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über Grandpre mit einem Bogen auf Dun, und
daselbst über die Maas, dann den Fluß aufwärts
und bei Verdun vorbei, welches mit Übereinkunft
an die Franzofen zurückgegeben ward; ebenso bei
Longwy, wo die Armee am 21. Oktober anlangte,
und nun das Luxemburgische erreichte, nach drei
Wochen langer Kette von Mühseligkeiten und Be-
schwerden. Der Feind hatte durchaus nicht ver-
folgt, nur die von Clermont abziehenden Hessen
bis gegen Verdun, und die Emigranten in der
Gegend von Grandpre etwas gedrängt. In dem
grundlosen Wege aber waren mit fortwährendem
Marsch nur kurze Strecken täglich zurückgelegt, ein-
mal anderthalb Meilen in sechsunddreißig Stunden.
Eine Menge von Menschen waren im Kot stecken
geblieben und der Überrest zum größten Teil krank.
Die Zahl der Streitfähigen, die bei Luxemburg
ankamen, wird auf kaum zwanzigtaufend Mann
geschätzt, und allerdings war für den Augenblick
auch der Feind nicht zu etwas Kräftigem und
Kühnem aufgelegt."
Wie große Kälte, besonders wenn sie lange an-
hält, wirken kann, wissen wir alle aus den Schreck-
nissen, die die große französische Armee auf ihrem
Rückzüge von Moskau 1812 durchzumachen hatte.
Infolge der furchtbaren Kälte, allerdings auch des
Nahrungsmangels und der Angriffe der Russen,
schmolzen die Kampffähigen der Napoleonischen
Armee, die mit hunderttausend Mann am 18. Ok-
tober Moskau verlassen hatte, bis zum 13. November
auf vierzigtaufend Mann zusammen. Von sieben-
unddreißigtausend Mann Kavallerie, mit denen
Napoleon über den Riemen gegangen war, waren
nur noch dreitausend Berittene übrig.
Auch im Winter 1871 haben Franzosen und
Deutsche durch die Kälte, die mit einer Heftigkeit
auftrat, wie man sie in Frankreich seit vielen Jahr-
zehnten nicht mehr gewöhnt war, schwer gelitten.
Die Entsatzarmee, die Paris retten wollte und sich
unter General Faidherbe in der Nähe von Amiens
gebildet hatte, wurde so vorzüglich geführt, daß sie
den Deutschen ernstlich gefährlich wurde, besonders
da letztere nur geringe Kräfte der neuen Armee
entgegenstellen konnten. Aber wiederholt konnte
General Faidherbe Vorteile, die er errungen hatte,
nicht ausnützen, weil er es nicht wagte, seine jungen,
wenig kriegsgeübten Truppen bei einer Kälte von
zwanzig Grad im Freien biwakieren zu lassen.
Um die Leute nur einigermaßen gegen die Kälte
geschützt unterzubringen, mußte er gute Positionen,
die mit vieler Mühe erkämpft waren, wieder auf-
geben und sich für die Nacht zurückziehen.
Wie bereits erwähnt, war 1904/05 die Kälte
in der Mandschurei so groß, daß Russen und Ja-
paner die Kümpfe für Wochen völlig einstellen
mußten.
Noch andere Unannehmlichkeiten bringt die
winterliche Kälte mit sich. Eine solche ist zum Bei-
spiel das Glatteis, durch das die Kavallerie voll-
ständig lahmgelegt und fast wehrlos gemacht wird.'
Selbst wenn es gelingt, den Kavalleriepferden die
Eisen zu schärfen und sogenannte Schraubstollen
anzuwenden, kommen doch bei Glatteis die Reiter
nicht mehr vorwärts; sie müssen absitzen und die
Pferde führen, wobei die Tiere dennoch oft genug
stürzen und ein Überfall durch feindliche Infanterie
verhängnisvoll werden kann.
