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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 3
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v35 Luch für Llle

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dem nach Österreich-Ungarn über, da die in Galizien ansässigen
Ruthenen der Abstammung nach ebenfalls zu den Kleinrusfen
gehören.
Während der Großrusse bei gedrungenem Körperbau eine
Gesichtsfarbe von Hellem Rot, blaue oder braune Augen und
braunes Haar hat, dem Weißrussen bei hagerer Gestalt hell-
blaue oder graue Augen und flachsblonde Haare eigen sind,
ist der Kleinrusse schlank und zierlich gewachsen, und er be-
sitzt bei bräunlicher Gesichtsfarbe dunkle Augen und dunkles
Haar.
Die Kleidung des Hauptteils des Stammes der Großrussen
besteht aus dem bunten Hemd, dem langschößigen Rock mit
niedrigem Kragen, dem um den Rock geschlungenen Gürtel und
bunten Pluderhosen, die in weiten Lederstiefeln stecken. Die
Weißrussen tragen über dem Hemd den leinenen Rock ohne
Knüpfe mit stehendem Kragen und legen um die Hüfte einen
roten Gürtel. An Stelle der Strümpfe werden die Füße mit
Zeugstücken umwickelt, über die aus Bast geflochtene Schuhe
gezogen werden. Die Kleinrussen tragen zu dem Hemd rote
Wämser, grüne Hosen und auf dem Kopf einen weißen Filzhut
mit gelber Schnur. Ihre Frauen bekleiden sich mit roten Röcken,
buntgestickten Jacken, großen Hauben, und die Füße stecken in
hohen Stiefeln aus rotem Leder.
Die großrussischen Bauern errichten ihre aus Baumstämmen
hergestellten einstöckigen Häuser, deren Fugen mit Werg und
Moos verstopft und deren Wände mit grellbemaltem Schnitz-
werk verziert sind, zu beiden Seiten der Landstraße. Die Dörfer
der Weißrussen zählen meist nur drei bis vier, höchstens aber
zwanzig düstere und ärmliche Blockhäuser, die regellos zwischen
Wald und Sumps verstreut sind. Dagegen zeigen die klein-
russischen Dörfer, obwohl auch sie unregelmäßig angelegt sind,
saubere, weißgetünchte Fachwerkhäuser aus Holz und Lehm,
die mit Stroh oder Schilf gedeckt und mit einem Blumen- und
Obstgarten umsäumt sind.
Der Kleinrusse ist in erster Linie Ackerbauer und Viehzüchter.
Fv der Erntezeit ziehen viele Männer nach Südrußland, um
sich dort für landwirtschaftliche Arbeiten zu verdingen. Auch
das Fuhrmannsgewerbe betreibt er gern. Dabei handeln die
Fuhrleute zugleich mit Salz und Fischen, die sie aus den Städten
am Schwarzen Meere mitbringen. Für die Ausübung eines
Handwerks fehlt es ihm meist an der Geschicklichkeit, die dem
Großrussen eigen ist.
Geistig ist der Kleinrusse etwas schwerfällig. Was er aber
einmal in sich ausgenommen hat, hält er fest und sucht es nach-
denklich zu durchdringen. Daher neigt er auch zur Spekulation.
Groß ist seine Vorliebe für die Musik. Fast in jedem Dors gibt
es Musikanten von Beruf. Auch wandern Musikanten mit der
Bandurka, einer Laute mit zwanzig Saiten, und der Kobsa,
die nur acht Saiten hat, von Ort zu Ort.
Die Frau nimmt eine geachtete Stellung ein. Sie ist dem
Mann gleichberechtigt, nicht seine Dienstmagd, wie es bei dem
Großrussen der Fall ist, sondern sie schaltet in der Hauswirtschaft
selbständig, wobei ihr freilich eine Fülle von Arbeit aufgebürdet
wird.
Stark ausgeprägt ist der persönliche Unabhängigkeitssinn.
Gr zeigt sich unter anderem darin, daß sich der Sohn, der sich
verheiratet und einen eigenen Herd gründet, die Familienbande
fast abstreift und sich enger an seine Nachbarn als an seine
Blutsverwandten anschließt.
