148 —. — .- Vas Luch für- MSe
auch noch, erfahren und für Rechenexempel dann
mehr Verständnis haben. Na, schlucken Sie herunter,
was da heranskommen sollte! Ich nehme es für
genossen. Lieber Doktor, ein Waffengang ist im
allgemeinen leichter als ein Freiersgang. Wissen
Sie, was mein Schwiegervater mir bei dieser Ge-
legenheit für ein Kompliment machte? Einen solchen
Krakeeler, wie ich, wolle er sich in der Familie schon
gefallen lassen, den zweiten nicht. — Na, also ver-
suchen Sie's — und leben Sie wohl!"
Er wartete ab, bis die Tür sich geschlossen.
Dann setzte er die Pfeife ärgerlich in den Pfeifen-
ständer. Seine Fran hatte recht behalten. Er rief
also mit etwas zerknitterter Stimme über den Flur:
„Suse!"
Sie kam im Galopp die Bodentreppe herunter,
das gute, runde Gesicht von der Eile dunkel gerötet.
Der Syndikus fuhr sich einige Male durch den
Haarschopf. „Es kommt bisweilen vor, daß die
Henne klüger ist als der Hahn. Und zwar deshalb,"
setzte er sich straffend hinzu, „weil ihr Weiber überall
herumguckt und auf jeden Quark achtet, was der
Mann als unwürdig von sich weist. Um es kurz zu
machen: Wostermann hat eben um Lavinia an-
gehalten."
Da sie vor Schreck sprachlos stand, tippte Hirsinger
ihr auf die Schulter. „Brauchst keine Angst zu haben.
und Bitterkeit an. Zugleich entbrannte der Zorn
gegen seinen Oheim, den Urheber dieser geschäft-
lichen Abfertigung, in seiner Brust von neuem so
heftig, daß er, nicht gewillt, mit einem Korbe hinaus-
zugehen, erregt sagte: „Ich hatte mich allerdings
zu etwas anderem versehen, Herr Syndikus, als zu
einem bloßen Rechenexempel, in dem meine Per-
sönlichkeit und meine Fähigkeiten keine Zahlen-
berechtigung haben. Indessen, da Sie das Glück
Ihrer Tochter von einem Plus abhängig machen,
will ich mich dieser Anschauung fügen und meinen
Oheim zu bestimmen suchen, das Versprechen schrift-
lich zu geben."
„Recht so!" sagte Hirsinger, unbekümmert in
seinem Pfeifenkopf herumstochernd. „Überdies ist
Beckmoder ein alter Mann, über kurz oder lang
kann's mit ihm plötzlich ans fein." Er reichte Woster-
mann die Hand. °,Es ist ein verflixter Unterschied,
lieber Doktor, ob ich für meinen eigenen Kopf oder
den eines anderen Sorge trage. Das werden Sie
König Ferdinand von Rumänien. (5.153)
Nüch -El- Photographie der tZerliner 1»ustrptions-Setepslh-ist m. d. l). in Lerlin.
Sehen Sie mal, da sind einige Herren, die schwärmen
schon ein Paar Jahre meine Tochter an, aber so weit
ist die Courage noch nicht mit ihnen durchgegangen,
mich so zu überfallen wie Sie."
„Schlimm genug für diese Herren," sagte Woster-
mann ohne Zaudern, „daß sie sich so wenig Wert
zutrauen und in der Ferne stehen bleiben, wo sie
Gelegenheit hätten, ihre Persönlichkeit voll ein-
zusetzen. Ich kann diese Herren nur bedauern, zum
Muster nehmen nie."
Dem Syndikus verging der Spott. „Na, nehmen
Sie Platz. Wie kommen Sie eigentlich auf den
Gedanken, meine Tochter Lavinia sich geneigt zu
glauben? Haben Sie mit ihr gesprochen?"
„Kein Wort. Doch weiß ich, daß Ihre Tochter
für meine Person mehr empfindet als für die Ge-
samtheit ihrer sonstigen Verehrer."
„So, wissen Sie das? Mir ist es völlig neu.
Und außerdem: womit gedenken Sie denn meine
Tochter zu ernähren?"
„Mit meiner Praxis."
„So! Haben Sie welche?"
„Ich werde sie bekommen, Herr
Syndikus."