Daß bei strenger Kälte nicht nur die armen Ver-
wundeten, die hilflos daliegen, sondern auch un-
verwundete Wachtposten oft erfrieren, haben die
schrecklichen Vorfälle im russisch-türkischen Feld-
zuge im Jahre 1877 erwiesen. Im Dezember und
Januar fanden die furchtbaren Kämpfe um den
Schipkapaß statt, und jede Nacht wurden russische
und türkische Posten auf ihren Plätzen erfroren
aufgefunden, fast ganz von Schnee bedeckt. Daß
Schneestürme verhängnisvoll für ganze Truppen-
abteilungen werden können, besonders in unwirt-
lichem Gelände und wenn keine Unterkunft erreicht
werden kann, ist begreiflich. Langdauernde Schnee-
fälle ohne Frost erschweren das Fortkommen für
alle Truppengattungen, für Menschen und Tiere,
und nicht zu strenger Frost, der die Schneedecke
festigt und alle Wasserläufe mit einer Eisdecke über-
zieht, wird von allen Truppengattungen mit
Freuden begrüßt.
Vom Frühherbst an bis in den Frühling hinein
beeinflußt der Nebel die Kriegführung häufig sehr
unangenehm. Lagernde und marschierende Truppen
sind im Nebel stark gefährdet, weil sie einerseits
beständig fürchten müssen, ahnungslos auf den
Feind zu stoßen, und weil anderseits Überfälle
außerordentlich leicht sind, da der Gegner un-
gesehen herankommen kann. Nebel auf See sind
für die Flottenunternehmungen sehr hinderlich, da sie
die Aussicht unmöglich machen und die Schiffe der
eigenen Flotte im Nebel leicht zusammenstoßen
können.
Gewitter haben in früherer Zeit die Krieg-
führung wohl nicht so stark beeinflußt wie gegen-
wärtig, wo fast alle Nationen den Luftverkehr auch
für den Krieg anwenden. Wohl werden sich unsere
tapferen Luftschiffer, sei es in Lenkballonen oder
in Flugzeugen, auch durch schwere Gewitter nicht
abhalten lassen, ihren Dienst zu tun; aber es ent-
steht doch für alle Luftfahrzeuge durch die Gewitter
große Gefahr nicht nur durch Blitzschläge, sondern
auch durch die oft mit furchtbarer Wucht einsetzen-
den Gewitterböen, wobei der Sturm Luftschiffe
und Flugzeuge mit Gewalt Hunderte von Metern
aufwärts oder abwärts wirft.
Schwere anhaltende Stürme beeinflussen natür-
lich die Gebrauchsfähigkeit von Flugzeugen und
lenkbaren Luftschiffen ungeheuer. Auf den See-
krieg haben die Stürme selbstverständlich den
größten Einfluß, und anhaltender Sturm macht es
Kriegschiffen großer und kleiner Art wenn nicht
unmöglich, so doch sehr schwer, überhaupt den
Hafen zu verlassen und sich auf hoher See zu be-
haupten. Und doch sind anderseits stürmisches
Wetter und die Finsternis der Nacht für kühne
Handstreiche in der Marine auch wieder günstig.
Überfälle durch Untersee- und Torpedoboote auf
ankernde feindliche Flotten werden am leichtesten
ausgeführt in pechfinsteren Sturmnächten.
Als eine günstige Fügung des Himmels haben
wir es zu betrachten, daß sich die Mobilmachung
und der Aufmarsch für den jetzt tobenden Welt-
krieg bei so prachtvollem Wetter vollzogen hat.
Die Mobilmachung und der Aufmarsch der Armeen
sind dadurch außerordentlich gefördert worden. Vor
allem aber ist der Gesundheitszustand der Truppen
gut geblieben. Hoffen wir, daß auch im weiteren
Verlauf des gewaltigsten Kampfes, den die Erde je
gesehen, der Wettergott dem deutschen Heere wohl-
gesinnt bleiben möge.
Rn 8ofd der »Wmsrs«.
Line Unterseedootfghrt. von L. van Rügen.
(Nachdruck verboten.)
HI^A^Isiustapha Ali Bei, der Kommandant der
,81^8/8 kleinen türkischen Küstenfestung, schob die
III8 I geleerte Mokkatasse zurück und zündete
WMltM seine Wasserpfeife an, dann wandte er
sich zu dem jungen Marineoffizier, der, das Fern-
glas vor den Augen, in der Fensternische lehnte
und durch die bleigefaßten Butzenscheiben auf die
rollende Dünung des Schwarzen Meeres blickte.
