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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 20
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0436
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Illustnette sismilienreitung

ver freideuler.
Roman von strtur fvinckler-Iannenderg.
IroNsetiung.) > - — tNLchdruij! pervoten.)
lementine läutete dem Zimmermädchen und
ließ sich die Kurliste bringen. Nach kurzem
Suchen hatte sie den Namen gefunden:
Düerland und Frau aus Stettin, Lotsen-
s.-, straße. Das war in der Stadt, so viel wußte
Ile, und jetzt traf sie die Dame sicherlich an.
.. Weshalb sollte es nicht mehr möglich sein, daß
Ile selbst den Mittagstisch wechselte, statt es Frau
Düerland zuzumuten, und dann war sie für heute
^se lästige Begegnung los. Der Assessor war zum
strande gewandert, sie würde durch die schattigen
Zulagen nach der Stadt gehen.
, Der Entschluß sagte ihr sehr zu, und sie führte ihn
lofort aus. Eine halbe Stunde später saß sie einer
grauhaarigen Frau gegenüber, die ihr gründlich
llhßfiel. Ein hageres, spitznasiges Gesicht, aus dem
kühles, kritisches Suchen und Prüfen sprach,
Etwas Hartes und Herbes, spähte sie an. Eine un-


20. lfest. 1Y1S.
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echte Freundlichkeit warf nur flackernde Augenblicks-
lichter über dieses Gesicht.
„Ja," sagte Frau Düerland nach der ersten Be-
grüßung, „wir sollen uns nun helfen, wie wir
können. So sind die Männer! Alles Egoisten!
Sie nehmen's nicht übel, geschätzte Frau Amtsrat —
es ist wirklich so! Gott, Sie sind noch so jung und
sitzen auch schon allein! Ich kenne das nun vier-
unddreißig Jahre, und cs wird immer schlimmer,
je länger man's kennen lernt."
„Oh, unr darüber mich zu beklagen, kam ich nicht,
Frau Düerland," antwortete Klementine gepreßt.
„Ich denke, wir trösten uns mit Humor."
„Ja, ja, die glückliche Jugend! Die hofft immer
noch, die tröstet sich immer noch!"
Klementine war nun einmal entschlossen, diese
Frau als Schutzwehr zu benützen, bezwang also ihre
Mißstimmung und brachte ihren Plan vor. Es käme
ihr sehr gelegen, einmal einen anderen Mittagstisch
zu versuchen. Ihr Mann sei so seßhaft, und deshalb
ergriffe sie gern die Gelegenheit, heute, wo sie über
sich verfügen könne, mit in: „Walfisch" zu speisen.
Die grauen Augen fragten und suchten.
Das war doch wohl nur ein Vorwand, aber der
wirkliche Beweggrund blieb natürlich im Augenblick

unerfindlich. Um gemächlicher forschen zu können,
schlug Frau Düerland vor, auch die Zeit bis zum
Esseu gemeinschaftlich zu verbringen. Am Strande,
im Korbe — sie Hütte doch einen?
Siche da, jetzt wurde die junge Frau schon ver-
legen. Die kritischen Augen bemerkten es sofort.
„Ach, ich habe so viel und so einsam, diese
ganze Woche lang, im Strandkorbe gesessen und
gefroren."
„Aber heute ist's schön, windstill und warm."
„Freilich, freilich — und doch — etwas anderes
zöge ich vor!"
Ein zweites Rätsel für die Späherin. Im
übrigen war sie natürlich einverstanden, Klementine
an ihrem Stammtisch aufzunehmen, und man
einigte sich vorläufig auf einen Spaziergang ans
Bollwerk. Da kam ein großer Rügendampfer, und
dabei gab's allerlei zu sehen.
Nach einer Stunde wußte die Stettinerin alles
aus dem Leben Klementines, das ihr irgend
wissenswert erscheinen konnte, aber trotzdem war
der Rätselschleier nur noch dichter geworden. Diese
junge Frau war ja gar nicht unglücklich. Sie hatte
ein einförmig langweiliges Leben als unabwend-
bares Schicksal hingenommen und eigentlich nur das


ISIS.

große Wäsche im pelde. (5. 438)

Ahct. Leipziger Presse-Vürv, Leipzig.
 
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