„Da bin ich nun anderer Ansicht,
solange Ihr Oheim lebt. — Ich weiß,"
schnitt er einen Einspruch Wostermanns
rasch ab, „ich gab Ihnen ein paar Rat-
schläge, aber, lieber Doktor, dir gab ich
Ihnen als gänzlich Unbeteiligter, als
gänzlich Uninteressierter. Sowie meine
Tochter ins Spiel kommt, stehen die
Sachen ganz anders. So viel, wie Sie
vielleicht glauben, besitze ich nicht an
Vermögen und bin jedenfalls nicht in
der Lage, einen zweiten Hausstand mit
zu erhalten. Am allerfernsten liegt mir
aber der Gedanke, meine hochgefeierte
und allezeit verwöhnt gewesene Tochter
in ihren Ansprüchen herabsteigen zu
sehen. Brauchen deshalb nicht beleidigt
zu sein. Ein wohlmeinender Ratgeber
und ein vorsichtiger Vater sind zweierlei."
„Das weiß ich, Herr Syndikus."
„Sie können mir nicht nachsagen,
lieber Doktor, daß ich Sie den Toten-
doktorneffen habe fühlen lassen."
„Nein, niemals!"
„Ich habe auch gegen Ihre Person
nichts einzuwenden, soweit ich diese
beurteilen kann, nnd ich glaube auch,
daß ein junges Mädchen nicht un-
empfänglich gegen Ihre Huldigungen
bleiben dürfte. Aber, lieber Doktor, da-
mit machen wir halt. Die Herren, von
denen ich vorhin sprach — Pieper ist als
Volontär nach Lübchow geschickt worden,
weil sein Vater wünscht, daß er seine
landwirtschaftlichen Dummheiten lieber
auf anderer Leute Gütern mache als
auf seinem eigenen. Moselbach ist von
Hause aus vermögend und dann aus-
kömmlich honoriert im Amt. Pulver-
machers alte Kratzbürste von Tante
scharrt für den Jungen den Ankauf der
Wuppmannschen Apotheke zusammen,
hat das Geld schon — na, das sind
Realitäten. Wie steht's nun mit Ihnen?"
„Als Ihr Schwiegersohn, Herr
Syndikus —"
„Ach nee, das glaube ich noch nicht.
Und etwa an einen anderen Ort gehen? Keine
Spur. Wir wollen unsere Tochter haben, solange wir
leben. Sie geht auch nicht so leicht aus Biederstedt
heraus, wo ihr jedes alte Marktweib Schmeicheleien
nachruft. Und" — er paffte dreimal hintereinander
bedeutende Dampfwolken aus — „wie ich höre,
stehen Sie mit Ihren: Oheim Beckmoder nicht ge-
rade glänzend."
„Das ist richtig, Herr Syndikus. Aber deshalb
bin und bleibe ich doch fein einziger Verwandter
und Erbe," sagte Wostermann mit merklicher Ver-
stimmung.
Der Syndikus wiegte seinen Haarschopf hin und
her, während er den jungen Mann nicht ohne Spott
in den Augenwinkeln anzwinkerte. „Lieber Doktor,
Erbschaften sind unsichere Geschichten — und Beck-
moder ist dafür bekannt, daß er querköpfig bis zur
Narrheit ist. Wenn ihm was durch den Kopf fährt,
können Sie leicht das Nachsehen haben. Diese Art
Menschen sind gar nicht zu taxieren. Sie müßten
mir das schriftliche Versprechen Ihres Oheims brin-
gen, daß er Sie zum Universalerben einsetzt, dann
haben wir ihn rechtlich in der Hand."
Wostermann erhob sich. Gegen die Mauer, die
Hirsinger um seine Tochter zog, hinter der er sich
verschanzte gegen einen vermögenslosen Schwieger-
sohn, stürmte sein verletztes Selbstgefühl in Trotz
Ich habe ihm eure Art Herkulesarbeit gestellt als
Vorbedingung. Kommt er damit zustande — na,
warum dann nicht? Ein verflixt hübscher Bengel
ist er, und es steckt auch was in ihn:. Hätte mich an:
liebsten gleich vor die Pistole gefordert. Nun tue
deinen Mund auf — aber sprich nicht zu viel. Es
ist von: Übel."
„O Lebrecht, mir hat's immer wie ein Alp aus
der Brust gelegen!" sagte sie mit zitternden Lippen-
„Mosclbach sollte Lavinia haben. Poghammcrs Geld
kommt ja auch an unsere Tochter. Solche Partie
und — der Beckmoderneffe! Erbarme dich, Lebrecht,
und gib den Gedanken auf! Die ganze Stadt müßte
ja kopfstehen vor Staunen."