„Also, du bist der Ansicht, Hussein, daß die Er-
findung des alten Levantiners aus Kilissa, der dort
allgemein nicht ernst genommen wird, für den See-
krieg wirklich verwertbar ist?"
Der junge Offizier machte eine mißmutige Be-
wegung. „Die Meinung des invaliden Hafen-
kapitäns von Kilissa und einiger unwissender Fracht-
schiffer ist nicht maßgebend, Vater. Ich bin viel-
mehr davon überzeugt, daß der alte Forti von der
Schiffskonstruktion mehr versteht als unsere Sach-
verständigen. Vor fünf Minuten tauchte sein
kleines Boot bei voller Fahrt fast senkrecht in die
See, und eben schoß es wieder wie ein Pfeil an die
Oberfläche, um sich gleich darauf ruhig von der
Dünung tragen zu lassen. Wenn ein modernes
Tauchboot es versuchen wollte, bei so geringer
Wassertiefe in diesem spitzen Winkel zu tauchen,
dann drückte es sich ohne weiteres den Steven ein."
Der Kommandant wiegte bedenklich den grauen
Kopf.
Hussein Mahmud, fein Sohn, der sich auf Ur-
laub im Elternhaufe befand, legte das Fernglas
beiseite und nahm seinem Vater gegenüber auf
dem Ledersessel Platz. „Du bist dir doch darüber
klar," fuhr er fort, „daß gegenwärtig in Stambul
ein anderer Wind weht als bisher. Alle Welt weiß,
daß Rußland jetzt bei Beginn des großen europäi-
schen Krieges keinen anderen Gedanken hat, als
uns die Meerengen zu nehmen. In Stambul
weiß man recht gut, daß es sich hierbei um plan-
mäßige Vorbereitungen handelt, auch nach dem
uns noch gehörigen Stück des europäischen Fest-
landes zu greifen, und das wäre der Anfang vom
Ende des Osmanenreiches auch in Kleinasien. Mich
zwickt's in allen Fingern, einem der russischen
Panzerschiffe, die sich im Schwarzen Meere befinden,
einen Torpedo zwischen die Spanten zu jagen."
„Du magst recht haben, Hussein, und wenn ich
auch die Maßnahmen des jungen Feuerkopfes, der
jetzt in Stambul gebietet, nicht in allen Punkten
billigen kann, so würde ich mich doch freuen, wenn
es ihm gelänge, das morsche Gefüge unseres Reiches
wieder zusammenzuschweißen. — Doch sprich nur
weiter, mein Sohn, ich weiß, daß du in Stambul
gut angeschrieben bist, und als Marineoffizier mußt
du wissen, ob du der Regierung das Tauchboot des
Levantiners empfehlen kannst."
Der junge Offizier entnahm ein Merkblatt der
Tasche seines Bordjacketts, dann erklärte er: „Gleich
in den ersten Tagen meines Urlaubs machte ich
durch einen Zufall die Bekanntschaft Giuseppe
Fortis, und es gelang mir, das Vertrauen des wort-
kargen Alten zu gewinnen. Der Mann entstammt
einer sizilianischen Familie, die sich zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts in Kilissa niederließ. Er
wanderte als junger Mensch nach Amerika ans
und ist erst vor einigen Jahren zurückgekehrt, nach-
dem er seine Schiffswerft in Hoboken unter der
Hand verkauft hatte. Ganz freiwillig scheint Forti
indessen Amerika nicht verlassen zu haben, denn
aus einigen Andeutungen schließe ich, daß er sich
aus dem Marineamt der Union gewisse Pläne und
Zeichnungen zu verschaffen gewußt hat, die heute
noch als Staatsgeheimnis betrachtet werden. Unter
Benützung dieser Pläne erbaute der alte Levan-
tiner auf einer kleinen Werft, die er am Strande
anlegte, sein Tauchboot, dessen Einrichtungen und
Leistungen er mir oberflächlich erklärt hat, und das
er durch mich unserer Marineverwaltung zum Kauf
anbietet. Ich habe daher die Absicht, noch vor
Ablauf meines Urlaubs nach Stambul zurückzu-
kehren und durch Vermittlung meines Gönners,
des neuen Kriegsministers, der Admiralität Bericht
zu erstatten. Dazu ist es natürlich nötig, eine
Unterseefahrt an Bord der .Chimärcck, wie Forti
sein Boot genannt hat, mitzumachen, und das soll
morgen in den ersten Vormittagsstunden geschehen."
