SZ4
Vas Such für Mle
kjeft 24
an Marsch, glühend brannte die Sonne, bei den stetigen
Bewegungen nach vorn und den Verschiebungen der
einzelnen Truppenkörper stockte zuweilen, wie es erklärlich
ist, die Verpflegung, und auch der Munitionsnachschub,
zu dem verschiedentlich Maultiere herangezogen wurden
(Bild 1), war mit großen Schwierigkeiten verknüpft. An
Nachtruhe, die nur unter freiem Himmel abgehalten
werden konnte, war oftmals für viele der tapferen
Streiter nicht zu denken, denn wenn wirklich einmal eine
Pause im Gefecht oder auf dem Marsch eintrat, mußten
wegen der beständig zu erwartenden Abwehrversuche der
Russen zahlreiche weit vorgeschobene Vorposten aufgestellt
werden (Bild 2). Die Kämpfe am mittleren Dunajec
unter General v. Mackensen, die Schlachttage von Gor-
lice und Tarnow, die Wegnahme der Höhen von Hyowa
Gora unter General v. Emmich, die Eroberung von
Krosno durch die österreichisch-ungarische Armeegruppe
Boroevic, die Erstürmung von Jaroslau und Stryj werden
für immer unverwelkliche Lorbeeren im Siegeskranze des
deutschen und österreichisch-ungarischen Heeres bedeuten.
Und ebenso glanzvoll leuchtet die Wiedereroberung der
Festung Przemysl. Mehrere Monate hatten die Russen
unter schonungsloser Aufopferung von zahllosen Menschen-
leben gebraucht, um die ausgehungerte Festung endlich
in ihren Besitz zu bringen. Sie zwangen der Ernährung
wegen die ärmere Bevölkerung, aus der Stadt zu flüchten
(Bild 4), stellten die Befestigungswerke wieder her und
bestückten sie mit schwerem Geschütz, und doch gelang es
nach nur viertägiger Belagerung bayerischen Regimentern,
preußischen Gardetruppen und österreichisch-ungarischen
Schützenabteilungen unterFührung des Generalsv.Kneus-
sel, eine Reihe von Forts und die Festung selbst mit
stürmender Hand zu nehmen. Gegen 33000 Russen
wurden in den Gefechten bei Przemysl gefangen- große
Kriegsvorräte und eine beträchtliche Anzahl von Ge-
schützen erbeutet (Bild 3).
vom italienifch-östel-l-eichischen Sl-enr-
gebiet: die vrentagruppe in 5üdtil-oi.
ds5 8!Id suf Seile SZ5.)
1"s1estlich vom Gardasee durchzieht eine tiefe, durch
landschaftliche Schönheit und große Fruchtbarkeit
ausgezeichnete Talfurche, Judicarien genannt und als
eine der Einbruchspforten der Italiener ins Trentino
letzthin wiederholt in den Kriegsberichten erwähnt, die
Südtiroler Kalkalpen in nordöstlicher Richtung vom kleinen
oberitalienischen Jdrosee bis in die Breite von Trient.
Sie wird nach Süden zu von dem zum Jdrosee fließen-
den Chiese durchströmt, sowie in entgegengesetzter Rich-
tung von der Sarca, die dann nach Verlassen der Judi-
cariensurche zweimal rechtwinkelig umbiegt und über
Arco dem Gardasee zuströmt, in den sie bei Riva ein-
mündet. Nördlich von dem in Judicarien verlaufenden
Abschnitt der Sarca erhebt sich ein mächtiger Gebirgs-
stock, dessen Nordende durch das Noce- oder Nonstal
(Ronsberg) bezeichnet wird. Es ist die durch größte
Unwegsamkeit, aber höchste landschaftliche Reize aus-
gezeichnete Brentagruppe, ein Teil der Trientiner Alpen.
