kiest 7
V35 Luch für Nile
157
„.So gaben Sie's wenigstens zu verstehen. Es
verbinden sich demnach auch Halluzinationen mit
diesem Zustand?" fragte ich interessiert.
. „Nur selten. Jedenfalls bin ich froh, daß es nur
vme Halluzination war," erwiderte sie liebenswürdig.
Ich scheine auch an Halluzinationen zu leiden,
denn ich sah neben Frau Modestas süßem Lächeln
ihrem Blick einen Ausdruck, der das genaue
soegenteil ihrer Worte ausdrückte, und ich hörte
We Stimme, die ganz falsch und unzugehörig zu
"Wen höflichen Worten klang.
Der Regen hatte inzwischen aufgehört, und der
Himmel strahlte wieder in dem schönsten Blau. Die
«traßen waren natürlich noch sehr naß, aber es war
vorauszusehen, daß in wenigen Stunden alles wieder
uocken sein würde.
„Glaubst du, daß das Wetter anhält, Kasimir?"
ll'agte Frau v. Eckschmidt nach beendeter Mahlzeit
mit einem Blick aus dem Fenster. „Ich habe näm-
"ch das dringende Bedürfnis nach frischer Luft. Frei-
"ch bin ich noch etwas benommen von dem Mor-
phium
„Du kannst natürlich nicht zu Fuß gehen," fiel
der Doktor ein. — „Vielleicht macht es Ihnen Spaß,
uebe Thea, meine Frau auf einer Spazierfahrt zu
vegleiten. Ich selbst möchte heute lieber zu Hause
"leiben. Außerdem sind die römischen Taxameter
Zu dritt etwas unbequem."
„Aber dann kann doch besser ich zurückbleiben,"
wandte ich ein, denn die Aussicht auf ein Zusammen-
stm mit Frau Modesta begeisterte mich nicht sehr.
„Das ist sehr rücksichtsvoll von Ihnen, Theachen,
aber ich denke, wir lassen es bei Ihrer Begleitung,"
Wgte der Doktor lächelnd. „Ich könnte unter keinen
llrnstünden mitfahren, denn ich habe in der Stadt
Nun, das entschied denn die Sache, und meine
Pule Hoffnung auf Trinita de' Monti war wieder
dahin. Ich hatte schon vorher davon anfangen
wollen, aber wenn Eckschmidts meine bescheidenen
Marsche so schnell vergessen, dann mag ich nicht
immer wieder damit kommen. Man könnte ja fast
vuf den Gedanken geraten, daß sie mich nicht fort-
mssen — wollen; aber wo gäbe es dafür einen stich-
haltigen Grund? «Fortsetzung folgt.,
Oei- Kampf im borm'fch-montenegl-mischen
Ol-enrgebiet.
lüehe dos MW auf Zeile 158.,
e Kriegführung in einem gebirgigen und zerrissenen
^.Gelände, wie es das bosnisch-montenegrinische Grenz-
gebiet ist, ist schon deshalb äußerst schwierig, weil
Mangels Eisenbahnen die Etappenlinien der vorrücken-
vmi Truppen sehr lang sein müssen und die Unter-
brechung einer Linie den Fortgang der Operationen
Überhaupt in Frage stellen kann. Dazu kommt die von
ven Montenegrinern zumeist gewählte Fechtweise. Die
stärke dieser Kampfweise liegt in der genauen Kenntnis
Geländes und seiner Eigentümlichkeiten sowie in der
großen Beweglichkeit und Bedürfnislosigkeit, die den
Gebirgsbewohnern eigen sind. Ihre Taktik besteht im
Pandigen Entschlüpfen, in Überfällen und der Legung
zfM Hinterhalten. In einer von Natur aus günstigen
Stellung warten sie ruhig, bis der Gegner herankommt,
Mhen ihn sich unter schweren Verlusten über das zer-
Msttete Gelände heranarbeiten und räumen, sobald eins
Msassung droht, die innegehabte Stellung, um eine neue,
voherliegende zu beziehen. Haben sie den Gegner durch
Me abwechselnden Stellungnahmen ermüdet und durch
Mhlgezieltes Feuer gelichtet, so geht, von Deckung zu
Deckung schleichend, Gruppe um Gruppe zum Nahangriff
-wer, ein letztes kurzes Feuer, und die ganze Linie bricht
Mer tosendem Geschrei zum Kampf mit der blanken
Mffe vor. Um so höher ist es anzuschlagen, daß die
Österreichisch-ungarischen Truppen auch unter diesen
äußerst ungünstigen Verhältnissen mit größter Zähigkeit
st"d Tapferkeit gefochten haben. So erstürmten sie trotz
Kugelregens, mit dem sie von den Höhen und aus
°en Schluchten heraus überschüttet wurden, den Gozara-
'?llel. Ebenso unternahm die dritte österreichisch-unga-
>1che Gebirgsbrigade einen schneidigen Einbruch auf
as montenegrinische Gebiet und warf dann später in
Mhrtägigen, heldenmütigen Kämpfen einen Vorstoß der
Montenegriner glänzend zurück. Ferner wurden zwei
Montenegrinische Brigaden, die „Spuzka" unter dem
General Vukovic und die „Zetska" unter dem General
"WUvic, nach einem zweitägigen, heftigen Ringen
„Mpagen, so daß sie fluchtartig den Rückzug auf Foca
.vtraren. Unser fesselndes Bild auf Seite 158 veran-
IMulicht diese Kämpfe.
