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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 24
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0528
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yeft 24 ...-
Ihre leichtsinnigen und dabei dummstolzen Ge-
schwister. Nur Sie habe ich geliebt -— vom ersten
Tage an. Sie waren es, die mich in meiner Stel-
lung ausharren, alles tragen und dulden ließen."
Jolanthe wollte ihn unterbrechen, aber Stubik
winkte ungeduldig mit der Hand.
„Sie sollen und müssen mich anhören," fuhr er
fort. „Ich liebe Sie, Jolanthe, nicht mit der An-
hänglichkeit eines Hundes oder der Treue eines
Dieners, wie Sie in Ihrem angeborenen und an-
erzogenen Hochmut aunahmen, sondern mit der
ganzen Kraft einer Leidenschaft, die skrupellos jeden
Kampf aufnimmt, um die Geliebte zu erringen.
Weder dem abenteuerlichen Grafen Davanzati, noch
dem albernen Baron Preysing kann ich Sie lassen.
Mir sollen Sie gehören, mich werden Sie heiraten."
„Ich soll Sie heiraten, Stubik? — Ich — Sie?"
„Jawohl — Sie mich! Die Einwilligung Ihres
Vaters habe ich in Händen."
„Papa willigt ein, daß ich Sie heirate? Sind
denn alle närrisch geworden? Mein Vater weiß
doch, daß ich den Grafen Davanzati liebe, und Sie

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soll ich heiraten — Sie, den Sekretär meines
Vaters?"
„Hören Sie zu, Jolanthe. Ich liebe Sie und
will Sie glücklich machen, wenn ich Ihnen auch
jetzt erst ein bescheidenes Los bieten kann. Ich
besitze Kenntnisse und viele Verbindungen. Wir
bleiben in Italien. Hier wird es mir leicht sein,
eine Anstellung zu finden. Sie sollen nichts ent-
behren. Vergessen Sie die unglückliche Geschichte
mit Davanzati. Er hat Sie nie geliebt. Könnte er
sonst ohne Ihre Einwilligung sein Schicksal ganz
an den General Garibaldi ketten? Der Entschluß,
nach Afrika zu gehen, trennt Sie doch vollständig
von ihm!"
„Vorläufig. Aber ich werde ihm treu bleiben,
warten und hoffen."
„Jolanthe, Sie haben nichts mehr zu hoffen."
„Das müßte ich erst vom Grafen Davanzati
selber hören. Ihnen glaube ich nichts mehr, Stubik.
Sie haben mich beständig hintergangen."
Er nagte an seiner Lippe. Plötzlich faßte er
ihre Hände und zog sie trotz ihres Sträubens dicht

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zu sich heran. „Glauben Sie denn, daß der Graf
Davanzati ein Mädchen heiraten wird, das acht
Tage lang mit einem anderen in der Welt herum-
gefahren ist?" fragte er mit kaltem Spott.
Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, aber
noch faßte sie den Sinn seiner Worte nicht voll-
ständig. „Sie wollten mich doch zum Grafen
bringen! Daß Papa böse darüber ist, begreife ich,
aber Felice kann mir deswegen doch nicht zürnen!"
Stubik lachte. Gleich darauf wurde er wieder
sehr ernst. „Jolanthe, begreifen Sie nicht, daß
Ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als mich zu
heiraten? Wir sind in Wien zusammen im Hotel
gesehen worden. Die Gräfin Salm wird nicht
geschwiegen haben. Ihre Familie konnte überdies
Ihre Flucht auch gar nicht geheim halten. Baron
Preysing, der unermüdliche Schwätzer, sorgt gewiß
genügend für Verbreitung. Ihr Vater sagt sich ganz
von Ihnen los. Auf Ihren Brief antwortete er
mit keiner Silbe, sondern schickte nur Ihr Tauf-
zeugnis und seine schriftliche Einwilligung zu unserer
Heirat."