„Weib," sagte der Syndikus, sein eigenes Miß-
behagen verschleiernd, „irgendwo steht es geschrieben:
Eine Weiberznnge läuft geschwinder als ein wild
gewordenes Pferd. Und wenn es auch nicht ge-
schrieben wäre, so gabst du eben den Beweis, dstll
es wahr ist. Lasse Lavinia nicht wissen, was hier
verhandelt worden ist, und ehre deinen
Mann, indem du deine Beredsamkeit
zähmst."
Er tippte ein zweites Mal auf ihre
Schulter, als die Tür aufging und d>e
Hochgefeiertc, ein blasses Rot auf den
Wangen, eintrat.
„Nanu?!" sagte der Syndikus, just
Ivie er bei Wostermanns Erscheinen
gesagt hatte.
Daß sie die ganze Zeit, seit der
Fensterspion ihr Wostermanns Eintritt
ins Haus verraten, lauschend hinter der
Tür gestanden, berührte sie weiter nickst/
sie ging vielmehr stracks auf den Kern
los und sagte lächelnd: „Wenn ich Frnn
Geometer hätte werden wollen oder
Frau Apotheker, brauchte ich so viel
Zeit uicht zur Überlegung. Und wa-
das Außere betrifft, so sieht wohl jeder,
der sehen will —"
„Lavinia!" rief Frau Suse, die
Hände ringend. „Hat er dich auch
behext?"
„Schön!" sagte der Syndikus, die
Brauen hochziehend, da er seiner Tochter
gegenüber die häusliche Autorität nickst
so zu behaupten vermochte wie seiner
Gattin gegenüber. „Dam: kannst du dick)
auf einen langen Brautstand gefali
machen. Außer seinem Doktortitel Has
Wostermann vorläufig, selbst wenn er
die Erbschaftsverpflichtung von seinem
Oheim erzwingen sollte, kaum PN'
sich allein genug zu beißen und Zrl
brechen."
„Ein langer Brautstand," sagte La-
vinia in die Ferne hineinlächelnd, ,ckst
das Poesievollste, was ich mir ersehnest
könnte. Ohne Beschwernis und Plackerei
bloß seinem Glücke leben! Den SchauM
und den Duft dieses Glückes genießest-
Zwischen Gegenwart und Zukunft wie
auf Flügeln schweben, die Seele er-
klinge,: lassen wie Harfentöne —"
„Unser herrliches Kind!" rief
Suse tiefbewegt, obzwar sie von dieser
vergißmeinnichtblauen Sentimentalität
mit ihrer gesunden Veranlagung nichts
begriff. „Sie lebt in einer anderen
Welt."
„Bombax!" sagte der Syndikus, der trotz der
Überschwenglichkeit seiner Zeit nut beiden Beinen
fest ans dem Boden stand. „Wenn sie Schaum mm
Duft genossen hat, wird der Appetit auf etwa-'
Solideres nicht ausbleiben." Er brach ab und fmst
gemäßigter fort: „Das will ich verhüten, daß der
dieser Werbung meine Vermögensverhältnisse_ mn
ins Spiel kommen. Lavinia ist es wert, daß m
um ihretwillen gewählt wird. Es ist etwas gchü
anderes, wenn ich für sie auf dem bewußten ScheM
bestehe, als wenn Wostermann durch sie dem Ahm
liches erreichen will. Ich hoffe, daß meine kluge
Tochter mich versteht."
„Ich weiß nichts, als daß ich ihn liebe," hauchte
Lavinia, in eine:: Sessel sinkend.
Der Syndikus fuhr sich durch den Haarschopt-
„So weit sind wir also glücklich!" Er schie^mm
übel Lust zu haben, seiner Frau die ganze Schuü
an diesem Ereignis zuzuschieben. „Auf alles gu".
ihr Weiber, aber auf das, worauf es ankommt, seh
ihr nicht." ,
„Habe ich dich nicht gewarnt, Lebrecht? NM
in dieser Nacht?" sagte Frau Suse betränten Auges-
„Zn spät, zu obenhin. Beweise will ich!
weise! Auf Vermutungen läßt sich der Main: nn^
ein. Aber da wird getuschelt und gehuschelt mü
gezwinkert und gewinkert — derweilen ist die xM
auch noch, erfahren und für Rechenexempel dann
mehr Verständnis haben. Na, schlucken Sie herunter,
was da heranskommen sollte! Ich nehme es für
genossen. Lieber Doktor, ein Waffengang ist im
allgemeinen leichter als ein Freiersgang. Wissen
Sie, was mein Schwiegervater mir bei dieser Ge-
legenheit für ein Kompliment machte? Einen solchen
Krakeeler, wie ich, wolle er sich in der Familie schon
gefallen lassen, den zweiten nicht. — Na, also ver-
suchen Sie's — und leben Sie wohl!"