^ine Episode au5 den Kämpfen der öster-
l°eichisch-ungarifchen Iruppen in 5erbien.
kZiehe das MW aus Zette 150.)
I^ort, wo die Drina, der Grenzfluß zwischen Bosnien
fs/ und Serbien, ihr großes Knie nach Westen macht,
^gt auf serbischem Staatsgebiet die Landschaft Podrinje.
M Orte Loznica und Zwornik bezeichnen ihre ungefähren
Mdpunkte im Norden beziehungsweise Südosten. Es ist
rMnerigstes bergiges Gelände, das aus dem Felsentale der
"Ua schroff 300 bis 500 Meter aufsteigt und gegen Osten
an Höhe beständig zunimmt, bis es mit 994 Metern seine
höchste Erhebung erreicht. Dieses durch zahlreiche ties-
eingeschnittene, teils zur Drina, teils zur Save fließende
Gewässer ungemein reich gegliederte, größtenteils von
dichtem Urwald bedeckte Mittelgebirge ist wie geschaffen
zur Verteidigung, zumal den aus Bosnien vorrückenden
feindlichen Truppen nur schmale Saumpfade zur Ver-
fügung stehen. Die Serben halten denn auch die strategische
Bedeutung dieser Gegend richtig erkannt und sich hier
auf den Höhen von Krupanj stark verschanzt. Es schien
fast unmöglich, daß hier die österreichischen und unga-
rischen Truppen Boden gewinnen würden. Nichtsdesto-
weniger gelang es diesen infolge ihrer unvergleichlichen
Tapferkeit und ihrer geschickten Kampfesweise, diese Höhen
zu stürmen und den Serben eine empfindliche Niederlage
beizubringen. Eröffnet wurde der Kamps durch ein hef-
tiges Artillerieduell, dem die Serben mehr als zwei
Stunden standhielten. Da ertönte plötzlich das Kommando
„Bajonett auf!", und mit Todesverachtung ging die
wackere österreichische und ungarische Infanterie im Sturm
gegen die feindlichen Stellungen vor. Es war ein schweres
Ringen, das der Schöpfer unseres packenden Bildes auf
Seite 159 ausgezeichnet zur Darstellung gebracht hat. Als
die serbischen Truppen schon wankten, ergriff Prinz Georg
von Serbien eine Fahne und warf sich persönlich den
Angreifern entgegen, um die Seinigen zum Stehen zu
bringen. Da traf ihn eine feindliche Kugel. Nun
gab es für die Serben kein Halten mehr; sie ergriffen
die Flucht, indem sie den verwundeten Prinzen Mit-
nahmen. Damit war der Sieg unseren tapferen Ver-
bündeten gesichert, die die Höhen in Besitz nahmen.
5uroalki.
(5iede die 6 Lilder auf 5eite 162.)