„Höre, das ist ein gefährliches Unternehmen!"
„Ist nicht so schlimm. Gelegentlich meines
Kommandos in Sheerneß hatte ich Gelegenheit,
an einigen Fahrten mit einem britischen Untersee-
boot teilzunehmen und bin daher kein Neuling auf
diesem Gebiet. Wenn ein Fahrzeug so zu manö-
vrieren imstande ist, wie ich es eben gesehen habe,
dann ist man darin sicherer aufgehoben als auf dem
alten Torpedoboot, das ich kommandiere. Besondere
Sorgfalt verwendete der alte Levantiner auf die
maschinellen Einrichtungen, die vermöge ihrer Kon-
struktion und des eigenartigen Brennstoffs —
übrigens ein Geheimnis Fortis — dem Boot bei
einer Stundenleistung von zwanzig Seemeilen
über Wasser und sechzehn Seemeilen unter Wasser
einen Aktionsradius von tausend Seemeilen an der
Oberfläche und von hundertfünfzig Seemeilen
untergetaucht verleihen. Die .Chimärcck ist etwa
zwanzig Meter lang und vier Meter breit; sie be-
sitzt Raum für drei kleine, aber äußerst wirkungs-
fähige Torpedo, die sich nach jedem Schuß selbst-
tätig ausbalancieren, und bedarf nur einer Be-
satzung von zwei Mann. Der Erfinder dachte eben
bei der Konstruktion seines Fahrzeugs nicht in erster
Linie an dessen Verwendung als Kriegsmittel,
sondern er wollte es der Wissenschaft dienstbar
machen und legte daher das größte Gewicht auf die
Druckfestigkeit des Rumpfes, um dadurch zu er-
möglichen, in Tiefen hinabzusteigen, in denen ein
modernes Lake- oder Hollandboot wie eine Eier-
schale zerdrückt werden würde. Man wird an Bord
der .Chimärcck durch die doppelten, in Bug und
Turm eingelassenen Kristallinsen im Licht des
elektrischen Scheinwerfers die Wunder der Tief-
see schauen und versunkene Schätze, die Jahrhunderte
hindurch auf dem Grunde des Meeres ruhten, wird
man ans Tageslicht fördern können, denn die
.Chimärcck besitzt nach den Angaben ihres Erbauers
die Fähigkeit, in Tiefen bis zu dreihundert Metern
hinabzusteigen."
Mustapha Ali hatte die begeisterte Schilderung
seines Sohnes mit gemischten Gefühlen angehört,
aber er kannte den festen Sinn Husseins zu gut,
darum verzichtete er auf jeden Versuch, den jungen
Offizier von seinem Vorhaben zurückzuhalten. „Viel
Glück!" sagte er nur leise und drückte dem Sohn
die Hand, dann folgte er dem Ruf des Muezzin zum
Gebet und begab sich in die kleine Festungsmoschee.
Einige Kilometer östlich vom Eingang des
Bosporus lag an einer halbkreisförmigen Ein-
buchtung des Golfs ein in das Wasser hinein-
gebauter Holzschuppen. Noch glänzte der Morgen-
tau auf den harten Strandgräsern, und aus der
See stiegen graue Frühnebel empor, als die breiten
Torflügel der Wasserseite des Schuppens sich öff-
neten, und ein seltsames Fahrzeug geräuschlos in
die leichtbewegte Flut hinausglitt. Der unbe-
fangene Beobachter würde wohl zuerst an einen
Fischtorpedo von riesigen Abmessungen gedacht
haben, wenn ihn nicht die beiden Männer, deren
Oberkörper aus einer turmartigen Erhöhung in
der Mitte des geheimnisvollen Fahrzeugs sichtbar
wurden, eines anderen belehrt hätten. Es war
die „Chimära", die jetzt in scharfem Bogen nörd-
lichen Kurs nahm, und die beiden Männer, die
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über Grandpre mit einem Bogen auf Dun, und
daselbst über die Maas, dann den Fluß aufwärts
und bei Verdun vorbei, welches mit Übereinkunft
an die Franzofen zurückgegeben ward; ebenso bei
Longwy, wo die Armee am 21. Oktober anlangte,
und nun das Luxemburgische erreichte, nach drei
Wochen langer Kette von Mühseligkeiten und Be-
schwerden. Der Feind hatte durchaus nicht ver-
folgt, nur die von Clermont abziehenden Hessen
bis gegen Verdun, und die Emigranten in der
Gegend von Grandpre etwas gedrängt. In dem
grundlosen Wege aber waren mit fortwährendem
Marsch nur kurze Strecken täglich zurückgelegt, ein-
mal anderthalb Meilen in sechsunddreißig Stunden.