Er wartete ab, bis die Tür sich geschlossen.
Dann setzte er die Pfeife ärgerlich in den Pfeifen-
ständer. Seine Fran hatte recht behalten. Er rief
also mit etwas zerknitterter Stimme über den Flur:
„Suse!"
Sie kam im Galopp die Bodentreppe herunter,
das gute, runde Gesicht von der Eile dunkel gerötet.
Der Syndikus fuhr sich einige Male durch den
Haarschopf. „Es kommt bisweilen vor, daß die
Henne klüger ist als der Hahn. Und zwar deshalb,"
setzte er sich straffend hinzu, „weil ihr Weiber überall
herumguckt und auf jeden Quark achtet, was der
Mann als unwürdig von sich weist. Um es kurz zu
machen: Wostermann hat eben um Lavinia an-
gehalten."
Da sie vor Schreck sprachlos stand, tippte Hirsinger
ihr auf die Schulter. „Brauchst keine Angst zu haben.
und Bitterkeit an. Zugleich entbrannte der Zorn
gegen seinen Oheim, den Urheber dieser geschäft-
lichen Abfertigung, in seiner Brust von neuem so
heftig, daß er, nicht gewillt, mit einem Korbe hinaus-
zugehen, erregt sagte: „Ich hatte mich allerdings
zu etwas anderem versehen, Herr Syndikus, als zu
einem bloßen Rechenexempel, in dem meine Per-
sönlichkeit und meine Fähigkeiten keine Zahlen-
berechtigung haben. Indessen, da Sie das Glück
Ihrer Tochter von einem Plus abhängig machen,
will ich mich dieser Anschauung fügen und meinen
Oheim zu bestimmen suchen, das Versprechen schrift-
lich zu geben."
„Recht so!" sagte Hirsinger, unbekümmert in
seinem Pfeifenkopf herumstochernd. „Überdies ist
Beckmoder ein alter Mann, über kurz oder lang
kann's mit ihm plötzlich ans fein." Er reichte Woster-
mann die Hand. °,Es ist ein verflixter Unterschied,
lieber Doktor, ob ich für meinen eigenen Kopf oder
den eines anderen Sorge trage. Das werden Sie
König Ferdinand von Rumänien. (5.153)
Nüch -El- Photographie der tZerliner 1»ustrptions-Setepslh-ist m. d. l). in Lerlin.
Sehen Sie mal, da sind einige Herren, die schwärmen
schon ein Paar Jahre meine Tochter an, aber so weit
ist die Courage noch nicht mit ihnen durchgegangen,
mich so zu überfallen wie Sie."
„Schlimm genug für diese Herren," sagte Woster-
mann ohne Zaudern, „daß sie sich so wenig Wert
zutrauen und in der Ferne stehen bleiben, wo sie
Gelegenheit hätten, ihre Persönlichkeit voll ein-
zusetzen. Ich kann diese Herren nur bedauern, zum
Muster nehmen nie."
Dem Syndikus verging der Spott. „Na, nehmen
Sie Platz. Wie kommen Sie eigentlich auf den
Gedanken, meine Tochter Lavinia sich geneigt zu
glauben? Haben Sie mit ihr gesprochen?"
„Kein Wort. Doch weiß ich, daß Ihre Tochter
für meine Person mehr empfindet als für die Ge-
samtheit ihrer sonstigen Verehrer."
„So, wissen Sie das? Mir ist es völlig neu.
Und außerdem: womit gedenken Sie denn meine
Tochter zu ernähren?"
„Mit meiner Praxis."
„So! Haben Sie welche?"
„Ich werde sie bekommen, Herr
Syndikus."