1"^as ehemals russische, nach den großartigen Siegen
I-/ des Generalobersten v. Hindenburg bei Tannenberg,
den Masurischen Seen und Lyck in deutsche Verwaltung
genommene Gouvernement Suwalki ist der nördlichste
Teil von Russisch-Polen. Von der ostpreußischen Grenze
bis zum Njemen reichend und an die russischen Gouverne-
ments Kowno im Norden, Wilna im Osten, Grodno im
Südosten und Süden und das polnische Lomza im Süden
angrenzend, ist es mit seinen 12 550 Quadratkilometern
Fläche ein Gebiet von der ungefähren Größe des Groß-
herzogtums Mecklenburg-Schwerin. Sein Boden ist in
der nördlichen Hälfte eben wie ein Tisch, in der südlichen
auch sanft gewellt, geographisch und geologisch die Fort-
setzung der ostpreußischen Seenplatte. Dieser Süden er-
innert mit seinen Tannenwäldern, die von guter Forst-
wirtschaft zeugen, den kleinen, tiefblauen Seen und
einzelnen Felsblöcken und gut gepflegten Straßen etwas
an eine mittelthüringische Landschaft. Reichlich die
Hälfte des Gouvernements Suwalki ist Ackerland, säst
ein Viertel wird von Wäldern bedeckt, das letzte Viertel
sind Wiesen, Weiden und unkultiviertes Land, Sumpf
und Moor. Ackerbau und Viehzucht sind die Haupt-
erwerbszweige der nur etwa 600000 Köpfe zählenden
Bevölkerung, von der reichlich die Hälfte die Litauer aus-
machen, während die andere sich auf Polen (135 000),
Juden (60 000), Russen (53 000) und Deutsche (20 000),
verteilt. Die Industrie, die sich lediglich mit der Ver-
arbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse besaßt, ist un-
bedeutend, desgleichen der Handel, der vor Ausbruch des
Krieges übrigens in der Hauptsache nach Preußen hin-
überging. Hauptstadt und wirtschaftlicher Mittelpunkt
des Gouvernements ist die unweit des Wigrysees an der
Zweigbahn Orany —Grodno der St. Petersburg—War-
schauer Bahn gelegene Stadt Suwalki, ein erst zur Zeit
der ersten Teilung Polens angelegter,regelmäßig gebauter,
etwa 25 000 Einwohner zählender Ort, von dessen Aus-
sehen und Leben die sechs Bilder auf Seite 162 eine Vor-
stellung geben werden. Da ist unter anderem die lange,
breite Hauptstraße, die Petersburger Straße, mit ihren
kleinen Läden zu sehen, und als charakteristische Straßen-
typen der Wasserträger und der Straßenhändler. An
die Hauptstraße schließen sich ausgedehnte, oft noch
ungepflasterte Nebenstraßen mit Holzhäuschen an. In
Friedenszeiten soll Suwalki einen ziemlich lebhaften Ein-
druck machen, besonders weil es Garnison zweier Regi-
menter war.
Ein waidgefecht bei vefldun.
«Ziehe dos MW auf Zeile IdZ.)
Abgesehen von Erstürmungen stellen Waldgefechte an
1 » die Mannschaften, die zum Angriff vorgehen, die
schwersten Anforderungen. Der Feind, der den Wald
besetzt hat, liegt hinter Gebüsch, ist durch die Baumstämme
gedeckt oder hat sich in dem Astwerk eingenistet, so daß
die angreifenden Truppen es gleichsam mit einem un-
sichtbaren Gegner zu tun haben, der zwar sie unter
Feuer nehmen kann, dem sie selbst aber nur schrittweise
beizukommen vermögen. Ein äußerst erbittertes Wald-
gefecht gegen Turkos und Zuaven entspann sich in der
Gegend von Verdun. Prinz Oskar, der fünfte Sohn
-unseres Kaisers, hatte den Befehl erhalten, mit den
Königsgrenadieren, deren Oberst er ist, einen von afri-
kanischen Truppenteilen besetzten Wald zu säubern.
Hinter den Bäumen hervor und von ihnen herab, die
sie erstiegen hatten, empfingen die Turkos und Zuaven
das eindringende Regiment mit einem prasselnden Schnell-
feuer. Aber die wackeren Grenadiere ließen sich trotz-
dem nicht aushalten. Jeder Zoll Boden mußte dem
Gegner abgerungen werden, der endlich nach blutigem
Nahkampf, wie ihn unser Bild auf Seite 163 schildert,
unter Zurücklassung zahlreicher Gefangener in wilder
Flucht das Feld räumte. Mehrere Offiziere, darunter
ein Major, sanken tot an der Seite des Prinzen Oskar
nieder.
Eine Wlensahtt.
von Md. 6. Kruegel-.
«Nachdruck oeeduien.)