Aus fast durchweg horizontal geschichteten, ungefalteten
Massen von dolomitischem Kalk sich aufbauend, stellt sie
sich infolge der hier ausnehmend starken Tätigkeit der
Erosion als ein hochragender, witdgezackter Gebirgs-
rücken dar, dessen Anblick von allen Seiten einen impo-
santen Eindruck macht. Die höchsten Gipfel, darunter
die 3176 Meter hohe Cima Tosa und die in der Kaiser-
Franz-Joseph-Spitze 3155 Meter erreichende Cima Brenta,
tragen ewigen Schnee und entsenden stattliche Gletscher
in die wildromantischen Täler. Eine tiefe Scharte mitten
in diesem Gebirgszuge, die 2547 Meter hohe Bocca di
Brenta, teilt diesen in eine nordöstliche und eine südöst-
liche Hälfte, die erstere mit der Cima di Brenta, die
letztere mit der Cima Tosa als höchsten Gipfelpunkt. Für
Hochtouristen und Alpenkletterer bietet die Brentagruppe
mit ihren stolzen Zinnen und Zacken, ihren duftenden
Almmatten und prächtigen Wäldern, ihrem Firn und
Eis ein lockendes Ziel, für die Kriegführung dagegen
die denkbar größten Schwierigkeiten.
Ddmil-al v. Usedom, der Kommandant der
Uesestigungen an den Dardanellen.
lSiehe da; peNc-it auf Seite SZ7.)
irplenn bisher die Angriffe der Engländer und Fran-
zosen auf die Dardanellen im wesentlichen gescheitert
sind, so hat an dieser günstigen Entscheidung für die
Türken nicht am wenigsten der Admiral v. Usedom, der
Kommandant der Befestigungen an den Dardanellen,
beigetragen. Er ist es gewesen, der die Dardanellenforts
mit schweren Geschützen verstärkte, an geeigneten Punkten
neue Haubitzenbatterien in vorzüglicher Deckung anlegte
und das Feuer auf die Flotte der Verbündeten in erfolg-
reichster Weise leitete. Guido v. Usedom wurde am
2. Oktober 1854 in Quanditten bei Königsberg in Ost-
preußen geboren. Im Jahre 1871 trat er in die Marine
ein, war 1887 bis 1890 persönlicher Adjutant des Prinzen
Heinrich, wurde dann zum Flügeladjutanten des Kaisers
ernannt und führte mehrere Jahre die Kaiserjacht „Hohen-
zollern". Während der im Jahr 1900 ausbrechenden China-
wirren war Usedom Kommandant der „Herta". Er befeh-
ligte sodann das deutsche Landungskorps bei der Seymour-
Expedition, die den Zug auf Peking unternahm und es
eroberte. Bei Langfang verwundet, wurde er im Winter
1900 bis 1901 dem Stabe des Grafen Waldersee zugeteilt.
Seit 1905 wirkte Usedom als Oberwerftdirektor in Kiel,
worauf seine Ernennung zum Admiral erfolgte.
h Polizeisoldaten.
Vie Mordkommission.
errählung aus einer russischen Kreisstadt.
von Maximilian Maulbecker.
(Nachdruck verboten.)
ie das johlte und gröhlte! Und die Pfeifen
qualmten und stanken, daß Gott erbarm!
Bis auf den letzten Platz war heute die
Branntweinschenke angefüllt mit gestel-
lungspflichtigen Bauern aus dem Bezirke und allerlei
Weibervolk. Die einen berauschten sich aus Gram
darüber, daß sie zum Kriegsdienst für tauglich be-
funden worden waren; andere tranken aus Ge-
wohnheit, rein aus Lust am Trunk. Die jüngeren
Burschen zechten, weil sie meinten, ein tüchtiger
Rausch und ein braver Soldat gehörten nun einmal
zusammen.
Pawel Pawlowitsch, der reiche Branntwein-
pächter, der bei diesem Geschäft doch allen Grund
zur Freude gehabt hätte, stand mit finster gerunzelter
Stirn und aufgestemmten Armen hinter dem Schenk-
tisch und schaute mürrisch dem ausgelassenen Treiben
der Gäste zu. Nicht ohne aufrichtige Ergriffenheit
dachte er darüber nach, daß diese gottvoll liederlichen
Kunden und trinkfesten Burschen da, denen ein
jedes Rubelchen so lange auf den Fingern brannte,
bis sie es glücklich in Branntwein umgesetzt hatten,
nun alle in den Krieg ziehen mußten. Was küm-
merten ihn, den friedlichen Branntweinpächter und
pünktlichen Steuerzahler, die Ursachen dieses un-
seligen Krieges mit seinen unberechenbaren Wechsel-
fällen ! An den Bettelstab würde er ihn bringen —
das wird das Ende vom Lied sein!
Und in seines Herzens Betrübnis wußte er sich
keinen besseren Rat, als selbst ein großes Glas Schnaps
in einem Zuge hinunterzustürzen.