„Da bin ich nun anderer Ansicht,
solange Ihr Oheim lebt. — Ich weiß,"
schnitt er einen Einspruch Wostermanns
rasch ab, „ich gab Ihnen ein paar Rat-
schläge, aber, lieber Doktor, dir gab ich
Ihnen als gänzlich Unbeteiligter, als
gänzlich Uninteressierter. Sowie meine
Tochter ins Spiel kommt, stehen die
Sachen ganz anders. So viel, wie Sie
vielleicht glauben, besitze ich nicht an
Vermögen und bin jedenfalls nicht in
der Lage, einen zweiten Hausstand mit
zu erhalten. Am allerfernsten liegt mir
aber der Gedanke, meine hochgefeierte
und allezeit verwöhnt gewesene Tochter
in ihren Ansprüchen herabsteigen zu
sehen. Brauchen deshalb nicht beleidigt
zu sein. Ein wohlmeinender Ratgeber
und ein vorsichtiger Vater sind zweierlei."
„Das weiß ich, Herr Syndikus."
„Sie können mir nicht nachsagen,
lieber Doktor, daß ich Sie den Toten-
doktorneffen habe fühlen lassen."
„Nein, niemals!"
„Ich habe auch gegen Ihre Person
nichts einzuwenden, soweit ich diese
beurteilen kann, nnd ich glaube auch,
daß ein junges Mädchen nicht un-
empfänglich gegen Ihre Huldigungen
bleiben dürfte. Aber, lieber Doktor, da-
mit machen wir halt. Die Herren, von
denen ich vorhin sprach — Pieper ist als
Volontär nach Lübchow geschickt worden,
weil sein Vater wünscht, daß er seine
landwirtschaftlichen Dummheiten lieber
auf anderer Leute Gütern mache als
auf seinem eigenen. Moselbach ist von
Hause aus vermögend und dann aus-
kömmlich honoriert im Amt. Pulver-
machers alte Kratzbürste von Tante
scharrt für den Jungen den Ankauf der
Wuppmannschen Apotheke zusammen,
hat das Geld schon — na, das sind
Realitäten. Wie steht's nun mit Ihnen?"
„Als Ihr Schwiegersohn, Herr
Syndikus —"
„Ach nee, das glaube ich noch nicht.
Und etwa an einen anderen Ort gehen? Keine
Spur. Wir wollen unsere Tochter haben, solange wir
leben. Sie geht auch nicht so leicht aus Biederstedt
heraus, wo ihr jedes alte Marktweib Schmeicheleien
nachruft. Und" — er paffte dreimal hintereinander
bedeutende Dampfwolken aus — „wie ich höre,
stehen Sie mit Ihren: Oheim Beckmoder nicht ge-
rade glänzend."
„Das ist richtig, Herr Syndikus. Aber deshalb
bin und bleibe ich doch fein einziger Verwandter
und Erbe," sagte Wostermann mit merklicher Ver-
stimmung.
Der Syndikus wiegte seinen Haarschopf hin und
her, während er den jungen Mann nicht ohne Spott
in den Augenwinkeln anzwinkerte. „Lieber Doktor,
Erbschaften sind unsichere Geschichten — und Beck-
moder ist dafür bekannt, daß er querköpfig bis zur
Narrheit ist. Wenn ihm was durch den Kopf fährt,
können Sie leicht das Nachsehen haben. Diese Art
Menschen sind gar nicht zu taxieren. Sie müßten
mir das schriftliche Versprechen Ihres Oheims brin-
gen, daß er Sie zum Universalerben einsetzt, dann
haben wir ihn rechtlich in der Hand."
Wostermann erhob sich. Gegen die Mauer, die
Hirsinger um seine Tochter zog, hinter der er sich
verschanzte gegen einen vermögenslosen Schwieger-
sohn, stürmte sein verletztes Selbstgefühl in Trotz
Ich habe ihm eure Art Herkulesarbeit gestellt als
Vorbedingung. Kommt er damit zustande — na,
warum dann nicht? Ein verflixt hübscher Bengel
ist er, und es steckt auch was in ihn:. Hätte mich an:
liebsten gleich vor die Pistole gefordert. Nun tue
deinen Mund auf — aber sprich nicht zu viel. Es
ist von: Übel."
„O Lebrecht, mir hat's immer wie ein Alp aus
der Brust gelegen!" sagte sie mit zitternden Lippen-
„Mosclbach sollte Lavinia haben. Poghammcrs Geld
kommt ja auch an unsere Tochter. Solche Partie
und — der Beckmoderneffe! Erbarme dich, Lebrecht,
und gib den Gedanken auf! Die ganze Stadt müßte
ja kopfstehen vor Staunen."