Die Sprache des Kleinrussen ist eine besondere Mundart,
die sich in Lauten und Formen von dem Großrussischen unter-
scheidet. Die kleinrussische Volkspoesie ist reich an Liebesliedern,
Heldenliedern, Märchen und Sagen. Die russische Regierung
verbot von 1876 bis 1905 bei hoher Strafe, Bücher in der klein-
russischen Sprache zu drucken. Die Folge war, daß 87 Klein-
russen in die erste Duma gewählt wurden. Infolge der Maß-
regelungen aller Art, die ihre Eigenart, Sitten und Rechte
M unterdrücken suchten, gärt es jetzt heftig unter den Klein-
russen; sie wollen sich die gleiche Freiheit erringen, wie sie
den stammverwandten Ruthenen in Osterreich-Ungarn zuteil
wird. Th. S.
Vom alten Moltkc. — Der berühmte Generalfeldmarschall
stammte aus einer wenig begüterten Familie, und als junger
Leutnant hatte er große Mühe, mit seinem bescheidenen Zu-
schuß auszukommen. Nur mit der alleräußersten Sparsamkeit
gelang es ihm, sich über Wasser zu halten. Er war sein ganzes
Leben lang sparsam, auch später, als er durch die Kriegsdotation
ein wohlhabender Mann geworden war.

Im hohen Alter zog er sich auf sein Gut Creisau in Schlesien
zurück und lebte dort recht und schlecht wie ein einfacher Landwirt.
Wenn er einmal eine Gesellschaft geben mußte, dann ließ er
sich von einem Berliner Offizierkasino einige Kisten bessere
Zigarren schicken. Wenn die Gäste wieder gegangen waren,
schickte er aber die nicht gerauchten guten Zigarren wieder
zurück, und er selbst rauchte ruhig seine gewohnte billige Sorte
weiter.
Moltke ging sogar recht häufig auf den Markt in Schweidnitz
und kaufte dort die nötigen Lebensmittel für seine Wirtschaft
ein. Einmal handelte er mit einer Marktfrau, die ihn nicht
kannte, wegen einiger Kohlköpfe und wollte durchaus nicht den
geforderten, ihm zu hoch erscheinenden Preis bezahlen. Schließ-
lich wurde es der Frau zu bunt, und sie rief: „Nu hören Sie
aber uff mit Handeln! Sie sind ja beinah so geizig wie der
alte Moltke!" —zen.
Das Los der Kriegsgefangenen. — Kriege wurden von
jeher und werden, wenn auch oft unter mehr oder weniger
durchsichtiger Maske, heute noch nur zu dem Zwecke gewalt-
samen Erwerbs geführt. Nur die Erwerbsobjekte sind andere
geworden. Das ursprüngliche Ziel solcher Kriege war jedoch
nicht nur das Besitztum des zu bekriegenden Volkes, es galt
vielmehr meist den Menschen selbst: denn auch das Leben der
Kriegsgefangenen war dem Sieger verfallen. Diesem stand
frei, seine Gefangenen zu töten, als Sklaven zu behalten oder
gegen Lösegeld freizugeben. Bei wilden Naturvölkern gelten
die Kriegsgefangenen als Schlachtopfer zu Nahrungszwecken
und werden demgemäß — aufgesressen, ost erst nach vorher-
gegangener Mästung. Es sind mit dieser Menschenfresserei meist
noch religiöse Vorstellungen verbunden; vielfach wird geglaubt,
durch das Verzehren des Gefangenen dessen Kraft oder sonstige
Eigenschaften sich aneignen zu können.
Bei Nomaden und ackerbautreibenden Völkern, die Arbeits-
kräfte brauchen können, werden die Gefangenen zu Sklaven
gemacht. Es gab in der Tat auch im Altertum kein ackerbau-
treibendes Volk, bei dem nicht Sklaverei geherrscht hätte. Solche
kriegsgefangene Sklaven wurden auch gegen andere Bedürfnisse
umgetauscht. So entstand aus dem Menschenraub der Men-
schenhandel.
Bei den alten Kulturvölkern galten die kriegsgefangenen
Ausländer stets als der Gesamtheit des ganzen Volkes gehörig.