„Schau — schau!" lärmte ein wüster Geselle
mit einer häßlichen, rotunterlaufenen Narbe über
der rechten Wange. „Wenn unser lieber Bauern-
vater seinen eigenen Fusel so gerne trinkt, dann
muß es etwas ganz Feines sein. — Gib uns auch
von diesem Stoff, so ein Viertelchen oder etwas
mehr, das macht mutig und lustig." Wie um seine
durch reichlich genossenen Alkohol bereits erzeugte
Lustigkeit zu bezeugen, stampfte er auf der harten
Diele einen ausgelassenen, wilden Tanz, indem er
in einemfort dazu sang: „Ach, du Hundesohn! Du
Bauer aus Komarinsk!"
Ob nun das fortwährende Drehen und Stampfen
oder das Übermaß an Alkohol ihn unsicher auf den
Beinen machte, jedenfalls trat er einem Bauern
dermaßen auf die Füße, daß dieser wie ein Stier
aufbrüllte und im selben Augenblick, ohne ein Wort
der Entschuldigung abzuwarten oder selbst noch
einen weiteren Laut von sich zu geben, mit der
ganzen Wucht seines massigen Leibes sich auf den
Rotnarbigen stürzte.
„Hallo, was soll's!" schrien einige. „Reißt sie
auseinander!"
„Warum nicht gar!" wehrten andere mit Heftig-
keit ab. „Mögen sie sich doch prügeln, bis einem
die Luft ausgeht. Wenn's ihnen nur Spaß macht,
uns ganz gewiß."
„Spaß? Schöner Spaß, ihr Galgenstricke, das
könnte euch so gefallen!" schimpfte der aus seinen
wehmütigen Betrachtungen so jäh herausgerissene
Pächter, sprang, so rasch als seine Leibesfülle dies
nur immer zuließ, hinter dem Schenktisch hervor
und arbeitete sich mit Ellbogen und Fäusten zugleich
durch die Gruppe der Umstehenden hindurch. „Wollt
ihr, daß die Polizei in mein Haus kommt — in mein
achtbares Haus?" schrie er puterrot im Gesicht..
„Hinaus mit euch Raufbolden, wenn euch euer
Leben lieb ist!"
In demselben Augenblick, als er den Bauer am
Rockkragen hinten zu fassen kriegte — er machte
dabei eine so heftige Arm- und Handbewegung, daß
es schien, als wolle er dem Bauern das Genick
brechen — in genau demselben Augenblick versetzte
der Rotnarbige seinem Gegner von vorne einen so
heftigen Stoß in die Magengegend, daß dieser wie
vom Blitz getroffen zusammenzuckte, den Unter-
kiefer mit einem seltsamen Atemgeräusch abwärts
zerrte, als ringe er mit Gewalt nach Luft, und gleich
darauf vornüber zu Boden schlug, im Fallen den
Pächter mit sich reißend.
„Gott soll schützen!" rief einer der Zunächst-
stehenden und sprang entsetzt einen Schritt zurück.
„Er hat ihn erschlagen!"
„Mord! Mord!" schrien mehrere Stimmen
gleichzeitig durcheinander.
Wie ein grauenhastes Nachtgespenst sprang aus
dem Wirbel der erregten Stimmungen das unheil-
volle Wort hoch, pflanzte sich von Mund zu Mund,
fuhr mit dem unheimlich rauschenden Flügelschlag
einer aufgescheuchten Fledermaus durch die ver-
räucherte Schenke, stieß sich an den schmierigen
Branntweinfässern schier den Kopf ein und entwich
aufheulend durch die aufgesprungene Tür ins Freie.
Ziellos irrte und gellte es durch die volkbelebten
Straßen der Stadt, immer auf und ab: „Mord
Mord! Im Krug haben sie einen umgebracht!
Selbst die Ofenhocker kamen aus ihrem Winkel
hervorgekrochen und versuchten mit bebenden
Lippen das schreckliche Wort nachzuformen. Zs
kroch und schraubte sich durch die Gehörgänge ins
Gehirn der Menschen empor, daß die Zentralnerven
wie Leitungsdrühte summten und schwirrten und
sich mit peinigender Stetigkeit immer wieder zu
dem einen furchtbaren Begriff zusammenschwangen:
Mord — Mord! Leute mit lebhafter Einbildungs-
kraft sahen in ihrer nächsten Nähe — ob in der Luft
schwebend, ob auf dem Boden hingestreckt, das
wußten sie selbst nicht recht — den starren Körper
eines Menschen in einer rauchenden Blutlache
schwimmen, und ihre Lippen schwirrten dabei
ganz seltsam, als wollten sie etwas sagen. Und
brachten es doch nicht heraus, das schreckensvolle
Wort.