M^Ain 30. Juli 1914 berichteten die Zeitungen
Wrfs folgendes: „Die nächtliche Beschießung Bel-
MM I grads begann um Mitternacht. Es wurde
das bei Belgrad gelegene serbische Militär-
lager von Branika beschossen. Im Verlaufe der
Nacht kam es bei der Savebrücke zu einem Kampf,
bei dem die Donaumonitore und Maschinengewehre
in Funktion traten. Nach zwei Uhr morgens war
noch mehrmals scharfes Gewehrfeuer zu hören; es
verstummte jedoch, als der Morgen graute. Um
vier Uhr morgens kam die Donau aufwärts der
ungarische Schleppdampfer,Allotmantfl mit einen«
großen Boot im Schlepptau. Mit großem Erstaunen
sah man, wie der Dampfer nach einer Schwenkung
um die Große Kriegsinsel mit Volldampf auf das
serbische Ufer zulief und dann nur zweihundert
Meter vom Lande entfernt den Strand entlang-
steuerte. Aus dem Ufergebüsch und den Kasematten
der Festung auf der serbischen Seite ging ein mör-
derisches Feuer auf das Schiff nieder. Als vorher
die Monitors jene Stellen beschossen hatten, hatte
sich selten ein Verteidiger gemeldet. Durch das starke
Feuer auf den Dampfer wurde aber das Geheimnis
verraten, daß die Belgrader Festung zahlreiche Ver-
teidiger habe und nicht geräumt sei. Durch das
Feuer der Serben sind von den fünf Manu der
Besatzung des.Allotmantst zwei getötet, einer ver-
wundet worden. Die tollkühne Fahrt des nicht
armierten Schiffes hatte ihren Zweck erreicht."
*
Mitternacht. Beängstigendes, lastendes Dunkel.
Kein Mondesblick, kein winzig Sternlein mag ein
wenig Licht, ein wenig Leben verbreiten. Gleich
einem schweren, undurchdringlichen Leichentuch
hängen mächtige Wolkenballen über der Erde.
Bleierne Finsternis wuchtet in den öden, menschen-
leeren Straßen des alten Semlin. Nichts rührt sich.
Kein noch so vereinzelter Tierlaut ist hörbar. Und
diese Totenstille vermag nicht einmal das leise
Knistern eines unaufhörlich niedergehenden Nebel-
regens zu beleben.
Aber durch das schwüle Dunkel, durch die be-
drückende Stille, da zieht es heran, leise, unaus-
weichlich, wie die Ahnung von etwas Drohendem,
Unheimlichem. Es ist so, als habe ein heranschleichen-
des Grauen seine Arme ausgereckt, die nun langsam
an der Menschcnseele tasten, sie leise, aber unwider-
stehlich umschlingen. Und durch das alles zittert ein
Hauch, wie der tiefe, befreiende Atemzug der Welt-
geschichte.
Dennoch herrscht Leben in dieser Ode. Droben
auf dem Zigeunerberge, unter den Ruinen des alten
Hunyadyschlosses, flammt sekundenlang ein leiser
Lichtblitz auf. Dort, auf der äußersten, der Donau
zugewaudten Klippe steht, fest in seinen Mantel
geknöpft, die Hände auf den« Säbel, schon seit einer
Stunde regungslos zuwartend, der Kommandeur
der hier tätigen österreichischen Division. Eben ist
ein Adjutant mit eurer Meldung an ihn herangetreten
und hat auf einen leisen Wink des Generals seine
elektrische Taschenlampe anfleuchten lassen. Ehr-
furchtsvoll schaut er nun in das Gesicht seines Vor-
gesetzten, der seinem Block eine kurze Notiz ein-
verleibt.
Wie aus Stein gehauen muten seine Züge an.
Kein Muskel, keine Wimper zuckt darin. Eiserne
Energie, gepaart mit einer durch nichts zu erschüttern-
den Ruhe, eisiger Kälte, ruht auf ihnen.
„Danke!"
Unwillkürlich zuckt der junge Offizier zusammen,
als das stahlharte, eigen leuchtende graue Auge des
Generals für eine Sekunde sein Gesicht streift. Dann
tritt er salutierend zurück.
Wieder lastende Stille.
Da flammt drunten an der Donau plötzlich ein
grelles Licht auf. Es zeigt sich, hell bestrahlt, die
Savebrücke, der sich huschende Gestalten nähern.
Gleichzeitig bohrt sich, fast aus den Mauern Semlins
heraus, ein roter Strahl in das Dunkel.
Ordentlich befreiend wirkt der Kanonenschlag.
Die Starre des Todes ist überwunden. Das frische,
tatendurstige Leben setzt ein.
Wieder Licht.
Hastig folgen jetzt die Kanonenschläge aufein-
ander. Kläffend setzt Jnfanteriefeuer ein, schwillt
an, wird endlich so gräßlich, daß die dazwischen dröh-
nenden Kanonenschüsse nur noch als schwache Pauken-
schläge wahrnehmbar sind.
Der General war leicht zusammengezuckt und an
den Rand der Klippe vorgetreten. Mit weit vor-
gebeugtem Oberkörper lauscht er auf das anschwel-
lende, zeitweilig etwas abflauende Feuer. Vergeb-
V35 Luch für Nile
157
„.So gaben Sie's wenigstens zu verstehen. Es
verbinden sich demnach auch Halluzinationen mit
diesem Zustand?" fragte ich interessiert.
