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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0158
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Va88uchsülMe
Illustrierte fsmilienreitung
7. liest. 1915.
Lmsriksn. Ooxi^rixlN 191t Kx Union vontseks VerlL^s^esoNsvlinkt, Stnttxnrt.


König Karol I. von Rumänien (8. 1SZ)
Usch einer phowjirnphie von a. Sroft in veriin.
Altäre noch nicht ganz vergessen hast, will ich dein
Gewissen erleichtern und wieder einschlafen."
Er drehte sich auf die Seite und entschlummerte
im Nu.
Frau Suse aber stöberte iu ungreifbaren Mög-
lichkeiten so lange umher, bis ein ausgesucht kräftiger

Der Syndikus, der inzwischen mit seiner Toilette
fertig geworden war, zog sich die Schlafmütze über
die Ohren mit einer Miene, die zwischen Lachen
und Verdruß die Mitte hielt, nahm eine bequeme
Rückenlage an und schloß die Angen.
„Wir werden besprochen hinten und vorne, man
zischelt über uns, wo wir sichtbar werden. Lavinia
hat alle bisherigen Verehrer auf den T»d verwundet,
und ich sitze nur noch auf Kohlen. Oh, wie kannst
du da uur schnarchen, Lebrecht!"
Der Syndikus, bereits sanft entschlummert
unter dem Wortgeplätscher seiner Gattin, fuhr
in die Höhe, daß seine Mützentroddel wie ein
Perpendikel hin und her flog. „Weib! Hast du
nicht soeben gesagt, du wüßtest, daß ich schlafen
wollte?"
„Lebrecht!"
Er setzte sich in seinem Nachthabit aufrecht hin
und öffnete nur das rechte Auge, um nicht ganz
munter zu werden. „Wenn du das weißt, warum
stichelst du dann an mir herum wie eine Nadel, statt
mir die Ruhe zu gönnen? — Weib! Ist das deine
Ehefrauensorge um mein Wohl? Oder hast du die
Absicht, mich durch Schlafentziehung ins Jenseits
zu befördern?"
„Ach nein, Lebrccht!"
„Weib!" Dabei machte er einen kleinen Hopser
mit dem Oberkörper, als wolle er aus dem Bett
herausspringen. „Wenn du deinen Eid vor dem

Vas grüne kjaus.
koman aus der Medermeierreit.
von Seorg Hartwig (Emmg Koeppel).
ckoalelnmg.) - (Nachdruck verboten.)
Zwölftes Kapitel.
Poghammers Beobachtungen waren
MMW zutreffend. Lorchcn, das fröhliche, lieb-
IMM liche Lorchen, der Sonnenschein im Hanse,
ID-M das flinke Eidechschen für alle Wünsche,
sah mit ganz anderen Augen wie ehe-
mals in die Welt, in die häßlich vergraute und
entfärbte Welt, die, so bunter Reize voll, in letzter
oeit so düster vor ihr gelegen. Sie wußte, daß vor
5-avinias strahlendem Glanze ihr geduldetes Dasein
Wh demutvoll zu neigen hatte, aber nie war ihr diese
Notwendigkeit so bitter schwer aufs Herz gefallen.
.. Alle, alle hatte sie geruhig um Lavinias Gunst
üch bemühen sehen, nie Neid und Mißgunst emp-
funden; bei Wostermann allein krampfte sich etwas
ist ihr zusammen, daß sie seinen Namen nicht mehr
über die Lippen und sein Bild nicht mehr aus ihren
-Damnen zu bringen vermochte.
Daß sie in dieser stillen Trauer noch viel schöner
chur als im fröhlichen Gleichmut, ahnte sie selbst
^cht. Aber andere sahen cs, die Physikussin und
>udmilla Lidersang zum Beispiel. Beide
>u loderndem Zorn gegen die Verpetzerin
^uvstüa entbrannt, nannten die Hoch-
^"feierte insgeheim eine milchige Kokette
^vgenüber der Noscnblüte Lorchen Him-
Es blieb dabei: Wostermann hatte das
Städtchen in zwei Parteien geteilt, nach-
s^ln er wie eine Bombe in die allgemeine
Friedlichkeit desselben hineingcfallen war.
^Ueseuigen, die mit der herrschenden Fa-
fUllie durch dick und dünn gingen, fanden
Urne gesellschaftliche Aufnahme aus An-
fundsgrüudcn berechtigt, wogegen alle, die
Uch eine eigene Meinung gestatteten, die
Notwendigkeit solcher Änstandsbezeigung
orleugneten und von sich abwiesen.
Wer bei solchem bedrohlichen Zwiespalt
^unz aus ihrer Ruhe kam, war Frau Suse
Dusinger. Wenn sie nicht gesehen hätte,
Lavinia unter ihrem hochroten Kopf-
Uhal Wostermann einen lieblichsten Ab-
Dudsblick vergönnte, würde sie ihrer
Schwester Jette Meinung beherzigt und
N geschämt haben. So aber griff die
?orge in ihr weiter um sich, den Neffen
02 Totendoktors auf dem. von ihrem eige-
on Mann eröffneten Wege unverzagt vor-
urtsschreiten zu sehen.
Also nahm sie die Gelegenheit wahr,
wem Lebrecht, da er nicht entschlüpfen
^unte, dieweil er sich eben im Bett die
i uckstnmtze aufsetzte, vou ihrer Sorgen-
pure etwas mitzuteilen.
H »Wenn ich du wäre, Hirsiuger," sagte
!" vor seinem Lager stehend, dessen Gar-
^»ue st^> cmporgcrafft hielt, „könnten alle
^uchyMtzen der Welt mir nicht den Vor-
aus der Seele nehmeu, der Urheber
er dieser Mißstände gewesen zu sein. Ich
daß du schlafen willst, aber mit einer solchen
^?rantwortung solltest du an Schlaf nicht denken,
y Schlange, Lebrecht, hast du uns ins Haus
^BUcht und deine Tochter der Gefahr ausgesetzt,
fe Schlange wohlgefällig zu beäugen. Wenn du
Noch nicht wissen solltest —"
181-,.