Alle wichen ihm aus. Nur einer nicht: der
Herr Polizeimeister. Das war ein furchtloser Mann,
der mit solchen Dingen genau Bescheid wußte-
Rußland hat viele solcher unerschrockenen Männer,
sehr viele, unendlich viele. Der eigentliche Held
unserer Erzählung aber, eben der Polizeimeister
Sergius Sergewitsch, war nicht nur ein unerschrocke-
ner, sondern auch ein sehr kluger Beamter, mit
einem Wort deutlich gesagt: eine gerissene Bestie.
Das heilige Rußland ist reich an solchen Bestien-
Den Herrn Polizeimeister Sergius Sergewitsch jss
doch hat es nur in einem einzigen Exemplar. Wen
entfernt, irgend eine nervöse oder auch nur be-
unruhigende Gemütserregung zu verraten, verklärte
sich sogar der Gesichtsausdruck Seiner Gestrengen-
als das unheimliche Wort ihm zu Ohren kam. Aw
er gar den Bericht entgegengenommen und dabei
heraushörte, daß der reiche Branntweinpächter in
die Angelegenheit verwickelt sei, da fuhr dort, wo
der struppige Schnauzbart von der feisten Wange
des Herrn Polizeimeisters abspringt, ein pfiffiges
Schmunzeln wie eine Stichflamme einige Male aus
und nieder, zuckte einmal über, die rechte und dann
noch einmal über seine linke Gesichtshälfte, stand für
eines Augenblickes Dauer wie ein triumphierende!.'
Wetterleuchten in seinen stahlgrauen Augen, um
gleich darauf, als der Protokollführer ins Zimmer
trat, spurlos zu verlöschen.
„Du hast von dem Vorfall gehört, Michael Mi-
chailowitsch," wandte sich der Gestrenge an seinen
Untergebenen.
„Ich habe gehört, Euer Wohlgeboren," erwiderte
der Protokollführer und ließ ehrfurchtsvoll seinen
kahlen Kürbisschädel auf die hagere Bureaukraten-
brust sinken.
„Gut, und wie spricht man.in der Stadt über
den Vorfall?"
„Wie das Volk so spricht, Euer Wohlgeboren-
Ein Mord —"
Mit einer herrischen Geste schnitt der Vorgesetzte
dem Untergebenen das Wort ab. „Das wird die
in objektiver Weise zu führende Untersuchung lehren,
ob wirklich ein Mord vorliegt," schnauzte Serguw
Sergewitsch und versank in ein minutenlanges Nacm
denken, als hätte er ein schwieriges RechenexernP^
zu lösen. Der Protokollführer, hart und eigenwillig
nach unten, biegsam und willfährig nach, oben ww
alle russischen Beamten, hatte es in der SchnW
langjähriger Praxis zum Meister gebracht in der
Kunst, in den Gedankengängen, auf Wendel- uM
Hintertreppen seines vorgesetzten polizeimeisterlichen
Gehirns sich mühelos zurechtzufinden, und beeilte
sich daher zu versichern: „Gewiß, Euer Wohlgeboren,
ganz gewiß! Die Leute reden ja allerhand uno
meist zu viel — in der Tat viel zu viel."
„Und gleichwohl brüllt dieses Herdenvieh immer-
fort nach noch mehr Redefreiheit und was der-
gleichen überspannte Forderungen einer konfuse-
Zeit mehr sind. Trag mir ungesäumt Sorge dasM,
Michael Michailowitsch, daß sich mehrere Ssotski -
unauffällig unter das Volk mischen und den lauteste:
Schreiern derart das Maul stopfen, daß sie es sobau
nicht wieder aufkriegen. Zuvor aber rufe mir oe
Gerichtsarzt. Auch halte dich zur Aufnahme ocv
Protokolls bereit — marsch nun!"