. „Nur selten. Jedenfalls bin ich froh, daß es nur
vme Halluzination war," erwiderte sie liebenswürdig.
Ich scheine auch an Halluzinationen zu leiden,
denn ich sah neben Frau Modestas süßem Lächeln
ihrem Blick einen Ausdruck, der das genaue
soegenteil ihrer Worte ausdrückte, und ich hörte
We Stimme, die ganz falsch und unzugehörig zu
"Wen höflichen Worten klang.
Der Regen hatte inzwischen aufgehört, und der
Himmel strahlte wieder in dem schönsten Blau. Die
«traßen waren natürlich noch sehr naß, aber es war
vorauszusehen, daß in wenigen Stunden alles wieder
uocken sein würde.
„Glaubst du, daß das Wetter anhält, Kasimir?"
ll'agte Frau v. Eckschmidt nach beendeter Mahlzeit
mit einem Blick aus dem Fenster. „Ich habe näm-
"ch das dringende Bedürfnis nach frischer Luft. Frei-
"ch bin ich noch etwas benommen von dem Mor-
phium
„Du kannst natürlich nicht zu Fuß gehen," fiel
der Doktor ein. — „Vielleicht macht es Ihnen Spaß,
uebe Thea, meine Frau auf einer Spazierfahrt zu
vegleiten. Ich selbst möchte heute lieber zu Hause
"leiben. Außerdem sind die römischen Taxameter
Zu dritt etwas unbequem."
„Aber dann kann doch besser ich zurückbleiben,"
wandte ich ein, denn die Aussicht auf ein Zusammen-
stm mit Frau Modesta begeisterte mich nicht sehr.
„Das ist sehr rücksichtsvoll von Ihnen, Theachen,
aber ich denke, wir lassen es bei Ihrer Begleitung,"
Wgte der Doktor lächelnd. „Ich könnte unter keinen
llrnstünden mitfahren, denn ich habe in der Stadt
Nun, das entschied denn die Sache, und meine
Pule Hoffnung auf Trinita de' Monti war wieder
dahin. Ich hatte schon vorher davon anfangen
wollen, aber wenn Eckschmidts meine bescheidenen
Marsche so schnell vergessen, dann mag ich nicht
immer wieder damit kommen. Man könnte ja fast
vuf den Gedanken geraten, daß sie mich nicht fort-
mssen — wollen; aber wo gäbe es dafür einen stich-
haltigen Grund? «Fortsetzung folgt.,
Oei- Kampf im borm'fch-montenegl-mischen
Ol-enrgebiet.
lüehe dos MW auf Zeile 158.,
e Kriegführung in einem gebirgigen und zerrissenen
^.Gelände, wie es das bosnisch-montenegrinische Grenz-
gebiet ist, ist schon deshalb äußerst schwierig, weil
Mangels Eisenbahnen die Etappenlinien der vorrücken-
vmi Truppen sehr lang sein müssen und die Unter-
brechung einer Linie den Fortgang der Operationen
Überhaupt in Frage stellen kann. Dazu kommt die von
ven Montenegrinern zumeist gewählte Fechtweise. Die
stärke dieser Kampfweise liegt in der genauen Kenntnis
Geländes und seiner Eigentümlichkeiten sowie in der
großen Beweglichkeit und Bedürfnislosigkeit, die den
Gebirgsbewohnern eigen sind. Ihre Taktik besteht im
Pandigen Entschlüpfen, in Überfällen und der Legung
zfM Hinterhalten. In einer von Natur aus günstigen
Stellung warten sie ruhig, bis der Gegner herankommt,
Mhen ihn sich unter schweren Verlusten über das zer-
Msttete Gelände heranarbeiten und räumen, sobald eins
Msassung droht, die innegehabte Stellung, um eine neue,
voherliegende zu beziehen. Haben sie den Gegner durch
Me abwechselnden Stellungnahmen ermüdet und durch
Mhlgezieltes Feuer gelichtet, so geht, von Deckung zu
Deckung schleichend, Gruppe um Gruppe zum Nahangriff
-wer, ein letztes kurzes Feuer, und die ganze Linie bricht
Mer tosendem Geschrei zum Kampf mit der blanken
Mffe vor. Um so höher ist es anzuschlagen, daß die
Österreichisch-ungarischen Truppen auch unter diesen
äußerst ungünstigen Verhältnissen mit größter Zähigkeit
st"d Tapferkeit gefochten haben. So erstürmten sie trotz
Kugelregens, mit dem sie von den Höhen und aus
°en Schluchten heraus überschüttet wurden, den Gozara-
'?llel. Ebenso unternahm die dritte österreichisch-unga-
>1che Gebirgsbrigade einen schneidigen Einbruch auf
as montenegrinische Gebiet und warf dann später in
Mhrtägigen, heldenmütigen Kämpfen einen Vorstoß der
Montenegriner glänzend zurück. Ferner wurden zwei
Montenegrinische Brigaden, die „Spuzka" unter dem
General Vukovic und die „Zetska" unter dem General
"WUvic, nach einem zweitägigen, heftigen Ringen
„Mpagen, so daß sie fluchtartig den Rückzug auf Foca
.vtraren. Unser fesselndes Bild auf Seite 158 veran-
IMulicht diese Kämpfe.