Sie wurden demgemäß, nachdem meist ein Teil, besonders
vornehme Gefangene, den Göttern geopfert war, öffentlich
versteigert. Nach der ins Rohe ausgearteten Sitte der römischen
Kaiserzeit wurden die Gefangenen auch gezwungen, zur Be-
lustigung des Volkes als Gladiatoren gegeneinander oder mit
wilden Tieren auf Leben und Tod zu kämpfen.
Bei den alten Germanen wurde die Kriegsentscheidung
als Gottesurteil aufgefaßt und demnach die Gefangenen dem
Kriegsgotte Wotan geopfert. Später hörte dies auch auf, und
die Gefangenen wurden Sklaven des Siegers. Dieser Zustand
der Hörigkeit bestand durch das ganze Mittelalter hindurch bis
ins vergangene Jahrhundert hinein. Doch auch hier kam der
Loskauf immer mehr zur Geltung, und im Mittelalter wurde
es allgemein Sitte, gefangene Ritter und Knechte ihrem je-
weiligen Kriegsherrn gegen ein bestimmtes Lösegeld auszu-
liefern, wenn sie nicht gegen eigene Gefangene ausgetauscht
werden konnten.
In Frankreich fiel der Gefangene selbst dem Kriegsherrn,
die Rüstung jedoch dem zu, der ihn gefangen genommen hatte.
In England gehörten Gefangene bis zu einem Werte von
500 Pfund Sterling dem, der sie dazu gemacht hatte, während
reichere dem Könige zukamen.
Wenn auch dadurch das Los der Gefangenen etwas erleichtert
wurde, so blieb es im allgemeinen immer noch grausam genug,
da die armen Teufel vielfach noch Verstümmelungen zu erleiden
hatten, um sie für den Kriegsdienst hinfürder untauglich zu
machen. So blieb namentlich die fürchterliche Sitte des Blen-
dens, die sich bei manchen Völkern des Orients noch bis auf
den heutigen Tag erhalten hat. In Frankreich wurden im
übrigen bis ins spätere Mittelalter Gefangene, die nicht aus-
gelöst wurden, auch als Galeerensklaven verwendet.
Mit dem Aufkommen der Söldnerheere, die unter ihren
Anführern oft die Partei oder ihren Kriegsherrn wechselten,
nahm der Gedanke, einander Pardon zu gewähren und sich
gegenseitig auszulösen, immer festere Gestalt an, und es wurden
regelrechte Tarife über die Höhe des Löscgeldes aufgestellt.
So galt in den italienischen Kriegen des 15. und 16. Jahrhunderts

das Abkommen, daß für jeden gefangenen Reiter als Lösegeld
ein Viertel seines Jahressoldes zu gelten habe. Auch bei anderen
kriegführenden Staaten, wie Spanien, den Niederlanden usw.,
galten ähnliche Abkommen. Schon damals muß die Sitte,
von den Gefangenen sich das Ehrenwort geben zu lassen, nicht
fliehen zu wollen, bestanden haben.
Während des Dreißigjährigen Krieges galt der Grundsatz,
daß nur die wertvollere Habe der Kriegsgefangenen dem Sieger
zusiel. Wallenstein soll einen Vorschlag Gustav Adolfs, daß
nach niederländischer Sitte ein schwächerer Haufe sich einem
überlegenen ohne Gegenwehr zu übergeben habe, mit den
Worten: „Sie sollen kämpfen oder krepieren," abgelehnt haben.
Gemeinhin wurden Chargen gegen Chargen, Mann gegen Mann
ausgewechselt und für den einseitigen Überschuß Lösegeld be-
rechnet. Es kam bei den Söldnerheeren natürlich auch vor,
daß Kriegsgefangene in den Sold des Siegers übertraten.