Gleich darauf erschien der Gerichtsarzt, ein Man
in den dreißiger Jahren, der erst kürzlich nach ML
versetzt worden war, in manchen Dingen auch M l
ein rechter Neuling zu sein schien, weshalb der Her
Polizeimeister glaubte, ihn mit einer gewissen Hera
lassung empfangen zu -müssen. ,
„Gott mit Ihnen, Verehrtester!" redete er m
in gönnerhaftem Tone an. „Sie werden wo-
Vas Such für Mle
kjeft 24
an Marsch, glühend brannte die Sonne, bei den stetigen
Bewegungen nach vorn und den Verschiebungen der
einzelnen Truppenkörper stockte zuweilen, wie es erklärlich
ist, die Verpflegung, und auch der Munitionsnachschub,
zu dem verschiedentlich Maultiere herangezogen wurden
(Bild 1), war mit großen Schwierigkeiten verknüpft. An
Nachtruhe, die nur unter freiem Himmel abgehalten
werden konnte, war oftmals für viele der tapferen
Streiter nicht zu denken, denn wenn wirklich einmal eine
Pause im Gefecht oder auf dem Marsch eintrat, mußten
wegen der beständig zu erwartenden Abwehrversuche der
Russen zahlreiche weit vorgeschobene Vorposten aufgestellt
werden (Bild 2). Die Kämpfe am mittleren Dunajec
unter General v. Mackensen, die Schlachttage von Gor-
lice und Tarnow, die Wegnahme der Höhen von Hyowa
Gora unter General v. Emmich, die Eroberung von
Krosno durch die österreichisch-ungarische Armeegruppe
Boroevic, die Erstürmung von Jaroslau und Stryj werden
für immer unverwelkliche Lorbeeren im Siegeskranze des
deutschen und österreichisch-ungarischen Heeres bedeuten.
Und ebenso glanzvoll leuchtet die Wiedereroberung der
Festung Przemysl. Mehrere Monate hatten die Russen
unter schonungsloser Aufopferung von zahllosen Menschen-
leben gebraucht, um die ausgehungerte Festung endlich
in ihren Besitz zu bringen. Sie zwangen der Ernährung
wegen die ärmere Bevölkerung, aus der Stadt zu flüchten
(Bild 4), stellten die Befestigungswerke wieder her und
bestückten sie mit schwerem Geschütz, und doch gelang es
nach nur viertägiger Belagerung bayerischen Regimentern,
preußischen Gardetruppen und österreichisch-ungarischen
Schützenabteilungen unterFührung des Generalsv.Kneus-
sel, eine Reihe von Forts und die Festung selbst mit
stürmender Hand zu nehmen. Gegen 33000 Russen
wurden in den Gefechten bei Przemysl gefangen- große
Kriegsvorräte und eine beträchtliche Anzahl von Ge-
schützen erbeutet (Bild 3).
vom italienifch-östel-l-eichischen Sl-enr-
gebiet: die vrentagruppe in 5üdtil-oi.
ds5 8!Id suf Seile SZ5.)
1"s1estlich vom Gardasee durchzieht eine tiefe, durch
landschaftliche Schönheit und große Fruchtbarkeit
ausgezeichnete Talfurche, Judicarien genannt und als
eine der Einbruchspforten der Italiener ins Trentino
letzthin wiederholt in den Kriegsberichten erwähnt, die
Südtiroler Kalkalpen in nordöstlicher Richtung vom kleinen
oberitalienischen Jdrosee bis in die Breite von Trient.
Sie wird nach Süden zu von dem zum Jdrosee fließen-
den Chiese durchströmt, sowie in entgegengesetzter Rich-
tung von der Sarca, die dann nach Verlassen der Judi-
cariensurche zweimal rechtwinkelig umbiegt und über
Arco dem Gardasee zuströmt, in den sie bei Riva ein-
mündet. Nördlich von dem in Judicarien verlaufenden
Abschnitt der Sarca erhebt sich ein mächtiger Gebirgs-
stock, dessen Nordende durch das Noce- oder Nonstal
(Ronsberg) bezeichnet wird. Es ist die durch größte
Unwegsamkeit, aber höchste landschaftliche Reize aus-
gezeichnete Brentagruppe, ein Teil der Trientiner Alpen.
Aus fast durchweg horizontal geschichteten, ungefalteten
Massen von dolomitischem Kalk sich aufbauend, stellt sie
sich infolge der hier ausnehmend starken Tätigkeit der
Erosion als ein hochragender, witdgezackter Gebirgs-
rücken dar, dessen Anblick von allen Seiten einen impo-
santen Eindruck macht. Die höchsten Gipfel, darunter
die 3176 Meter hohe Cima Tosa und die in der Kaiser-
Franz-Joseph-Spitze 3155 Meter erreichende Cima Brenta,
tragen ewigen Schnee und entsenden stattliche Gletscher
in die wildromantischen Täler. Eine tiefe Scharte mitten
in diesem Gebirgszuge, die 2547 Meter hohe Bocca di
Brenta, teilt diesen in eine nordöstliche und eine südöst-
liche Hälfte, die erstere mit der Cima di Brenta, die
letztere mit der Cima Tosa als höchsten Gipfelpunkt. Für
Hochtouristen und Alpenkletterer bietet die Brentagruppe
mit ihren stolzen Zinnen und Zacken, ihren duftenden
Almmatten und prächtigen Wäldern, ihrem Firn und
Eis ein lockendes Ziel, für die Kriegführung dagegen
die denkbar größten Schwierigkeiten.