^ine Episode au5 den Kämpfen der öster-
l°eichisch-ungarifchen Iruppen in 5erbien.
kZiehe das MW aus Zette 150.)
I^ort, wo die Drina, der Grenzfluß zwischen Bosnien
fs/ und Serbien, ihr großes Knie nach Westen macht,
^gt auf serbischem Staatsgebiet die Landschaft Podrinje.
M Orte Loznica und Zwornik bezeichnen ihre ungefähren
Mdpunkte im Norden beziehungsweise Südosten. Es ist
rMnerigstes bergiges Gelände, das aus dem Felsentale der
"Ua schroff 300 bis 500 Meter aufsteigt und gegen Osten
an Höhe beständig zunimmt, bis es mit 994 Metern seine
höchste Erhebung erreicht. Dieses durch zahlreiche ties-
eingeschnittene, teils zur Drina, teils zur Save fließende
Gewässer ungemein reich gegliederte, größtenteils von
dichtem Urwald bedeckte Mittelgebirge ist wie geschaffen
zur Verteidigung, zumal den aus Bosnien vorrückenden
feindlichen Truppen nur schmale Saumpfade zur Ver-
fügung stehen. Die Serben halten denn auch die strategische
Bedeutung dieser Gegend richtig erkannt und sich hier
auf den Höhen von Krupanj stark verschanzt. Es schien
fast unmöglich, daß hier die österreichischen und unga-
rischen Truppen Boden gewinnen würden. Nichtsdesto-
weniger gelang es diesen infolge ihrer unvergleichlichen
Tapferkeit und ihrer geschickten Kampfesweise, diese Höhen
zu stürmen und den Serben eine empfindliche Niederlage
beizubringen. Eröffnet wurde der Kamps durch ein hef-
tiges Artillerieduell, dem die Serben mehr als zwei
Stunden standhielten. Da ertönte plötzlich das Kommando
„Bajonett auf!", und mit Todesverachtung ging die
wackere österreichische und ungarische Infanterie im Sturm
gegen die feindlichen Stellungen vor. Es war ein schweres
Ringen, das der Schöpfer unseres packenden Bildes auf
Seite 159 ausgezeichnet zur Darstellung gebracht hat. Als
die serbischen Truppen schon wankten, ergriff Prinz Georg
von Serbien eine Fahne und warf sich persönlich den
Angreifern entgegen, um die Seinigen zum Stehen zu
bringen. Da traf ihn eine feindliche Kugel. Nun
gab es für die Serben kein Halten mehr; sie ergriffen
die Flucht, indem sie den verwundeten Prinzen Mit-
nahmen. Damit war der Sieg unseren tapferen Ver-
bündeten gesichert, die die Höhen in Besitz nahmen.
5uroalki.
(5iede die 6 Lilder auf 5eite 162.)