Nach heutigem Völkerrecht sind Kriegsgefangene Gefangene
des Staates, von dem sie verpflegt werden müssen. Vorhandene
Geldbeträge werden meist nur in Verwahrung genommen und
bei der Auswechslung wieder zurückgegeben. Kriegsgefangene
dürfen zu entsprechenden Arbeiten verwendet werden, zum Bei-
spiel zum Wege-, Eisenbahn- und sogar Schanzenbau. Nach dem
Friedenschlusse erfolgt die Freigabe der Kriegsgefangenen ohne
Lösegeld. Offiziere werden auch auf Ehrenwort, nicht mehr
während des Krieges zu kämpfen, freigelassen. Wortbrüchigkeit
gilt als ehrlos und kann bei Wiedergefangennahme mit dem
Tode bestraft werden. A. M.
Wie aus einer Komödie eine Tragödie wurde. — Als Peter
der Große mit König Karl XII. von Schweden im Kriege lag,
belustigten sich seine Soldaten im Feldlager einmal durch ein
improvisiertes Theaterspiel. Sie führten eine Komödie auf,
deren erster Teil einen Soldaten als schlauen Räuber darstellte,
der aber durch einen noch schlaueren Bauern erwischt wird. Der
Soldat wird vor ein Kriegsgericht gestellt, verurteilt und hin-
gerichtet, hat aber durch seine komische Aufführung, seine Glieder-
verrenkungen und die Lebenszähigkeit, durch die er frisch und
munter nach der Exekution wieder aufsteht, obgleich er von sieben
Kugeln durchbohrt ist, die Zuschauer zum Lachen zu reizen.
Als Peter in seiner oft gebrauchten Verkleidung als gemeiner
Soldat eines Tages das Lager durchstreifte, überraschte er die
Spielenden und wurde unerkannt Zeuge der Aufführung. Er war
nun aber ganz und gar Despot und kein Freund von derartigen
Zerstreuungen im Lagerleben. Heimlich gab er sich den Dar-
stellern der die Hinrichtung vollziehenden Soldaten zu erkennen und
befahl ihnen, im gegebenen Augenblick scharf zu schießen. Der
Mann, der so lange als komische Figur gedient hatte, brach dem-
gemäß von sieben Kugeln durchbohrt zusammen, ohne in Fort-
führung seiner Rolle wieder ausstehen zu können — er war zur
größten Bestürzung der Zuschauer wie der Mitspieler wirklich tot.
Da erhob sich der Zar, gab sich zu erkennen und redete die
Versammelten folgendermaßen an: „Wenn ein Soldat meines
Heeres sich eines Raubes schuldig macht, so wißt ihr alle, daß
er ohne Erbarmen sterben muß. Hat er nun dies Verbrechen
nicht begangen, stellt sich aber so, als hätte er's, so ist er nicht
minder des Todes schuldig. Merkt euch das!" Seitdem sollen
die russischen Soldaten niemals mehr nur scheinbar stehlen,
sondern lieber gleich richtig. C. D.
Wrangel als Bankier. — Nach den Gründerjahren erschien
eines Tages bei dem alten Wrangel ein Bauer aus der Lausitz,
der einst als Unteroffizier bei den Kürassieren, die Wrangel
befehligte, gestanden hatte. Dem Manne, der dem Feldmarschall
persönlich bekannt war, wurde eine Audienz bewilligt, und der
Feldmarfchall forderte ihn auf, sein Anliegen vorzutragen. Der
Bauer klagte nun der Exzellenz seine Not. Er hatte ein Industrie-
papier von seinen Ersparnissen gekauft und es zur Ausstattung
seiner Tochter bestimmt. Leider war die Aktie durch den Krach
wertlos geworden, und es konnte daher auch die Verheiratung
der Tochter nicht stattsinden. Der Bauer bat nun seinen ehe-
maligen Regimentskommandeur um Rat und Hilfe.
Wrangel hörte dem Alten aufmerksam zu. Dann sagte er
zu ihm: „Nun, Jakob, laß man das Ding hier, ich werde mich die
Sache überlegen, vielleicht läßt es sich doch noch machen. Gehe
nur ruhig in dein Dorf zurück, in den nächsten Tagen sollst
du Antwort haben."
Und er erhielt auch Bescheid. Es wurde ihm der Nominalwert
der Aktie bar und diese selbst durch einen Bankier wieder
eingehändigt. Auf der Aktie aber stand von Wrangels Hand
geschrieben: „Bauern sollen nicht spekulieren". O. v. B.


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