Eine Menge von Menschen waren im Kot stecken
geblieben und der Überrest zum größten Teil krank.
Die Zahl der Streitfähigen, die bei Luxemburg
ankamen, wird auf kaum zwanzigtaufend Mann
geschätzt, und allerdings war für den Augenblick
auch der Feind nicht zu etwas Kräftigem und
Kühnem aufgelegt."
Wie große Kälte, besonders wenn sie lange an-
hält, wirken kann, wissen wir alle aus den Schreck-
nissen, die die große französische Armee auf ihrem
Rückzüge von Moskau 1812 durchzumachen hatte.
Infolge der furchtbaren Kälte, allerdings auch des
Nahrungsmangels und der Angriffe der Russen,
schmolzen die Kampffähigen der Napoleonischen
Armee, die mit hunderttausend Mann am 18. Ok-
tober Moskau verlassen hatte, bis zum 13. November
auf vierzigtaufend Mann zusammen. Von sieben-
unddreißigtausend Mann Kavallerie, mit denen
Napoleon über den Riemen gegangen war, waren
nur noch dreitausend Berittene übrig.
Auch im Winter 1871 haben Franzosen und
Deutsche durch die Kälte, die mit einer Heftigkeit
auftrat, wie man sie in Frankreich seit vielen Jahr-
zehnten nicht mehr gewöhnt war, schwer gelitten.
Die Entsatzarmee, die Paris retten wollte und sich
unter General Faidherbe in der Nähe von Amiens
gebildet hatte, wurde so vorzüglich geführt, daß sie
den Deutschen ernstlich gefährlich wurde, besonders
da letztere nur geringe Kräfte der neuen Armee
entgegenstellen konnten. Aber wiederholt konnte
General Faidherbe Vorteile, die er errungen hatte,
nicht ausnützen, weil er es nicht wagte, seine jungen,
wenig kriegsgeübten Truppen bei einer Kälte von
zwanzig Grad im Freien biwakieren zu lassen.
Um die Leute nur einigermaßen gegen die Kälte
geschützt unterzubringen, mußte er gute Positionen,
die mit vieler Mühe erkämpft waren, wieder auf-
geben und sich für die Nacht zurückziehen.
Wie bereits erwähnt, war 1904/05 die Kälte
in der Mandschurei so groß, daß Russen und Ja-
paner die Kümpfe für Wochen völlig einstellen
mußten.
Noch andere Unannehmlichkeiten bringt die
winterliche Kälte mit sich. Eine solche ist zum Bei-
spiel das Glatteis, durch das die Kavallerie voll-
ständig lahmgelegt und fast wehrlos gemacht wird.'
Selbst wenn es gelingt, den Kavalleriepferden die
Eisen zu schärfen und sogenannte Schraubstollen
anzuwenden, kommen doch bei Glatteis die Reiter
nicht mehr vorwärts; sie müssen absitzen und die
Pferde führen, wobei die Tiere dennoch oft genug
stürzen und ein Überfall durch feindliche Infanterie
verhängnisvoll werden kann.
