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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 24
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0525
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Z26 .—
„In Köln sind sie?"
„Jotte doch, jci, schon drei Tage sind se weg!"
„Haben Sie vielleicht für mich etwas hinter-
lassen? Ich bin der Bruder der gnädigen Frau,
Domänenpächter Theiner aus Hägershof."
„Nich 'n Schimmer!"
„Wann werden sie wiederkommen? Ich werde
erwartet."
„Det kann nich stimmen!"
„Aber gewiß!"
„Kann nich stimmen. Ick mache jroß reine in-
dessen, und morsen sehe ick uf Urlaub — für vier
Wochen."
„Wollen Sie nicht öffnen und die Kette fort-
nehmen?"
„Wat Se sagen! Det machen wir nu nich, das
mit 'n Bruder kann jeder sagen, und die Unter-
haltung, die denn kommt, kennen wir in Berlin
sehr jut. Det Se erwartet werden, stimmt nich,
und da wird das andre ooch nich stimmen. Vor
so wat sind die Schließketten, vor solche Brü-
der —"
Mit einem Krach flog die Tür ins Schloß, und
das entschlossene Mädchen für alles widmete sich
weiter seiner nützlichen Tätigkeit.
Da stand Michael Theiner wie ein begossener
Pudel.
Himmel, das hätte ihm, dem Gewaltigen von
Hägershof, dort ein Dienstmädchen sagen sollen!
Aber was war da zu machen? Dies gott- und
respektlose Berlin trieb ihm jedesmal die Galle
ins Blut.
Er wurde nicht erwartet? Hm, wie hatte sich
Tinchen ausgedrückt? „Dein Kopfwäschen hat
keinen Zweck!" Nach einer formellen Empfangs-
bereitschaft sah das freilich nicht aus, aber sie war
doch seine Schwester, und bei der mußte er immer
willkommen sein! Statt dessen fuhr sie auf vier
Wochen nach Köln. Zum Maskenball, hatte dieser
weibliche Struwwelpeter erklärt, dieses unver-
schämte Frauenzimmer, das ihn für einen Strolch
hielt.
In der teppichbelegten Treppenhalle mit reichem
Stuck und vergoldetem Geländer stand ein meter-
hoher Spiegel.
Er schaute hinein.
Wie ein Gigerl sah er ja nicht aus. Braun-
gebrannt und mit einem Hute auf dem Kopfe,
der schon manchen Wettersturm erlebt hatte. Wenn
Michael Theiner kam, war er gut, wie er kam.
Galatoilette machte man nur bei Hochzeiten, Taufen
und Begräbnissen. Sein Luxus lag in den Stahl-
kammern der Bank, auf dem Leibe spazieren trug
er ihn nicht! Aber Strolch, Himmeldonnerwetter
— so sah er auch nicht aus!
Und da stand er noch immer! Was wollte er?
Mit einem grimmigen Ruck machte er kehrt
und fuhr in sein Hotel zurück.
Tags darauf suchte er den Justizrat auf, von
dem er auch nichts erfuhr, dann aber begab er sich
in die Auskunftei von W. N. Stuhr, wo man, wie
es in der Zeitungsanzeige seines Blattes hieß,
alles erfahren sollte, in allen verzwickten Lebens-
lagen Rat und Hilfe fand. War's Aufschneiderei,
na, dann warf er ein paar Kassenscheine weg, die
hatte er ja — und war die Reklame begründet,
dann wollte er sich mal über seinen Schwager ein
Licht, nein, einen Kronleuchter aufstecken lassen.
Nötig wäre das längst gewesen, aber damals
kam's ihm nicht schicklich vor, und brieflich ließ sich
das auch so schlecht machen. — Wenn er dann
Tinchen mit Neuigkeiten kommen konnte, stand er
anders da, und sie sollte auf ihn hören. War aber
Leske besser als seine Augen, dann hatte er sich
Beruhigung verschafft.
Der Besuch war kurz.
Herr W. N. Stuhr versicherte, daß er jede Aus-
kunft über jedermann erteilen könne und nur vier
Tage für die ersten Recherchen brauche. Die Hälfte
der Anzahlung sofort, die andere Hälfte nach ge-
gebener Auskunft.
Als sich hinter dem Domänenpächter die Tür
geschlossen hatte, wurde Stuhrs unbewegliches,
maskenhaftes Gesicht lebendig.
