb
ihrer Rechte, ihrer Bedürfnisse.
22.
Vier Treppen hoch stieg Clemence in
einem auf Massenmieterschaft berechneten
Hause. Je höher man kam, desto ärm-
licher wurde es.
Endlich, an einem braunen Türrahmen,
fand sich das Porzellanschild mit dem Namen
G. Leitnerund daneben ein ursprünglich Weiß
gewesener, jetzt bräunlicher Klingelknopf.
Clemence mußte erst Atem schöpfen von
der ungewohnten Anstrengung. Sie würde

Clemence kam, müde, erschöpft.
Nach dem Gatten fragte sie. Seine zwei Zeilen
las sie und wollte dann zur Ruhe gehen. Es hatte
keinen Sinn, über seine Rückkehr zu grübeln. Die
Auseinandersetzung mochte sich um ein paar Tage
hinschleppen, unvermeidlich blieb sie; ein Unglück
kommt immer noch früh genug, und so wie die
Dinge jetzt standen, bot sich ihr wenigstens Zeit,
vorher mit Arnulf zu sprechen.
Ihm würde sie gleich morgen die Aufforderung
senden, in dringlicher Angelegenheit zu ihr zu kommen.
Eine Tasse Tee nur nahm sie und ein Paar
Kakes, zu Abend hatte sie im Zuge gegessen. Dann
ging sie schlafen. Es war fast Mitternacht.
Der Aufschub der unerfreulichen Abrechnung
hatte etwas Beruhigendes, und die Reisemüde hatte
gut geschlafen. Ihr erster Gedanke am folgenden
Morgen war der Brief an Arnulf.
Nach einsamem Frühstück, einsam trotz Frau
Schraders Anwesenheit — denn sie pflegte nur nach
der Herrin Aufforderung zu reden —, ging Clemence
ans Werk.
In ihrem Schreibzeug war während der heißen
acht Sommertage die Tinte eingetrocknet, und sie
bat Frau Schrader, ihr aus des Assessors Zimmer
neuen Vorrat zu holen.

Nun war sie allein. Es war die höchste Zeit
gewesen. Nur mit Aufwand aller Willenskraft
hatte sie sich so ruhig, so gefaßt aussprechen können.
War ihr doch mit einem einzigen Blicke klar ge-
worden, daß hier ein Fund gemacht wurde, der
neue, bisher ungeahnte Verwicklungen enthüllte.
Ein Scheck von eintausendfünfhundertdreiund-
sechzig Mark zur Verfügung des Fräulein Walli
Feinschmidt — an ihrem Hochzeitstage ausgestellt.
Eine Abfindung also! Sie glühte vor Empörung.
Und im gleichen Augenblicke wurde sie wieder
zaghaft.
Gewiß—der Hochzeitstag stimmte, aber wenn der
Scheck sich in dem Frack, den Armand damals ge-
tragen hatte, vorfand, dann war die Abfindung doch
nicht erfolgt!
Nicht erfolgt, aber geplant!
Wie -- ----- -

Ü3 genickt."
,Jesägt haben Se, dat mer um meine Bäume
bange wurde."
„Ich geh' schon weiter. — Guten Morgen!"
„Juten Mittag!"
Im Traume aber war Armand die Erleuchtung
gekommen. Zu den Verrisons zählte er, mit denen
fühlte er sich, die fühlten mit ihm. Ob er mit denen
einmal alles beriet? Trotz des letzten Zerwürfnisses?
Warum nicht! Sie waren reich gewesen — da-
ixials, allerdings auch kinderreich, und diese Zahl teilte
das Vermögen unangenehm, aber als ihr Kind hatten
sie den schwarzlockigen Buben allezeit betrachtet.
Wenn sie halfen, würde er die bedenkliche Lage
hier überwinden und seinen Plänen auf die Emme-
richsche Million doch noch weiterleben! Es galt nur,
sie zu versöhnen.
Auf der Straße war volles Leben.
Jetzt fand er rasch einen Wagen und fuhr nach
seiner Wohnung.
Frau Schrader erhielt Anweisung, seinen Koffer
für eine mehrtägige Reise zu packen, und wenige
Stunden darauf saß er in den Polstern eines Wagens,
der zum Kölner V-Zuge gehörte. Im Speiseraum
stärkte er sich, dann, satt und müde zu-
gleich, fiel er in festen, traumlosen Schlaf.
Sein letzter Gedanke war, er habe sich
niedlich gerächt, indem er nun seinerseits
nur zwei Zeilen an Clemence hinterließ:
„Ich fahre zu meinen Verwandten, den
Verrisons. Auf Wiedersehen! Armand."
Für den Fall, daß es ihr beliebte, vor
seiner Rückkehr daheim zu sein.
Das Haus war bestellt, er war frei.

ver freideuter.
vornan von Urtur Wirickler-Igririeriderg.
lroMcNung.)

Papier aus einem Frack. Es scheint mir ein Wert-
papier zu sein, und ich denke, gnädige Frau werden
es in Verwahrung nehmen wollen."
Clemence richtete sich am Schreibtische auf.
„Ein Wertpapier? In welchem Frack?"
„In dem alten, gnädige Frau — und hier ist
das Blatt."
Sie legte den Scheck auf die Tischplatte.
„Es ist gut, ich danke Ihnen, Frau Schrader.
Natürlich verschließe ich es — und jetzt möchte ich
ein halbes Stündchen allein sein."
„Wie Sie bestimmen, gnädige Frau."
Nun war sie allein. Es war die höchste Zeit

Frau Emma Schrader räumte in des
Herrn Zimmer auf. Er hatte wild ge-
haust, als er sich zwei Anzüge aussuchte,
die sie ihm in den Rohrplattenkoffer kunst-
gerecht verstauen sollte. Verstreut lagen
Kleidungsstücke umher.
Darunter ein unmoderner Frack.
Gleich nach jener Zeit, da die Hoch-
zeit der jungen Witwe mit Armand statt-
fand, hatte ein Modewechsel eingesetzt,
und Armand Leske trug niemals veraltete
Kleider.
Als Frau Schrader den Frack aufhob,
um ihn fortzuhängen, flatterte ein blaues,
dünnes, etwas zerknittertes Papier aus
der Brusttasche und blieb auf dem Teppich
liegen.
Sie nahm es auf und prüfte es darauf
hin, ob es aufzubewahren sei oder nicht.
Eine Anweisung war es, das erkannte sie
auf den ersten Blick, eine Anweisung auf
eintausendfünfhundertdreiundsechzig Mark,
auf eine erhebliche Summe also!
Sorglich glättete sie das Papier und
legte es auf den Schreibtisch. Wenn der
Assessor wiederkam, sollte er es finden.
Das Zimmer wollte sie schon gewisfenhaft
abschließen.
Am Nachmittag traf ein Telegramm ein.
„Bin elf Uhr nachts dort. Clemence Leske."

Jetzt galt es also, für die zurückkommende Herrin Als die Dame zurückkam, brachte sie den blauen
Vorkehrung zu treffen. Scheck mit und bemerkte: „Gnädige Frau, als der
Daß das Telegramm nicht an den Assessor, Herr Assessor abgereist war und ich seine verstreuten
'andern an sie, die Gesellschaftsdame, gerichtet war, Sachen wieder in den Schrank einordnete, fiel dies


XXVII. ISIS.
 
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