Daß bei strenger Kälte nicht nur die armen Ver-
wundeten, die hilflos daliegen, sondern auch un-
verwundete Wachtposten oft erfrieren, haben die
schrecklichen Vorfälle im russisch-türkischen Feld-
zuge im Jahre 1877 erwiesen. Im Dezember und
Januar fanden die furchtbaren Kämpfe um den
Schipkapaß statt, und jede Nacht wurden russische
und türkische Posten auf ihren Plätzen erfroren
aufgefunden, fast ganz von Schnee bedeckt. Daß
Schneestürme verhängnisvoll für ganze Truppen-
abteilungen werden können, besonders in unwirt-
lichem Gelände und wenn keine Unterkunft erreicht
werden kann, ist begreiflich. Langdauernde Schnee-
fälle ohne Frost erschweren das Fortkommen für
alle Truppengattungen, für Menschen und Tiere,
und nicht zu strenger Frost, der die Schneedecke
festigt und alle Wasserläufe mit einer Eisdecke über-
zieht, wird von allen Truppengattungen mit
Freuden begrüßt.
Vom Frühherbst an bis in den Frühling hinein
beeinflußt der Nebel die Kriegführung häufig sehr
unangenehm. Lagernde und marschierende Truppen
sind im Nebel stark gefährdet, weil sie einerseits
beständig fürchten müssen, ahnungslos auf den
Feind zu stoßen, und weil anderseits Überfälle
außerordentlich leicht sind, da der Gegner un-
gesehen herankommen kann. Nebel auf See sind
für die Flottenunternehmungen sehr hinderlich, da sie
die Aussicht unmöglich machen und die Schiffe der
eigenen Flotte im Nebel leicht zusammenstoßen
können.
Gewitter haben in früherer Zeit die Krieg-
führung wohl nicht so stark beeinflußt wie gegen-
wärtig, wo fast alle Nationen den Luftverkehr auch
für den Krieg anwenden. Wohl werden sich unsere
tapferen Luftschiffer, sei es in Lenkballonen oder
in Flugzeugen, auch durch schwere Gewitter nicht
abhalten lassen, ihren Dienst zu tun; aber es ent-
steht doch für alle Luftfahrzeuge durch die Gewitter
große Gefahr nicht nur durch Blitzschläge, sondern
auch durch die oft mit furchtbarer Wucht einsetzen-
den Gewitterböen, wobei der Sturm Luftschiffe
und Flugzeuge mit Gewalt Hunderte von Metern
aufwärts oder abwärts wirft.
Schwere anhaltende Stürme beeinflussen natür-
lich die Gebrauchsfähigkeit von Flugzeugen und
lenkbaren Luftschiffen ungeheuer. Auf den See-
krieg haben die Stürme selbstverständlich den
größten Einfluß, und anhaltender Sturm macht es
Kriegschiffen großer und kleiner Art wenn nicht
unmöglich, so doch sehr schwer, überhaupt den
Hafen zu verlassen und sich auf hoher See zu be-
haupten. Und doch sind anderseits stürmisches
Wetter und die Finsternis der Nacht für kühne
Handstreiche in der Marine auch wieder günstig.
Überfälle durch Untersee- und Torpedoboote auf
ankernde feindliche Flotten werden am leichtesten
ausgeführt in pechfinsteren Sturmnächten.
Als eine günstige Fügung des Himmels haben
wir es zu betrachten, daß sich die Mobilmachung
und der Aufmarsch für den jetzt tobenden Welt-
krieg bei so prachtvollem Wetter vollzogen hat.
Die Mobilmachung und der Aufmarsch der Armeen
sind dadurch außerordentlich gefördert worden. Vor
allem aber ist der Gesundheitszustand der Truppen
gut geblieben. Hoffen wir, daß auch im weiteren
Verlauf des gewaltigsten Kampfes, den die Erde je
gesehen, der Wettergott dem deutschen Heere wohl-
gesinnt bleiben möge.
Rn 8ofd der »Wmsrs«.
Line Unterseedootfghrt. von L. van Rügen.
(Nachdruck verboten.)
HI^A^Isiustapha Ali Bei, der Kommandant der
,81^8/8 kleinen türkischen Küstenfestung, schob die
III8 I geleerte Mokkatasse zurück und zündete
WMltM seine Wasserpfeife an, dann wandte er
sich zu dem jungen Marineoffizier, der, das Fern-
glas vor den Augen, in der Fensternische lehnte
und durch die bleigefaßten Butzenscheiben auf die
rollende Dünung des Schwarzen Meeres blickte.