1"^as ehemals russische, nach den großartigen Siegen
I-/ des Generalobersten v. Hindenburg bei Tannenberg,
den Masurischen Seen und Lyck in deutsche Verwaltung
genommene Gouvernement Suwalki ist der nördlichste
Teil von Russisch-Polen. Von der ostpreußischen Grenze
bis zum Njemen reichend und an die russischen Gouverne-
ments Kowno im Norden, Wilna im Osten, Grodno im
Südosten und Süden und das polnische Lomza im Süden
angrenzend, ist es mit seinen 12 550 Quadratkilometern
Fläche ein Gebiet von der ungefähren Größe des Groß-
herzogtums Mecklenburg-Schwerin. Sein Boden ist in
der nördlichen Hälfte eben wie ein Tisch, in der südlichen
auch sanft gewellt, geographisch und geologisch die Fort-
setzung der ostpreußischen Seenplatte. Dieser Süden er-
innert mit seinen Tannenwäldern, die von guter Forst-
wirtschaft zeugen, den kleinen, tiefblauen Seen und
einzelnen Felsblöcken und gut gepflegten Straßen etwas
an eine mittelthüringische Landschaft. Reichlich die
Hälfte des Gouvernements Suwalki ist Ackerland, säst
ein Viertel wird von Wäldern bedeckt, das letzte Viertel
sind Wiesen, Weiden und unkultiviertes Land, Sumpf
und Moor. Ackerbau und Viehzucht sind die Haupt-
erwerbszweige der nur etwa 600000 Köpfe zählenden
Bevölkerung, von der reichlich die Hälfte die Litauer aus-
machen, während die andere sich auf Polen (135 000),
Juden (60 000), Russen (53 000) und Deutsche (20 000),
verteilt. Die Industrie, die sich lediglich mit der Ver-
arbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse besaßt, ist un-
bedeutend, desgleichen der Handel, der vor Ausbruch des
Krieges übrigens in der Hauptsache nach Preußen hin-
überging. Hauptstadt und wirtschaftlicher Mittelpunkt
des Gouvernements ist die unweit des Wigrysees an der
Zweigbahn Orany —Grodno der St. Petersburg—War-
schauer Bahn gelegene Stadt Suwalki, ein erst zur Zeit
der ersten Teilung Polens angelegter,regelmäßig gebauter,
etwa 25 000 Einwohner zählender Ort, von dessen Aus-
sehen und Leben die sechs Bilder auf Seite 162 eine Vor-
stellung geben werden. Da ist unter anderem die lange,
breite Hauptstraße, die Petersburger Straße, mit ihren
kleinen Läden zu sehen, und als charakteristische Straßen-
typen der Wasserträger und der Straßenhändler. An
die Hauptstraße schließen sich ausgedehnte, oft noch
ungepflasterte Nebenstraßen mit Holzhäuschen an. In
Friedenszeiten soll Suwalki einen ziemlich lebhaften Ein-
druck machen, besonders weil es Garnison zweier Regi-
menter war.
Ein waidgefecht bei vefldun.
«Ziehe dos MW auf Zeile IdZ.)
Abgesehen von Erstürmungen stellen Waldgefechte an
1 » die Mannschaften, die zum Angriff vorgehen, die
schwersten Anforderungen. Der Feind, der den Wald
besetzt hat, liegt hinter Gebüsch, ist durch die Baumstämme
gedeckt oder hat sich in dem Astwerk eingenistet, so daß
die angreifenden Truppen es gleichsam mit einem un-
sichtbaren Gegner zu tun haben, der zwar sie unter
Feuer nehmen kann, dem sie selbst aber nur schrittweise
beizukommen vermögen. Ein äußerst erbittertes Wald-
gefecht gegen Turkos und Zuaven entspann sich in der
Gegend von Verdun. Prinz Oskar, der fünfte Sohn
-unseres Kaisers, hatte den Befehl erhalten, mit den
Königsgrenadieren, deren Oberst er ist, einen von afri-
kanischen Truppenteilen besetzten Wald zu säubern.
Hinter den Bäumen hervor und von ihnen herab, die
sie erstiegen hatten, empfingen die Turkos und Zuaven
das eindringende Regiment mit einem prasselnden Schnell-
feuer. Aber die wackeren Grenadiere ließen sich trotz-
dem nicht aushalten. Jeder Zoll Boden mußte dem
Gegner abgerungen werden, der endlich nach blutigem
Nahkampf, wie ihn unser Bild auf Seite 163 schildert,
unter Zurücklassung zahlreicher Gefangener in wilder
Flucht das Feld räumte. Mehrere Offiziere, darunter
ein Major, sanken tot an der Seite des Prinzen Oskar
nieder.
Eine Wlensahtt.
von Md. 6. Kruegel-.
«Nachdruck oeeduien.)