„Weib," sagte der Syndikus, sein eigenes Miß-
behagen verschleiernd, „irgendwo steht es geschrieben:
Eine Weiberznnge läuft geschwinder als ein wild
gewordenes Pferd. Und wenn es auch nicht ge-
schrieben wäre, so gabst du eben den Beweis, dstll
es wahr ist. Lasse Lavinia nicht wissen, was hier
verhandelt worden ist, und ehre deinen
Mann, indem du deine Beredsamkeit
zähmst."
Er tippte ein zweites Mal auf ihre
Schulter, als die Tür aufging und d>e
Hochgefeiertc, ein blasses Rot auf den
Wangen, eintrat.
„Nanu?!" sagte der Syndikus, just
Ivie er bei Wostermanns Erscheinen
gesagt hatte.
Daß sie die ganze Zeit, seit der
Fensterspion ihr Wostermanns Eintritt
ins Haus verraten, lauschend hinter der
Tür gestanden, berührte sie weiter nickst/
sie ging vielmehr stracks auf den Kern
los und sagte lächelnd: „Wenn ich Frnn
Geometer hätte werden wollen oder
Frau Apotheker, brauchte ich so viel
Zeit uicht zur Überlegung. Und wa-
das Außere betrifft, so sieht wohl jeder,
der sehen will —"
„Lavinia!" rief Frau Suse, die
Hände ringend. „Hat er dich auch
behext?"
„Schön!" sagte der Syndikus, die
Brauen hochziehend, da er seiner Tochter
gegenüber die häusliche Autorität nickst
so zu behaupten vermochte wie seiner
Gattin gegenüber. „Dam: kannst du dick)
auf einen langen Brautstand gefali
machen. Außer seinem Doktortitel Has
Wostermann vorläufig, selbst wenn er
die Erbschaftsverpflichtung von seinem
Oheim erzwingen sollte, kaum PN'
sich allein genug zu beißen und Zrl
brechen."
„Ein langer Brautstand," sagte La-
vinia in die Ferne hineinlächelnd, ,ckst
das Poesievollste, was ich mir ersehnest
könnte. Ohne Beschwernis und Plackerei
bloß seinem Glücke leben! Den SchauM
und den Duft dieses Glückes genießest-
Zwischen Gegenwart und Zukunft wie
auf Flügeln schweben, die Seele er-
klinge,: lassen wie Harfentöne —"
„Unser herrliches Kind!" rief
Suse tiefbewegt, obzwar sie von dieser
vergißmeinnichtblauen Sentimentalität
mit ihrer gesunden Veranlagung nichts
begriff. „Sie lebt in einer anderen
Welt."
„Bombax!" sagte der Syndikus, der trotz der
Überschwenglichkeit seiner Zeit nut beiden Beinen
fest ans dem Boden stand. „Wenn sie Schaum mm
Duft genossen hat, wird der Appetit auf etwa-'
Solideres nicht ausbleiben." Er brach ab und fmst
gemäßigter fort: „Das will ich verhüten, daß der
dieser Werbung meine Vermögensverhältnisse_ mn
ins Spiel kommen. Lavinia ist es wert, daß m
um ihretwillen gewählt wird. Es ist etwas gchü
anderes, wenn ich für sie auf dem bewußten ScheM
bestehe, als wenn Wostermann durch sie dem Ahm
liches erreichen will. Ich hoffe, daß meine kluge
Tochter mich versteht."
„Ich weiß nichts, als daß ich ihn liebe," hauchte
Lavinia, in eine:: Sessel sinkend.
Der Syndikus fuhr sich durch den Haarschopt-
„So weit sind wir also glücklich!" Er schie^mm
übel Lust zu haben, seiner Frau die ganze Schuü
an diesem Ereignis zuzuschieben. „Auf alles gu".
ihr Weiber, aber auf das, worauf es ankommt, seh
ihr nicht." ,
„Habe ich dich nicht gewarnt, Lebrecht? NM
in dieser Nacht?" sagte Frau Suse betränten Auges-
„Zn spät, zu obenhin. Beweise will ich!
weise! Auf Vermutungen läßt sich der Main: nn^
ein. Aber da wird getuschelt und gehuschelt mü
gezwinkert und gewinkert — derweilen ist die xM