„Also, du bist der Ansicht, Hussein, daß die Er-
findung des alten Levantiners aus Kilissa, der dort
allgemein nicht ernst genommen wird, für den See-
krieg wirklich verwertbar ist?"
Der junge Offizier machte eine mißmutige Be-
wegung. „Die Meinung des invaliden Hafen-
kapitäns von Kilissa und einiger unwissender Fracht-
schiffer ist nicht maßgebend, Vater. Ich bin viel-
mehr davon überzeugt, daß der alte Forti von der
Schiffskonstruktion mehr versteht als unsere Sach-
verständigen. Vor fünf Minuten tauchte sein
kleines Boot bei voller Fahrt fast senkrecht in die
See, und eben schoß es wieder wie ein Pfeil an die
Oberfläche, um sich gleich darauf ruhig von der
Dünung tragen zu lassen. Wenn ein modernes
Tauchboot es versuchen wollte, bei so geringer
Wassertiefe in diesem spitzen Winkel zu tauchen,
dann drückte es sich ohne weiteres den Steven ein."
Der Kommandant wiegte bedenklich den grauen
Kopf.
Hussein Mahmud, fein Sohn, der sich auf Ur-
laub im Elternhaufe befand, legte das Fernglas
beiseite und nahm seinem Vater gegenüber auf
dem Ledersessel Platz. „Du bist dir doch darüber
klar," fuhr er fort, „daß gegenwärtig in Stambul
ein anderer Wind weht als bisher. Alle Welt weiß,
daß Rußland jetzt bei Beginn des großen europäi-
schen Krieges keinen anderen Gedanken hat, als
uns die Meerengen zu nehmen. In Stambul
weiß man recht gut, daß es sich hierbei um plan-
mäßige Vorbereitungen handelt, auch nach dem
uns noch gehörigen Stück des europäischen Fest-
landes zu greifen, und das wäre der Anfang vom
Ende des Osmanenreiches auch in Kleinasien. Mich
zwickt's in allen Fingern, einem der russischen
Panzerschiffe, die sich im Schwarzen Meere befinden,
einen Torpedo zwischen die Spanten zu jagen."
„Du magst recht haben, Hussein, und wenn ich
auch die Maßnahmen des jungen Feuerkopfes, der
jetzt in Stambul gebietet, nicht in allen Punkten
billigen kann, so würde ich mich doch freuen, wenn
es ihm gelänge, das morsche Gefüge unseres Reiches
wieder zusammenzuschweißen. — Doch sprich nur
weiter, mein Sohn, ich weiß, daß du in Stambul
gut angeschrieben bist, und als Marineoffizier mußt
du wissen, ob du der Regierung das Tauchboot des
Levantiners empfehlen kannst."
Der junge Offizier entnahm ein Merkblatt der
Tasche seines Bordjacketts, dann erklärte er: „Gleich
in den ersten Tagen meines Urlaubs machte ich
durch einen Zufall die Bekanntschaft Giuseppe
Fortis, und es gelang mir, das Vertrauen des wort-
kargen Alten zu gewinnen. Der Mann entstammt
einer sizilianischen Familie, die sich zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts in Kilissa niederließ. Er
wanderte als junger Mensch nach Amerika ans
und ist erst vor einigen Jahren zurückgekehrt, nach-
dem er seine Schiffswerft in Hoboken unter der
Hand verkauft hatte. Ganz freiwillig scheint Forti
indessen Amerika nicht verlassen zu haben, denn
aus einigen Andeutungen schließe ich, daß er sich
aus dem Marineamt der Union gewisse Pläne und
Zeichnungen zu verschaffen gewußt hat, die heute
noch als Staatsgeheimnis betrachtet werden. Unter
Benützung dieser Pläne erbaute der alte Levan-
tiner auf einer kleinen Werft, die er am Strande
anlegte, sein Tauchboot, dessen Einrichtungen und
Leistungen er mir oberflächlich erklärt hat, und das
er durch mich unserer Marineverwaltung zum Kauf
anbietet. Ich habe daher die Absicht, noch vor
Ablauf meines Urlaubs nach Stambul zurückzu-
kehren und durch Vermittlung meines Gönners,
des neuen Kriegsministers, der Admiralität Bericht
zu erstatten. Dazu ist es natürlich nötig, eine
Unterseefahrt an Bord der .Chimärcck, wie Forti
sein Boot genannt hat, mitzumachen, und das soll
morgen in den ersten Vormittagsstunden geschehen."