Oh, der Herr Assessor Leske! Von den: hätte er
sogleich allerlei mitzuteilen gehabt, aber es war ge-
schäftlich angezeigt, daß er erst umständliche Fest-
stellungen heuchelte, denn das rechtfertigte seinen
Honorarsatz. Und einiges mußte ja wirklich erst
festgestellt werden. —
Michael Theiner dachte daran, nun seinen Neffen
zu benachrichtigen, ihn sich ins Hotel zu bestellen,
wenn er Urlaub bekam. Aber vor Sonntag war
auf diesen Urlaub nicht zu rechnen, und dann hatte
er die Auskunft, dann fühlte er sich sicherer, bei
allem, was er tat oder sagte, keinen Mißgriff zu
begehen.
So widmete er sich nur der Teilnahme an den

__ n v35 8uch sül- MIC -. .. -
landwirtschaftlichen Beratungen und wartete ab.
In grimmiger Laune, mit unbehaglicher Span-
nung, aber auch mit jedem Tage fester entschlossen,
den Dingen auf den Grund zu gehen. Er kam sich
beleidigt vor und wollte seine Genugtuung haben.
Alle hatten ihn beleidigt: Tinchen durch ihre Auf-
lehnung, das Mädchen durch die freche Abweisung
und der Assessor durch die Macht, die er über Michaels
Schwester besaß.
Pünktlich an: vierten Tage fand er sich in der
Auskunftei ein, wurde sofort vorgelassen und von
dem Manne mit dem unbeweglichen Gesichte emp-
fangen.
„Ist die Auskunft da?"
„Sie ist da und ist gut — zum Teil ausge-
zeichnet !"
„Was Sie sagen!" Der biedere Domänen-
pächter dachte nicht daran, seine Enttäuschung zu
verhehlen.
«Fortsetzung folgt.!

6ene«-al Snaf o. Lochme«-, der 5ieger von
5trkjj.
(Netze dar poetrLt auf 5e!te 521.)
Dieselben Truppen der unter dem Oberbefehl des
L/ Generals v. Liusingen stehenden sogenannten deut-
schen Südarmee, die in der großen Frühjahrsschlacht
in den Karpathen mit unvergleichlicher Tapferkeit den
Zwininrücken eroberten und sich schon durch diese Tat
unauslöschlichen Ruhm erworben haben, waren es, die
die starkbefestigte Hauptstellung der Russen am Stryj
bei der Stadt gleichen Namens mit furchtbarer Wucht
durchbrachen und damit die endgültige Niederlage der
Russen in Galizien besiegelten. Ihr ausgezeichneter
Führer ist der bayerische General der Infanterie Gras
Felix v. Bothmer. Er stammt aus einer alten bayerischen
Soldatenfamilie, die dem deutschen Heere schon mehrere
tüchtige Generale gestellt hat. Sein Vater war General-
leutnant und Generalquartiermeister, ein Onkel von ihm
führte 1870 bei Weißenburg die Avantgarde der deut-
schen 3. Armee und zeichnete sich bei Wörth, Sedan und
bei der Belagerung von Paris besonders aus. Graf
Felix v. Bothmer, der jetzt im 63. Lebensjahre steht, war
bei Ausbruch des Krieges schon zur Disposition gestellt
und im Frieden Generalkapitän der Leibgarde der Hat-
schiere, der bayerischen Hoftruppen. 1871 trat er als
Fahnenjunker in das 14. Infanterieregiment zu Nürn-
berg ein, wurde im selben Jahre Offizier, war später
Brigadeadjutant in München und Kompaniechef im
Jnsanterieleibregiment, bis er 1890 in den Generalstab
des 2. bayerischen Armeekorps in Würzburg versetzt wurde.
Von dort kam er demnächst auf zwei Jahre ins bayerische
Kriegsministerium, sodann unter gleichzeitiger Beförderung
zum Major in den preußischen Generalstab, in dem er
während dreier Jahre verblieb. 1896 wurde er Bataillons-
kommandeur im Jnsanterieleibregiment, 1899 als Oberst-
leutnant Abteilungschef im bayerischen Generalstab, 1901
Kommandeur des Leibregiments und 1903 Generalmajor
und Kommandeur der 2. Jnfanteriebrigade in München.
1905 erfolgte seine Beförderung zum Generalleutnant,
im März 1910 zum General der Infanterie.
Del- kriegshafen von 6enua.
(5letze das 8i«d auf 8eitr 524.)
