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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 25
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0542
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Va8 Luch fülMe
Bullnette fsmilienrettung
25. l^est. 1915.
Amerika». Copyright 1915 bl, Union Deutsche Verlagsgesellschast, Stuttgart.


„Aber sehr wünsch' ich das. Solchen Dingen
muß man doch auf den Grund kommen. Also in
Stettin soll sie Geschichten gemacht haben?"
„Verzeihung, das habe ich nicht behauptet, habe
überhaupt bezüglich Frau Assessor Leske gar nichts
behauptet, sondern nur bemerkt, daß man in Stettin
etwas behauptet, dessen Grund oder Ungrund sich
meiner Beurteilung entzieht."
„Ausflüchte!" sagte Theiner grob und legte
Geld auf den Tisch. „Hier ist die Anzahlung
Nummer zwei. Heraus nun mit der Geschichte!
Was wissen Sie?"
„Ich — nichts!"
„Was sind das für Behauptungen?"
„Für die ich jede Gewähr ablehne, die von mir
nicht aufgestellt und bisher auch nicht geprüft
wurden."
„Ja doch — ja!"
„Und die ich rein beiläufig bei den Erkundigungen
nach dem heutigen Ehemann der Dame behaupten
hörte — verstehen Sie, mein Herr, nur behaupten
hörte!"
„Das alles verstehe ich und frage nur: von
wem?"
„Von einer Dame, die ich erst nennen werde,
wenn Sie sich schriftlich verpflichten, auf jede etwaige
gerichtliche Verfolgung zu verzichten."
„Zum Henker! Wenn sie nun gelogen hat!
Fällt mir gar nicht ein!"
„Dann steht sie unter dem Schutze meines In-
stituts, und ich breche die Auskunft ab."
Theiner fieberte vor Grimm. „Das ist—das ist—"

„Geschüftsgrundsatz, mein Herr — weiter nichts.
Wir waren bei Herrn Leske. Also er lebt in glück-
licher Ehe und befindet sich mit feiner Gattin zur-
zeit in Köln, um den Karneval zu genießen."
„Auch das wissen Sie?"
Stuhr nickte geschmeichelt. „Ach ja, wenn es
sein muß, bringen wir noch andere Dinge ans
Tageslicht."
Das brachte Theiner auf seine eben verlassenen
Gedankenwege zurück. „Eben deshalb will ich auch
in der anderen dunklen Andeutung mein Licht
haben. Also schreiben Sie den Revers, der Teufel
soll die Klatschbase holen! Ich lasse sie laufen, nur
wissen will ich, wie weit die Gemeinheit geht!"
W. N. Stuhr willfahrte dem Verlangen in aller
Gemütsruhe. Er legte einen Revers vor, laut
dessen sich der Unterzeichner verpflichtete, als
Entgelt einer ihm gewordenen Namensnennung
jeden Beleidigungsstrafautrag zu unterlassen, falls
der oder die Genannte falsch unterrichtet erscheinen
sollte.
Der Name aber lautete: Frau Fanni Düerland,
Stettin, Turnerstraße.