Ddmil-al v. Usedom, der Kommandant der
Uesestigungen an den Dardanellen.
lSiehe da; peNc-it auf Seite SZ7.)
irplenn bisher die Angriffe der Engländer und Fran-
zosen auf die Dardanellen im wesentlichen gescheitert
sind, so hat an dieser günstigen Entscheidung für die
Türken nicht am wenigsten der Admiral v. Usedom, der
Kommandant der Befestigungen an den Dardanellen,
beigetragen. Er ist es gewesen, der die Dardanellenforts
mit schweren Geschützen verstärkte, an geeigneten Punkten
neue Haubitzenbatterien in vorzüglicher Deckung anlegte
und das Feuer auf die Flotte der Verbündeten in erfolg-
reichster Weise leitete. Guido v. Usedom wurde am
2. Oktober 1854 in Quanditten bei Königsberg in Ost-
preußen geboren. Im Jahre 1871 trat er in die Marine
ein, war 1887 bis 1890 persönlicher Adjutant des Prinzen
Heinrich, wurde dann zum Flügeladjutanten des Kaisers
ernannt und führte mehrere Jahre die Kaiserjacht „Hohen-
zollern". Während der im Jahr 1900 ausbrechenden China-
wirren war Usedom Kommandant der „Herta". Er befeh-
ligte sodann das deutsche Landungskorps bei der Seymour-
Expedition, die den Zug auf Peking unternahm und es
eroberte. Bei Langfang verwundet, wurde er im Winter
1900 bis 1901 dem Stabe des Grafen Waldersee zugeteilt.
Seit 1905 wirkte Usedom als Oberwerftdirektor in Kiel,
worauf seine Ernennung zum Admiral erfolgte.
h Polizeisoldaten.
Vie Mordkommission.
errählung aus einer russischen Kreisstadt.
von Maximilian Maulbecker.
(Nachdruck verboten.)
ie das johlte und gröhlte! Und die Pfeifen
qualmten und stanken, daß Gott erbarm!
Bis auf den letzten Platz war heute die
Branntweinschenke angefüllt mit gestel-
lungspflichtigen Bauern aus dem Bezirke und allerlei
Weibervolk. Die einen berauschten sich aus Gram
darüber, daß sie zum Kriegsdienst für tauglich be-
funden worden waren; andere tranken aus Ge-
wohnheit, rein aus Lust am Trunk. Die jüngeren
Burschen zechten, weil sie meinten, ein tüchtiger
Rausch und ein braver Soldat gehörten nun einmal
zusammen.
Pawel Pawlowitsch, der reiche Branntwein-
pächter, der bei diesem Geschäft doch allen Grund
zur Freude gehabt hätte, stand mit finster gerunzelter
Stirn und aufgestemmten Armen hinter dem Schenk-
tisch und schaute mürrisch dem ausgelassenen Treiben
der Gäste zu. Nicht ohne aufrichtige Ergriffenheit
dachte er darüber nach, daß diese gottvoll liederlichen
Kunden und trinkfesten Burschen da, denen ein
jedes Rubelchen so lange auf den Fingern brannte,
bis sie es glücklich in Branntwein umgesetzt hatten,
nun alle in den Krieg ziehen mußten. Was küm-
merten ihn, den friedlichen Branntweinpächter und
pünktlichen Steuerzahler, die Ursachen dieses un-
seligen Krieges mit seinen unberechenbaren Wechsel-
fällen ! An den Bettelstab würde er ihn bringen —
das wird das Ende vom Lied sein!
Und in seines Herzens Betrübnis wußte er sich
keinen besseren Rat, als selbst ein großes Glas Schnaps
in einem Zuge hinunterzustürzen.