^»enua, die erste Seehandelstadt Italiens und eine
V bedeutende Festung, erhebt sich an dem halbkreis-
förmigen Hafenbecken auf den Höhen zwischen den tief
eingeschnittenen Tälern der Flüßchen Polcevera und
Bisagno. Eine doppelte Nmwallung, die innere Stadt-
mauer und der äußere Wall, umschließen die gegen
180000 Einwohner zählende Stadt. Der 14 Kilometer
lange äußere Wall zieht sich vom Leuchtturm im Westen
über das Fort Begato zu dem Fort Sperone hinauf und
senkt sich im Osten über das Fort Castellaccio bis zum
Golf hinab. Auf den umliegenden Höhen sind außer-
dem zehn Außenforts errichtet. Der Hafen von Genua
wurde seit 1877 mit einem Kostenaufwand von 65 Mil-
lionen Lire, wovon der Herzog von Galliera 20 Mil-
lionen beisteuerte, ansehnlich erweitert. Die Gesamt-
fläche des fast immer überfüllten Hafens beläuft sich aus
190 Hektar, die Länge der Kaie auf 12 500 Meter. Von
beiden Ufern vorspringende Stcindämme gliedern das
Hafenbecken in drei Abschnitte: den zu innerst gelegenen
Hafen, den sich nach außen hin anschließenden Neuen
Hasen und den davor gelagerten Vorhafen. Den eigent-
lichen Kriegshafen bildet der durch Uferbatterien ge-
schützte Vorhafen Vittorio Emanuels II. Ihn umfassen
westlich der Hafendamm Molo Duca di Galliera mit
einer Länge von 1700 und östlich der Hafendamm Molo
Giano mit einer Länge von 600 Metern.
Vas italienische jnselsopt Irimelone im
Sandasee.
(5lrtze das 8Ud auf 5ei1e 525.)
Obgleich Jahrzehnte hindurch Verbündete, sind Öster-
V reich-Ungarn und Italien doch stets darauf bedacht
gewesen, ihre beiderseitige Grenze so stark wie möglich
zu befestigen, für den Fall, daß eines schönen Tages
das Bündnis in die Brüche ginge und dafür der trotz
aller Bündnisschaft niemals aus der Welt geschaffte

7—.-. iOHO lM 24
alle Gegensatz zwischen den beiden Nachbarn in offene
Feindschaft ausarten würde. Dieser Fall ist nun durch
den schon lange von Italien im geheimen vorbereiteten
schmachvollen Treubruch wirklich eingetreten. Zunächst
hat Italien, wie es nach der ganzen Lage nicht anders
sein kann, die Offensive ergriffen und versucht — bisher
ohne jeden Erfolg — gegen die österreichisch-ungarischen
Verteidigungswerke anzurennen; später aber, so dürfen
wir sicher annehmen, wird unser wackerer Waffenbruder
den Spieß umdrehen und seinerseits den Vorstoß ins
Feindesland unternehmen. Dann wird es sich ja zeigen,
ob jener Verräter gegen Treu und Glauben sein eigenes
Land zu schützen vermag, ob seine Grenzbefestigungen
stark und widerstandsfähig genug sind, dem Rächer den
Weg zu verlegen. Die Haupcbsfestigungswerke liegen in
der Poebene, wo auch heute noch das berühmte Festungs-
viereck Verona, Mantua, Brescia, Peschiera, von dein
1848 Radetzky so geschickten Gebrauch machte, von hoher
Bedeutung ist. Die erste italienische Verteidigungslinie
liegt aber in den italienischen Alpen, wo alle aus Tirol
oder Kärnten nach der Lombardei und Venetien führenden
Straßen von Befestigungswerken beherrscht werden. So
auch die breite, tief ins Gebirge einschneidende Furche,
in der der größte der oberitalicnischen Seen, der mit
seinem nördlichen Zipfel auf österreichisches Gebiet über-
greifende Gardasee, liegt, und die von Natur eines der
bequemsten Einfalltore aus Tirol nach Italien bildet.
Natürlich auch umgekehrt. Darum ist österreichischerseits
Riva und Umgebung am Nordende des Sees zu einer
erstklassigen Festung ausgebaut. Ihr Gegenstück auf ita-
lienischem Boden ist die am flachen Südgestade gelegene
Festung Peschiera. Aber auch sonst befinden sich allent-
halben am See und in seiner Nähe italienische Be
festigungswerke. Seit 1911 ist da auch die kleine Felsen-
insel Trimelone, wohin uns unser interessantes Bild aus
Seite 525 versetzt, in ein starkes italienisches Fort um-
gewandelt. Das-Eiland liegt ganz nahe dem Ostufer
des Sees, über dem sich der langgestreckte Felsrücken des
Monte Baldo erhebt.