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Er ließ ihre Hände los und zog die Papiere aus
der Tasche.
Jolanthe erkannte die Schrift ihres Vaters und
las, daß er die Einwilligung zu der Verheiratung
seiner minderjährigen Tochter Jolanthe, Gräfin
Kolegrad, mit dem Herrn Franz Stubik gebe.
„Das ist ja ein entsetzliches Mißverständnis!
Wie konnte das nur entstehen?"
„Ob Mißverständnis oder nicht, die Tatsache
bleibt bestehen, daß Sie mit mir heimlich das Haus
Ihres Vaters verlassen haben und seitdem mit mir
Herumreisen," entgegnete Stubik.
„Haben Sie mich also nur deshalb bewogen, das
Haus meines Vaters zu verlassen, um mich in Ihre
Gewalt zu bekommen?"
„Jawohl," bestätigte er. „Aber meine Gewalt
will ich nur dazu benützen, um Sie zu lieben, Jo-
lanthe, Sie anzubeten."
Er schlang die Arme um sie. Seine Lippen
suchten ihren Mund.
Aber mit der Kraft der Verzweiflung rang sie
sich los und stieß ihn zurück. „Wagen Sie es nicht,
mich anzurühren! Lassen Sie mich allein — sofort!
Nicht eine Stunde länger bleibe ich mit Ihnen zu-
sammen."
„Und was gedenken Sie anzufangen, wenn ich
fragen darf? Geld haben Sie nicht. Sie können
sich so wenig weiter helfen wie ein ganz kleines Kind.
XXIV. ISIS.

Der Schauplatz der Kämpfe um die Lorettohöhe. (S. S31)
Ihr Vater hat Sie verstoßen. Ihre Familie, jeder
Bekannte in Österreich dreht Ihnen den Rücken,
und der Graf Davanzati wird sich, wie ich bereits
bemerkte, dafür bedanken, ein Mädchen zu heiraten,
das sich so bloßgestellt hat, wie Sie es taten. —
Jolanthe, sehen Sie endlich ein, daß Sie niemand
mehr haben als mich!"
„Nein, ich sehe nur, daß ich ganz allein stehe.
Das ist die Strafe, weil ich allen Warnungen zum
Trotz Ihnen vertraute, Stubik."
„Wer warnte Sie denn?"
„Viele. Meine Geschwister zum Beispiel und
auch Graf Davanzati. Jeder besaß ein richtigeres
Urteil, mehr Menschenkenntnis als ich."
„Was die hochmütige Sippe von mir denkt
und redet, gilt mir gleich. Sie werden mich schon
lieben lernen, wenn Sie meine Frau sind, Jo-
lanthe."
„Ihre Fran — ich? Und wenn ich mich da-
durch vom Tode retten könnte, ich heiratete Sie
doch nicht — niemals! Sie sind ein Lügner, den
ich verachte und verabscheue."
„Tun Sie was Sie wollen, aber los werden
Sie mich nie, Jolanthe. Und heiraten müssen Sie
mich wohl oder übel, denn —"
Ihr empörter Aufschrei schnitt ihm das Wort
ab. „Wenn Sie jetzt nicht augenblicklich das Zimmer
verlassen, rufe ich um Hilfe," drohte Jolanthe.

Als er sah, daß seine Drohungen nichts nützten,
fiel er vor ihr nieder und drückte den Kopf in die
Falten ihres Kleides.
„Jolanthe, nur aus Liebe für dich tat ich alles,"
bettelte er. „Stoße mich nicht von dir. Ich liebe
dich wie ein Wahnsinniger. Komm mit mir. Laß
deine Vorurteile fahren. Erhebe dich über den
elenden Kastengeist und kleinlichen Hochmut deiner
Familie, die in mir immer nur den Diener sah."
„Nicht einmal einen Diener sehe ich in Ihnen,"
antwortete sie grausam, denn sie wollte ihn treffen.
„Einen treuen Diener kann jeder schätzen und ihn:
dankbar sein. Aber Sie verachte ich. Sie gehören
nicht zum Volk, sondern zum Pöbel, wenn nicht
Ihrer Geburt, so doch Ihrer Gesinnung wegen."
Das Gesicht, das er aus den Falten ihres Kleides
zu ihr emporhob, wurde bei ihren Worten erst blut-
rot, dann erdfahl. „Gut. Wenn ich zum Pöbel
gehöre, dann will ich mich auch so benehmen," stieß
er, außer sich, hervor. Mit brutaler Gewalt hielt er
ihre Arme fest und versuchte ihr ihm hartnäckig ab-
gewandtes Gesicht zu küssen, bis Jolanthe, die ihre
Kräfte schwinden fühlte, kurz hintereinander ein
paar laute Hilferufe ausstieß.
Bis in die Küche drangen die Angstschreie der
Hellen Mädchenstimme.
Die Männer warfen ihre Karten hin. Gefolgt
von der Wirtin, einer alten, weißhaarigen Bauers-
 
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