„Schau — schau!" lärmte ein wüster Geselle
mit einer häßlichen, rotunterlaufenen Narbe über
der rechten Wange. „Wenn unser lieber Bauern-
vater seinen eigenen Fusel so gerne trinkt, dann
muß es etwas ganz Feines sein. — Gib uns auch
von diesem Stoff, so ein Viertelchen oder etwas
mehr, das macht mutig und lustig." Wie um seine
durch reichlich genossenen Alkohol bereits erzeugte
Lustigkeit zu bezeugen, stampfte er auf der harten
Diele einen ausgelassenen, wilden Tanz, indem er
in einemfort dazu sang: „Ach, du Hundesohn! Du
Bauer aus Komarinsk!"
Ob nun das fortwährende Drehen und Stampfen
oder das Übermaß an Alkohol ihn unsicher auf den
Beinen machte, jedenfalls trat er einem Bauern
dermaßen auf die Füße, daß dieser wie ein Stier
aufbrüllte und im selben Augenblick, ohne ein Wort
der Entschuldigung abzuwarten oder selbst noch
einen weiteren Laut von sich zu geben, mit der
ganzen Wucht seines massigen Leibes sich auf den
Rotnarbigen stürzte.
„Hallo, was soll's!" schrien einige. „Reißt sie
auseinander!"
„Warum nicht gar!" wehrten andere mit Heftig-
keit ab. „Mögen sie sich doch prügeln, bis einem
die Luft ausgeht. Wenn's ihnen nur Spaß macht,
uns ganz gewiß."
„Spaß? Schöner Spaß, ihr Galgenstricke, das
könnte euch so gefallen!" schimpfte der aus seinen
wehmütigen Betrachtungen so jäh herausgerissene
Pächter, sprang, so rasch als seine Leibesfülle dies
nur immer zuließ, hinter dem Schenktisch hervor
und arbeitete sich mit Ellbogen und Fäusten zugleich
durch die Gruppe der Umstehenden hindurch. „Wollt
ihr, daß die Polizei in mein Haus kommt — in mein
achtbares Haus?" schrie er puterrot im Gesicht..
„Hinaus mit euch Raufbolden, wenn euch euer
Leben lieb ist!"
In demselben Augenblick, als er den Bauer am
Rockkragen hinten zu fassen kriegte — er machte
dabei eine so heftige Arm- und Handbewegung, daß
es schien, als wolle er dem Bauern das Genick
brechen — in genau demselben Augenblick versetzte
der Rotnarbige seinem Gegner von vorne einen so
heftigen Stoß in die Magengegend, daß dieser wie
vom Blitz getroffen zusammenzuckte, den Unter-
kiefer mit einem seltsamen Atemgeräusch abwärts
zerrte, als ringe er mit Gewalt nach Luft, und gleich
darauf vornüber zu Boden schlug, im Fallen den
Pächter mit sich reißend.
„Gott soll schützen!" rief einer der Zunächst-
stehenden und sprang entsetzt einen Schritt zurück.
„Er hat ihn erschlagen!"
„Mord! Mord!" schrien mehrere Stimmen
gleichzeitig durcheinander.
Wie ein grauenhastes Nachtgespenst sprang aus
dem Wirbel der erregten Stimmungen das unheil-
volle Wort hoch, pflanzte sich von Mund zu Mund,
fuhr mit dem unheimlich rauschenden Flügelschlag
einer aufgescheuchten Fledermaus durch die ver-
räucherte Schenke, stieß sich an den schmierigen
Branntweinfässern schier den Kopf ein und entwich
aufheulend durch die aufgesprungene Tür ins Freie.
Ziellos irrte und gellte es durch die volkbelebten
Straßen der Stadt, immer auf und ab: „Mord
Mord! Im Krug haben sie einen umgebracht!
Selbst die Ofenhocker kamen aus ihrem Winkel
hervorgekrochen und versuchten mit bebenden
Lippen das schreckliche Wort nachzuformen. Zs
kroch und schraubte sich durch die Gehörgänge ins
Gehirn der Menschen empor, daß die Zentralnerven
wie Leitungsdrühte summten und schwirrten und
sich mit peinigender Stetigkeit immer wieder zu
dem einen furchtbaren Begriff zusammenschwangen:
Mord — Mord! Leute mit lebhafter Einbildungs-
kraft sahen in ihrer nächsten Nähe — ob in der Luft
schwebend, ob auf dem Boden hingestreckt, das
wußten sie selbst nicht recht — den starren Körper
eines Menschen in einer rauchenden Blutlache
schwimmen, und ihre Lippen schwirrten dabei
ganz seltsam, als wollten sie etwas sagen. Und
brachten es doch nicht heraus, das schreckensvolle
Wort.