Der freibeuter.
Uomgn von ffttui' Wincklei'--Ignnendei'g.
lroMcstung.) — (Nachdruck prickoisn.)
ha, das ist ihm unerwünscht," urteilte
Stuhr bei sich und beschloß, diese Wahr-
nehmung im Auge zu behalten. Laut be-
merkte er: „Rene Lazare Armand Leske
_z ist nach väterlicher Abkunft Deutscher, nach
mütterlicher Franzose. Er studierte in Straßburg
und Tübingen die Rechte und brachte es bis zum
Assessor, dann brach er sich den Hals —"
„Was brach er?" fragte Theiner.
„Den Beamtenhals. Als Deutscher in Lothringen
geboren, durch seine Mutter, eine geborene Verrison,
Protestlerischen Familien verwandt, früh verwaist
und dem Einflüsse des Vaters vorzeitig entrückt,
kam er in den Verdacht französischer —"
„Pfui Deibel! Und das nennen Sie gut — zum
Teil ausgezeichnet?"
W. 3k. Stuhr sah den Zwischenredner erstaunt
an. „Meine Auskunft beginnt erst. Das mochte
töricht, jugendlich ungeschickt sein, ehrlos war es
nicht. Jeder hat das Recht, das zu halten, wie er
will, wenn er die Folgen trägt."
„Das mag in Berlin so Mode sein, bei uns
nicht! Aber, bitte, weiter!"
„Man hatte ihm eine gute Laufbahn prophezeit,
denn er war ein ausgezeichneter Jurist. Solche
Leute braucht man nun auch anderwärts, nament-
lich in der Industrie. Eine Pariser Gesell-
schaft, die überseeische Beziehungen besitzt,
benützte ihn dazu, die Rechtsverhältnisse zwi-
schen sich und ihren Fremdländern sachver-
ständig zu ordnen. Das brachte ihm große
Einnahmen. Aber wieder brach er sich den
Hals —"
„Merkwürdig, wie viele Hälse er hat!
Und dabei immer noch: Auskünfte gut!"
Stuhr überging auch diese Bemerkung
hoheitsvoll. „Er wagte Spekulationen, die
ihm in seiner Vertrauensstellung ausdrücklich
untersagt waren, und seine Gesellschaft ent-
ließ ihn Knall und Fall."
„Was Sie auch —"
„Was eine Dummheit war. Anscheinend
die erste, die er hätte vermeiden müssen.
Aber er stand sofort wieder auf den Füßen."
„Ah!"
„In einen: Ostseebade lernte er eine
junge Dame kennen, deren Vermögensver-
hültnisse sehr solid waren. Doch bestehn
freilich auch hier Bedenken —"
Jetzt riß Theiner die Augen groß auf.
„I verflucht, welche denn?"
„Sie hat einen Sohn, und dieser ist der
eigentliche Inhaber des Hanptvermögens von
seiner Großjährigkeit an."
„Ach so — ich dachte schon, dort wäre
auch ein Halsbruch."
W. 3k. Stuhr lächelte feiu. „Vielleicht
auch. Manche Leute behaupten es, aber auf
derartiges gibt eine gewissenhafte Auskunftei
nichts."
„Was behaupten gewisse Leute?"
„Verzeihung, das überschreitet den Rah-
men meiner Aufgabe. Wenn Sie sich in
dieser Hinsicht unterrichten wollen, wenden
Sie sich nach Stettin. Ich habe über Herrn
Renö Lazare Armand Leske berichtet. Wün-
schen Sie die Auskünfte auf Frau Luise
Klementine Leske ausgedehnt zu schon, so
bitte ich um entsprechenden Auftrag."

Am gleichen Nachmittage noch saß der Domänen-
pächter Theiner im Schnellzuge nach Stettin, und
zwei Stunden später rumpelte er in einer Droschke
die Grüne Schanze hinauf und der Turnerstraße zu.
Die Gesuchte selbst empfing ihn.
Erstaunt, mißtrauisch schaute sie ihn, der seine
Karte hineingesandt hatte und ihr nun gegenüber-
saß, an. Wieder und wieder drehte sie die Karte
in den Händen.
„Herr Theiner, ich weiß nicht — wir
kennen uns nicht."
„Wir werden uns gleich kennen lernen.
Sie haben voriges Jahr in Swinemünde
eine Frau Amtsrat Emmerich getroffen —
nicht wahr?"
Fanni Düerland preßte ihre schmalen
Lippen zusammen. Sie tat, als müsse sie
in graue Vorzeit zurücksinuen. „Mein Gott
— ja. Ah, da ist auch mein Mann -— Herr
Theiner. — Machten wir nicht diese Be-
kanntschaft dort?"
Düerland hatte sich gemächlich herein-
geschoben, denn er war neugierig, was sich
hier entwickeln wollte. Er verneigte sich
grüßend und sagte dann: „Die Begegnung
war sehr flüchtig."
„Aber Sie haben doch Wahrnehmungen
gemacht. Ich weiß es, daß Sie sie machten."
„Wir?" Fanni sagte cs spitz und feindlich.
„Wir?" Düerland sagte es ängstlich und
bedrückt.
„Der Dame sollnachgesagt worden sein—"
„Von uns?" fragte Fanni.
„Dazu waren wir uns viel zu fremd,"
erklärte der Mann.
„Aber, verehrte Herrschaften, ich habe ja
noch gar nicht geäußert, was gesagt wor-
den sein soll, und Sie wehren es schon
ab, als ob es etwas Schlimmes gewesen
sei! — Also, hören Sie: Ich komme nicht
als Feind, ich versichere Ihnen, daß ich
für eine wahrheitsgemäße Auskunft zu
Dank verpflichtet sein werde."
„Das heißt also, Gerichtsschererci hätten
wir unter keinen Umständen?"
„Unter keinen, auf mein Wort!"
„Ja, Fanni, dann —"
„Ich weiß doch nicht! Allerdings sittlich
Ph°t.Ph-,°gr.B-uchi°-M^ empört waren wir ja beide —"
öeneralleuwartt o. kneuhl, „Und mit Recht! Bei Lebzeiten des
der Bührer der Ladern bei der krstürmung von preemijsl. (8. 548) Mannes so etwas!"

XXV. 1915.
 
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