Vie verteidige«' der Vukorvina.
(8ietze das SUd auf 5eUe 527.)
1°Hie Verteidigung beziehungsweise Wiedergewinnung
der Bukowina ist eine der denkwürdigsten Episoden
im Kampfe gegen Rußland. Bei Kriegsausbruch war
nämlich jenes hübsche, fruchtbare, von einer betriebsamen
bäuerlichen Bevölkerung bewohnte, zur einen Hälfte den
Karpathen, zur anderen dem östlichen Flachlande an-
gehörige südöstliche Grenzland der österreichisch-unga-
rischen Monarchie gegen einen feindlichen Einfall mili-
tärisch völlig ungeschützt, und es vergingen Monate, ehe
eine regelrechte Armee dorthin geschickt werden konnte.
Bis dahin mußte es sich eben selbst helfen, so gut es
ging. Die „Landesverteidigung" lag in den Händen des
Oberstleutnants und späteren Obersten Fischer, des Kom-
mandanten der Gendarmerie. Diesem außergewöhnlichen
Manne, übrigens ein Sohn dieses Landes, der sich dabei
als ein wahrhaft großartiges organisatorisches Talent
erwiesen hat, ist es geglückt, eine Armee gewissermaßen
aus dem Nichts zu schaffen, während die Russen bereits
den nördlichen Teil der Bukowina bis zum Sereth mit
der Landeshauptstadt Czernowitz in Händen hatten. Die
in den Tagen der Mobilisierung durch ältere Landsturm -
leute auf 30 bis 50 Mann verstärkten Gendarmerie- und
Finanzposten, ferner aus Nordgalizien herbeigeholte
Eisenbahnsicherungsabteilungen, alles Landstürmer der
ältesten Jahrgänge, bildeten seine Stammtruppen. Dann
bot er Rekruten und andere Dienstpflichtige, huzulische,
slowakische, ruthenische, rumänische und deutsche Bauern
auf, bewaffnete sie, bildete sie aus, gab ihnen die Gen-
darmen als Kompanieführer, die übrigen Leute des
Stammkörpers als Leutnante und Unteroffiziere und schuf
sich so eine Wehrmacht von der Stärke einer schwachen
Division. Als einziges Uniformabzeichen hatten diese
bäuerischen Soldaten, wie auf unserem interessanten Bilde
auf Seite 527 deutlich zu erkennen, schwarz-gelbe Arm-
binden, als Bewaffnung alte Werndlgewehre. Holz-
kanonen täuschten dem Feinde im Verein mit sechs alten
Kanonen, von denen zwei noch mit Schwarzpulver schossen,
starke Artillerie vor; pistolcnküallende Schuljungen füllten
die Lücken der Front in markierten Schützengräben. Mit
dieser Bauerntruppe, die sich durch ihre Tapferkeit die
Ehrenbezeichnung einer Heldenschar in schweren Kämpfen
redlich verdient hat, hat nun Oberst Fischer volle fünf
Monate mit beispielloser Energie große Heeresmassen
der Russen in Schach gehalten und bewundernswerte
Taten verrichtet, wenn er auch schließlich vor der über-
wältigenden Übermacht sich langsam bis ins Gebirge
zurückziehen mußte. Zu Neujahr erkrankte her Oberst,
wenige Tage später übernahm Oberstleutnant v. Papp,
zuletzt als Major Generalstabschef einer Truppendivision
der bei Maramaros-Sziget neugebildeten Armee des Ge-
nerals Freiherrn v. Pflanzer-Baltin, in dem Karpathen
orte Jakobeny die Führung der Gruppe Fischer. Einen
besseren Nachfolger hätte Oberst Fischer nicht erhalten
können. Zumal leistete der ehemalige Genieoffizier in
der Befestigung seiner Stellungen geradezu Großartiges.
Als ihm dann gar zwei mit unsäglicher Mühe herber-
geschleppte schwere Haubitzen zur Verfügung standen,
wagten die Russen überhaupt nicht mehr einen ernstlichen
Angriff auf die Pappsche Division, die inzwischen mit der
Armeegruppe Pflanzer-Baltin vereinigt war und deren
rechten Flügel bildete. Bei der dann im Februar ein-
setzenden Rückeroberung der Bukowina tat sich die rn
hundertfältigen Stürmen erprobte Division wieder be-
sonders hervor. Sie war es auch, die Czernowitz aM
20. Februar wieder eroberte. Leider erlitt Oberst-
leutnant v. Papp bald darauf eine schwere Verwun-
dung.
 
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