„Höre, das ist ein gefährliches Unternehmen!"
„Ist nicht so schlimm. Gelegentlich meines
Kommandos in Sheerneß hatte ich Gelegenheit,
an einigen Fahrten mit einem britischen Untersee-
boot teilzunehmen und bin daher kein Neuling auf
diesem Gebiet. Wenn ein Fahrzeug so zu manö-
vrieren imstande ist, wie ich es eben gesehen habe,
dann ist man darin sicherer aufgehoben als auf dem
alten Torpedoboot, das ich kommandiere. Besondere
Sorgfalt verwendete der alte Levantiner auf die
maschinellen Einrichtungen, die vermöge ihrer Kon-
struktion und des eigenartigen Brennstoffs —
übrigens ein Geheimnis Fortis — dem Boot bei
einer Stundenleistung von zwanzig Seemeilen
über Wasser und sechzehn Seemeilen unter Wasser
einen Aktionsradius von tausend Seemeilen an der
Oberfläche und von hundertfünfzig Seemeilen
untergetaucht verleihen. Die .Chimärcck ist etwa
zwanzig Meter lang und vier Meter breit; sie be-
sitzt Raum für drei kleine, aber äußerst wirkungs-
fähige Torpedo, die sich nach jedem Schuß selbst-
tätig ausbalancieren, und bedarf nur einer Be-
satzung von zwei Mann. Der Erfinder dachte eben
bei der Konstruktion seines Fahrzeugs nicht in erster
Linie an dessen Verwendung als Kriegsmittel,
sondern er wollte es der Wissenschaft dienstbar
machen und legte daher das größte Gewicht auf die
Druckfestigkeit des Rumpfes, um dadurch zu er-
möglichen, in Tiefen hinabzusteigen, in denen ein
modernes Lake- oder Hollandboot wie eine Eier-
schale zerdrückt werden würde. Man wird an Bord
der .Chimärcck durch die doppelten, in Bug und
Turm eingelassenen Kristallinsen im Licht des
elektrischen Scheinwerfers die Wunder der Tief-
see schauen und versunkene Schätze, die Jahrhunderte
hindurch auf dem Grunde des Meeres ruhten, wird
man ans Tageslicht fördern können, denn die
.Chimärcck besitzt nach den Angaben ihres Erbauers
die Fähigkeit, in Tiefen bis zu dreihundert Metern
hinabzusteigen."
Mustapha Ali hatte die begeisterte Schilderung
seines Sohnes mit gemischten Gefühlen angehört,
aber er kannte den festen Sinn Husseins zu gut,
darum verzichtete er auf jeden Versuch, den jungen
Offizier von seinem Vorhaben zurückzuhalten. „Viel
Glück!" sagte er nur leise und drückte dem Sohn
die Hand, dann folgte er dem Ruf des Muezzin zum
Gebet und begab sich in die kleine Festungsmoschee.
Einige Kilometer östlich vom Eingang des
Bosporus lag an einer halbkreisförmigen Ein-
buchtung des Golfs ein in das Wasser hinein-
gebauter Holzschuppen. Noch glänzte der Morgen-
tau auf den harten Strandgräsern, und aus der
See stiegen graue Frühnebel empor, als die breiten
Torflügel der Wasserseite des Schuppens sich öff-
neten, und ein seltsames Fahrzeug geräuschlos in
die leichtbewegte Flut hinausglitt. Der unbe-
fangene Beobachter würde wohl zuerst an einen
Fischtorpedo von riesigen Abmessungen gedacht
haben, wenn ihn nicht die beiden Männer, deren
Oberkörper aus einer turmartigen Erhöhung in
der Mitte des geheimnisvollen Fahrzeugs sichtbar
wurden, eines anderen belehrt hätten. Es war
die „Chimära", die jetzt in scharfem Bogen nörd-
lichen Kurs nahm, und die beiden Männer, die