Schnarchton ihres Gatten sie in die nächtliche Wirk-
lichkeit zurückschreckte. —
Als das Kaffeefeuer am anderen Morgen lustig
prasselte und die Syndikussin die Bohnen sorgsam
abmaß, erfreute Kathrine ihre Herrin durch einige
Gaben aus ihrem Prophetenschatz.
„Hört, Madam, wie das Holz knackt? Das gibt
Besuch. Darauf kann sich jeder verlassen, der Sinn
und Verstand hat. Und weiß Madam wohl, was
ich geträumt habe?"
Die Syndikussiu klappte die Kaffeebüchse zu.
„Ist Sie närrisch, daß ich das wissen soll?"
„Von lauter Ungeziefer!" rief Kathrine trium-
phierend. „Und das bedeutet was Gutes, Madam.
Auch Feuer habe ich gesehen — und noch was!"
Frau Suse, die nicht fragen Ivollte, fragte dennoch.
„Was denn?" Ihr schlugen diese Weissagungen
wieder wunderlich tief ins Gemüt.
Lieblich verschämt grinste Kathrine in den Kaffee-
topf hinein. „Von einem Pfefferkuchenherz. Und
wenn man davon träumt, da gibt's was Neues.
Steche die Madam sich nur uicht au der Latznadel,
Paß kein Blut kommt. Das ist nicht gut, wenn man
von so was geträumt hat."
„Schweige Sie endlich mit Ihren Geschichten!"
sagte die Syndikussin und ging bedrückt aus der
Küche.
Seine städtischen Pflichten machten Hirsinger
nicht so viel zu schaffe«, daß er uicht nebenbei seiner
Privatliebhaberei, alte Geschichtswerke zu
studieren, obzuliegeu vermochte. So stand
er um die Mittagstunde behaglich und be-
häbig am Schreibpnlt, einen schweinsledernen
Folianten anfgeschlagen vor sich, die frisch-
gestopfte Pfeife im Munde, als ein Klopfen
gegen seine Tür diese angenehme Muße störte.
Er knurrte „Herein!"
Und herein trat Wostermann. Den
Mantel hatte er draußen übers Treppen-
geländer gelegt und stand mm in blauem
Frack mit lichtgelber Weste an der Schwelle.
„Nanu?!" sagte der Syndikus, den glän-
zenden Aufzug kopfschüttelnd betrachtend.
„Was ist denn los mit Ihnen?"
Wostermann ging ohne Zögern auf ihn
zu und reichte ihm die Hand. „Herr Syn-
dikus, ich komme v oll Vertrauen zu Ihnen—"
„Aber nichts wieder mit Säbel- und
Schießgeschichten, bitte recht sehr!" sagte
Hirsinger halb verdrossen, halb scherzhaft,
den Händedruck flüchtig erwidernd. „Wenn
Sie sonst ein Anliegen haben, dienstlich —"
„Nie war ein Wunsch, wie der, den ich
auf dem Herzen habe, weniger dienstlich.
Und indem ich ihm Ausdruck gebe, fühle
ich die hohe und höchste Bedeutung dieses
Wunsches, abgemessen an der Hoffnung,
die er in mir erweckt und genährt hat —"
War es die Leidenschaftslosigkeit dieser
wohlgesetzten Worte oder war es das ge-
ringe Interesse, das er an anderer Leute
Machenschaften empfand — der Syndikus
brach die Rede ab, indem er nach einem
kräftigen Pfeifenzug kurzweg fragte: „Wo-
mit also kann ich dienen?"
Wostermann verbiß eine verletzte Re-
gung und sagte ebenso kurzweg: „Ich bitte
Sie' um die Hand Ihrer Tochter, Herr
Syndikus."
Hirsinger sah ihm eine Weile vor Staunen und
im Rückblick auf die nächtliche Unterredung starr ins
Gesicht, blies eine mächtige Dampfwolke zur Seite,
schüttelte den schwarzen Haarschopf und sagte mit
einer Schwankung zwischen Humor und Spott: „Zu
den Blöden gehören Sie gerade nicht, lieber Doktor.
 
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