M^Ain 30. Juli 1914 berichteten die Zeitungen
Wrfs folgendes: „Die nächtliche Beschießung Bel-
MM I grads begann um Mitternacht. Es wurde
das bei Belgrad gelegene serbische Militär-
lager von Branika beschossen. Im Verlaufe der
Nacht kam es bei der Savebrücke zu einem Kampf,
bei dem die Donaumonitore und Maschinengewehre
in Funktion traten. Nach zwei Uhr morgens war
noch mehrmals scharfes Gewehrfeuer zu hören; es
verstummte jedoch, als der Morgen graute. Um
vier Uhr morgens kam die Donau aufwärts der
ungarische Schleppdampfer,Allotmantfl mit einen«
großen Boot im Schlepptau. Mit großem Erstaunen
sah man, wie der Dampfer nach einer Schwenkung
um die Große Kriegsinsel mit Volldampf auf das
serbische Ufer zulief und dann nur zweihundert
Meter vom Lande entfernt den Strand entlang-
steuerte. Aus dem Ufergebüsch und den Kasematten
der Festung auf der serbischen Seite ging ein mör-
derisches Feuer auf das Schiff nieder. Als vorher
die Monitors jene Stellen beschossen hatten, hatte
sich selten ein Verteidiger gemeldet. Durch das starke
Feuer auf den Dampfer wurde aber das Geheimnis
verraten, daß die Belgrader Festung zahlreiche Ver-
teidiger habe und nicht geräumt sei. Durch das
Feuer der Serben sind von den fünf Manu der
Besatzung des.Allotmantst zwei getötet, einer ver-
wundet worden. Die tollkühne Fahrt des nicht
armierten Schiffes hatte ihren Zweck erreicht."
*
Mitternacht. Beängstigendes, lastendes Dunkel.
Kein Mondesblick, kein winzig Sternlein mag ein
wenig Licht, ein wenig Leben verbreiten. Gleich
einem schweren, undurchdringlichen Leichentuch
hängen mächtige Wolkenballen über der Erde.
Bleierne Finsternis wuchtet in den öden, menschen-
leeren Straßen des alten Semlin. Nichts rührt sich.
Kein noch so vereinzelter Tierlaut ist hörbar. Und
diese Totenstille vermag nicht einmal das leise
Knistern eines unaufhörlich niedergehenden Nebel-
regens zu beleben.
Aber durch das schwüle Dunkel, durch die be-
drückende Stille, da zieht es heran, leise, unaus-
weichlich, wie die Ahnung von etwas Drohendem,
Unheimlichem. Es ist so, als habe ein heranschleichen-
des Grauen seine Arme ausgereckt, die nun langsam
an der Menschcnseele tasten, sie leise, aber unwider-
stehlich umschlingen. Und durch das alles zittert ein
Hauch, wie der tiefe, befreiende Atemzug der Welt-
geschichte.
Dennoch herrscht Leben in dieser Ode. Droben
auf dem Zigeunerberge, unter den Ruinen des alten
Hunyadyschlosses, flammt sekundenlang ein leiser
Lichtblitz auf. Dort, auf der äußersten, der Donau
zugewaudten Klippe steht, fest in seinen Mantel
geknöpft, die Hände auf den« Säbel, schon seit einer
Stunde regungslos zuwartend, der Kommandeur
der hier tätigen österreichischen Division. Eben ist
ein Adjutant mit eurer Meldung an ihn herangetreten
und hat auf einen leisen Wink des Generals seine
elektrische Taschenlampe anfleuchten lassen. Ehr-
furchtsvoll schaut er nun in das Gesicht seines Vor-
gesetzten, der seinem Block eine kurze Notiz ein-
verleibt.
Wie aus Stein gehauen muten seine Züge an.
Kein Muskel, keine Wimper zuckt darin. Eiserne
Energie, gepaart mit einer durch nichts zu erschüttern-
den Ruhe, eisiger Kälte, ruht auf ihnen.
„Danke!"
Unwillkürlich zuckt der junge Offizier zusammen,
als das stahlharte, eigen leuchtende graue Auge des
Generals für eine Sekunde sein Gesicht streift. Dann
tritt er salutierend zurück.
Wieder lastende Stille.
Da flammt drunten an der Donau plötzlich ein
grelles Licht auf. Es zeigt sich, hell bestrahlt, die
Savebrücke, der sich huschende Gestalten nähern.
Gleichzeitig bohrt sich, fast aus den Mauern Semlins
heraus, ein roter Strahl in das Dunkel.
Ordentlich befreiend wirkt der Kanonenschlag.
Die Starre des Todes ist überwunden. Das frische,
tatendurstige Leben setzt ein.
Wieder Licht.
Hastig folgen jetzt die Kanonenschläge aufein-
ander. Kläffend setzt Jnfanteriefeuer ein, schwillt
an, wird endlich so gräßlich, daß die dazwischen dröh-
nenden Kanonenschüsse nur noch als schwache Pauken-
schläge wahrnehmbar sind.
Der General war leicht zusammengezuckt und an
den Rand der Klippe vorgetreten. Mit weit vor-
gebeugtem Oberkörper lauscht er auf das anschwel-
lende, zeitweilig etwas abflauende Feuer. Vergeb-