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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 5
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V35 Luch fül- Ltte i—— --yest 5

„Gerade deshalb!"
Da streckte der Großbauer die Beine weit von sich,
stieß die Hände in die Hosentaschen und sagte:
„Also, das geb' ich nicht zu! Und wenn du nicht
gleich stille bist, jag' ich die Kathrin noch heute abend
vom Hofe."
Der Henner sah die Zornader auf seines Vaters
Stirn schwellen, aber er antwortete, fest entschlossen
die Aussprache bis zum Ende zu führen: „Das steht
in deiner Hand. Die Kathrin findet gleich wieder
ein Unterkommen."
„Na also! Sie hat dir den Kopf verdreht.
Kommst du wieder aus dem Feldzug, wirst du anders
denken."
Aber der Junge ließ nicht locker. „Sie hat mich
abgewiesen. Immer und immer wieder."

„Das war sehr vernünftig von der Kathrin."
Nun verließ den Henner die Geduld. „Du bleibst
also dabei, Vater?"
„Zu deinem Besten!"
Da fuhr der Stuhl zurück, auf dem der Henner
gesessen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er
aus dem Zimmer. Zwei Minuten später knallte die
Haustür zu.
Nun stand der Großbauer am Fenster, Paffte
dicke Rauchwolken aus seiner kurzen Pfeife und sah
dem Sohne nach, der durchs Hoftor schritt. Und als
er ihn nicht mehr sehen konnte, drehte er sich nur
und blickte hinüber nach der großen Photographie,
die an der Wand hing. Ernst, fast hochmütig sah das
Bild seiner Frau aus dem schwarzen Rahmen. Wenn
die den Tag erlebt hätte! Ruhig hätte sie ihr ein-

ziges Kind für das Vaterland hergegeben! Daß der
Junge aber eine Magd heiraten wollte, das hätte sie
nie und nimmer zugegeben. Na, es war noch nicht
aller Tage Abend. Und so eine Sache jetzt über das
Knie brechen zu wollen, wäre eine Dummheit ge-
wesen.
Da setzte sich der Bauer wieder vor seinen Stein-
häger, trank mehr als ihm zuträglich war und Paffte
dazu wie ein Schornstein. ...
Abends, gegen sechs, saß er auf der Bank am
Hoftor und biß wütend auf seine nicht mehr bren-
nende Pfeife. Es gab Spektakel. Der Henner würde
kein Hehl aus seinem Vorhaben machen, wahrschein-
lich war er ins Nachbardorf gegangen zu Kathrins
Vater.
Nichtig — fünf Minuten später kam er mit der


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Kathrin an. Er ging mit der Magd gleich auf seinen
Vater zn.
„Die Brüder der Kathrin schicken dir die Würste
zurück. Wenn ihre Schwester nicht gut genug für
den Hemfurther Hof ist, wollen sie auch nichts von
ihm haben."
Langsam nahm der Großbauer die Pfeife aus
dem Munde, sah die beiden eine halbe Minute lang
an, dann sagte er gelassen: „Die Kathrin kann ihren
Korb packen."
Der zuckten die Mundwinkel, jähe Rote schlug ihr
ins Gesicht, dann warf sie den Kopf in den Nacken.
„Bauer, ehrlich bin ich gekommen, ehrlich bin ich
geblieben, ehrlich will ich vom Hofe gehen. Also erst
nach ordentlicher Kündigung, denn wir Scherps sind
anständige Leute."
„Da Hütt' ich dich ja noch anderthalb Jahre auf
dem Halse!" schrie sie der Großbauer an.
„Ja! Und mit Geld lass' ich mich nicht abfinden!
Ta klag' ich! Es geht um meine Ehre!"
Eine Klage? Jetzt? Da würde er vor dem ganzen
Dorf an den Pranger gestellt. Gelassen sagte er:
„Dann geh' an deinen Dienst, Kathrin! Jetzt gibt's
Wichtigeres zu tun, als sich zu zanken! — Henner,

setz dich zu mir auf die Bank! Das nächste Mal sitze
ich allein hier!"
Die Magd ging. Mit finsterem Gesicht setzte sich
der Sohn neben seinen Vater.
„Jung, lassen wir die Sache jetzt ruhen. Du bist
mein Einzigster. Und morgen früh ziehst du ins
Feld!"
Der Henner zog sich die Fingergelenke lang, daß
sie knackten. „Hast recht, Vater! Ich weiß auch
nicht, ob ich wiederkomme."
»Ja — das weiß man nicht! — Und wenn du
wiederkommst, wird sich das weitere finden."
„Mein'.ich auch! Nur versprechen mußt du mir,
daß du die Kathrin anständig behandelst und nicht
vor der Zeit vom Hofe treibst."
Draußen stand noch fast die ganze Ernte, und
die Magd war tüchtig. „Ich treib' sie nicht runter
vor der Zeit!"
„Dann ist's gut, Vater!"
Bauern machen nicht viele Worte. Was der
Vater sagte, das galt — das wußte der Henner.
Und als er am nächsten Morgen von der Kathrin
Abschied nahm, knallte Wohl der Großbauer ein
paarmal ungeduldig mit der Peitsche, denn er fuhr

seinen Sohn selbst zur Bahn, aber er sagte kein Wort,
als der endlich auf den Wagen kletterte.
*
Natürlich sprach cs sich schnell herum. Der Henner
vom Hemfurther Hof und die Kathrin! Das Gesinde
vom Hofe wurde ausgefragt, zuckte aber nur die
Achseln. Es wollte es nicht mit dem Großbauern ver-
derben, der in den harten Kriegszeiten seinen Leuten
höheren Lohn und reichlicheres Zumaß an Korn und
Kartoffeln für die Verheirateten ausgeworfen hatte.
Man steckte sich schließlich hinter Kathrins Vater.
Der aber machte kurzen Prozeß, spuckte verächtlich
aus und sagte: „Der Henner ist im Krieg. Ein
grader Kerl denkt in solcher Zeit nicht ans Hei-
raten, sondern wie er den Franzosen die Jacke voll-
haut!"
Auch zum Pfarrer drang das Gerücht. Das Dorf,
aus dem die Kathrin stammte, gehörte mit zu seinem
Kirchsprengel. Er wußte über die Familie ganz
genau Bescheid. Die vier Jungen des Chaussee-
wärters waren brave Arbeiter, zwei hatten sich ein
schönes Geld bei der Talsperre verdient, einer war
Zimmermann, der vierte Weißbinder. Sie kamen
 
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