Alle wichen ihm aus. Nur einer nicht: der
Herr Polizeimeister. Das war ein furchtloser Mann,
der mit solchen Dingen genau Bescheid wußte-
Rußland hat viele solcher unerschrockenen Männer,
sehr viele, unendlich viele. Der eigentliche Held
unserer Erzählung aber, eben der Polizeimeister
Sergius Sergewitsch, war nicht nur ein unerschrocke-
ner, sondern auch ein sehr kluger Beamter, mit
einem Wort deutlich gesagt: eine gerissene Bestie.
Das heilige Rußland ist reich an solchen Bestien-
Den Herrn Polizeimeister Sergius Sergewitsch jss
doch hat es nur in einem einzigen Exemplar. Wen
entfernt, irgend eine nervöse oder auch nur be-
unruhigende Gemütserregung zu verraten, verklärte
sich sogar der Gesichtsausdruck Seiner Gestrengen-
als das unheimliche Wort ihm zu Ohren kam. Aw
er gar den Bericht entgegengenommen und dabei
heraushörte, daß der reiche Branntweinpächter in
die Angelegenheit verwickelt sei, da fuhr dort, wo
der struppige Schnauzbart von der feisten Wange
des Herrn Polizeimeisters abspringt, ein pfiffiges
Schmunzeln wie eine Stichflamme einige Male aus
und nieder, zuckte einmal über, die rechte und dann
noch einmal über seine linke Gesichtshälfte, stand für
eines Augenblickes Dauer wie ein triumphierende!.'
Wetterleuchten in seinen stahlgrauen Augen, um
gleich darauf, als der Protokollführer ins Zimmer
trat, spurlos zu verlöschen.
„Du hast von dem Vorfall gehört, Michael Mi-
chailowitsch," wandte sich der Gestrenge an seinen
Untergebenen.
„Ich habe gehört, Euer Wohlgeboren," erwiderte
der Protokollführer und ließ ehrfurchtsvoll seinen
kahlen Kürbisschädel auf die hagere Bureaukraten-
brust sinken.
„Gut, und wie spricht man.in der Stadt über
den Vorfall?"
„Wie das Volk so spricht, Euer Wohlgeboren-
Ein Mord —"
Mit einer herrischen Geste schnitt der Vorgesetzte
dem Untergebenen das Wort ab. „Das wird die
in objektiver Weise zu führende Untersuchung lehren,
ob wirklich ein Mord vorliegt," schnauzte Serguw
Sergewitsch und versank in ein minutenlanges Nacm
denken, als hätte er ein schwieriges RechenexernP^
zu lösen. Der Protokollführer, hart und eigenwillig
nach unten, biegsam und willfährig nach, oben ww
alle russischen Beamten, hatte es in der SchnW
langjähriger Praxis zum Meister gebracht in der
Kunst, in den Gedankengängen, auf Wendel- uM
Hintertreppen seines vorgesetzten polizeimeisterlichen
Gehirns sich mühelos zurechtzufinden, und beeilte
sich daher zu versichern: „Gewiß, Euer Wohlgeboren,
ganz gewiß! Die Leute reden ja allerhand uno
meist zu viel — in der Tat viel zu viel."
„Und gleichwohl brüllt dieses Herdenvieh immer-
fort nach noch mehr Redefreiheit und was der-
gleichen überspannte Forderungen einer konfuse-
Zeit mehr sind. Trag mir ungesäumt Sorge dasM,
Michael Michailowitsch, daß sich mehrere Ssotski -
unauffällig unter das Volk mischen und den lauteste:
Schreiern derart das Maul stopfen, daß sie es sobau
nicht wieder aufkriegen. Zuvor aber rufe mir oe
Gerichtsarzt. Auch halte dich zur Aufnahme ocv
Protokolls bereit — marsch nun!"
Gleich darauf erschien der Gerichtsarzt, ein Man
in den dreißiger Jahren, der erst kürzlich nach ML
versetzt worden war, in manchen Dingen auch M l
ein rechter Neuling zu sein schien, weshalb der Her
Polizeimeister glaubte, ihn mit einer gewissen Hera
lassung empfangen zu -müssen. ,
„Gott mit Ihnen, Verehrtester!" redete er m
in gönnerhaftem Tone an. „Sie werden wo-